Erstellt am: 10. 3. 2009 - 18:08 Uhr
Journal '09: 10.3.
Ich finde ja: zurecht.
Nix gegen die lebenswichtige Bedeutung. Aber: zunehmendes Gerede über die eigene Gesundheit (das sich gern in selbstmitleidige Verfalls-Tiraden ausweitet) signalisiert meiner Einschätzung nach den Übergang von der aktiven Teilnahme am Leben zu seiernden Früher-war-alles-besser-Passiva einer eh schon in jeder Hinsicht überaltereten, bewegungslosen Gesellschaft. Und dem sollte man gerade im FM4-Umfeld nicht zuviel Wichtigkeit zumessen.
Es passiert viel zu wenig zum Thema Gesundheit auf FM4.
profil
Hat heute eine interne Sitzung eher beiläufig konstatiert. Um dann zu überlegen, ob oder wie man die aktuell vom Profil mit der Vorab-Veröffentlichung des neuen Langbein-Enthüllungsbuches losgetretene Diskussion covern soll.
Mir ist dazu eigentlich nur eine Sache sofort in den Sinn gekommen: ein Satz aus einem der finalen Dialoge zwischen dem Brenner und dem Berti aus dem Knochenmann - also dem Haas/Hader/Murnberger-Film, im Haas-Buch ist der Berti ja gar nicht drin.
Der Knochenmann
und da bleibe ich absichtlich unkonkret, mit der "Verletzung", um die heulende Horde der Spoiler-Süchtler nicht ins Unglück zu stürzen, was gerade angesichts der Tatsache einer Buch-Verfilmung komplett lächerlich ist, weil da die Lektüre des Buchs mit dem Wissen um den bewussten Finger den Film eh spoilert - aber sie sind in sich lächerlich, die Spoiler-Plärrer, also werden sie auch diese Lachhaftigkeit argumentieren; da hab ich keine Sorge.
Da warnt der Berti den Brenner davor sich (wegen einer "Verletzung") ins von den Sanitätern angesteuerte Provinz-Krankenhaus (denn dort spielt der Knochenmann) chauffieren zu lassen, weil dort das Behandlungs-Niveau, vorsichtig gesagt, nicht ganz so hoch wäre. "Des san Fleischer!" warnt der Berti, und als der Brenner die Sanis anschaut, um eine Bestätigung zu bekommen, ziehen die entsprechende Gesichter um nichts Schlechtes sagen zu müssen.
Dann schlägt der Berti ein Wiener Unfall-KH vor, wo man auf derlei "Verletzungen" spezialisiert wäre vor, und wieder bekommt der Brenner ein wohlwollendes Genicke.
Dass die Sache dann anders ausgeht, hat nix mit der Qualität der Krankenhäuser, sondern mit anderen Umständen zu tun, aber egal - wer das wissen will schaut sich den Film an, den zu loben Eulen nach Athen zu tragen hieße.
Ich halte das nicht für eine Insiderwisserei des schlauen Wolf Haas, sondern für instinktives kollektives Allgemeinwissen aller Österreicher. Dass die Qualität, vor allem in spezifischeren Fällen, schon oft mit der Größe des Spitals zunimmt. Dass in bestimmten Gegenden (z.B. Innsbruck bei Skiunfall-Verletzungen) bestimmte Fachkenntnis garantiert.
dor-film
Und ich denke, dass dieses unterschwellige Wissen mit einer anderen Tatsache abgewogen wird: dass man nämlich als Einheimischer in einem lokalen Krankenhaus selbstverständlich die Chance auf bessere, weil persönlichere Behandlung hat, weil man im engeren Bereich mehr Bekannte hat, die auf einen schauen. Weil's für den Arzt auch mehr als peinlich ist, jemanden herzupfuschen, dessen Bruder dann im selben Kegel-Verein ist.
Todesfalle Krankenhaus
Insofern ist die Profil-Warnung vor der Todesfalle Krankenhaus dann auch nur ein Weckruf, der zu steigender Bewusstseinsbildung führen möchte, und keine ernsthafte Beurteilungs-Hilfe.
Noch nicht auszumessen: die Gen-Forschung wird das mit der Diagnostik in den nächsten 10 Jahren womöglich umfassend erledigt haben; aber das ist ein anderes Thema.
Gerade beim Thema Gesundheit&Medizin ist jeder Fall komplett einzigartig und daher in seinen Chancen im vorhinein nicht auszumessen.
Interessanterweise reagiert die Ärzte-Lobby auf diesen Weckruf von Kurt Langbein so wie ein auf frischer Tat ertappter Einbrecher und streitet (noch mit dem Schmuck in der Hand) alles ab, anstatt sich mit einer reumütig konstruktiven Geste diese Diskussion innerhalb von Stunden vom Tisch zu kriegen. Denn schließlich ist Österreich, was Qualitätskontrolle seiner Ärzteschaft betrifft, tätsächlich hinterdrein.
ecowin-verlag
- Völlig unzusammen-hängender Sidestep, weil grad vom Knochenmann die Rede war: auch in einem anderen aktuellen (und ebenso grandiosen) Film, The Wrestler nämlich, spielt die Gesundheit eine wichtige Rolle. Dort offenbart sich nämlich, ganz nebenbei, das US-Gesundheits-System auf das Abgründigste. Es funktioniert nur auf Basis der inoffiziellen kooperativen Netzwerke der Communities (in dem Fall des dort dargestellten White Trash). Und es legt auch die in den USA völlig andere Zugangsweise zu Körpergefühlverstärkern und Doping offen. The Wrestler zeigt sehr schön: solange die Gesundheits-Systeme in Europa und den USA so different sind, ist eine gemeinsame Doping-Diskussion sinnlos.
Stattdessen wählte man den österreichischen Weg und beschuldigte den Überbringer der realexistierenden schlechten Nachricht des Defätismus.
Das ist wie gehabt.
Neu ist die mittlerweile flächendeckende Zustimmung, die man kriegt, wenn man sich über öffentliche Äußerung, offenes Nachdenken etc beschwert: in diesem Zusammenhang fällt mir der jüngst im Journal-Forum in einem anderen Zusammenhang verwendete Neoismus des "Diskurs-Terrors" ein: zuviel öffentliches Nachdenken/Finger-in-Wunden-legen als "böse", als "terroristisch" brandmarken, das ist so schön österreichisch, herrlich ...
Arme, diskursterrorisierte Ärzte!
Ich denke aber, dass auch hier das instinktive, kollektive Wissen des gelernten Österreichers um die Beschaffenheit seiner Ärzte weiter ist, als ihnen die Ärzteschaft selber zumuten würde.
Zwar kriegen die Götter in Weiß bei jeder Zuschreibungs-Wahl der Berufsgruppen die Bestnoten, aber das nicht, weil sie gute und womöglich gar kritik- oder gar diskursfähige Menschen sind. Sondern weil man ihnen Fachwissen zutraut, sie als Fachidioten im postiven Sinn schätzt. Zum Diskutieren, Debattieren oder zum Bereden von übers Spezialgebiet Hinausgehendem wird niemand einen Arzt konsultieren.
Ich bin jüngst im Zug neben einem künftigen weißen Gott gesessen. Der studiert zwar noch, liest noch Papas Autozeitschrift, hatte aber schon die passende künftige Arztgattin (Alibi-WU-Studentin, ultranaiv plaudernde künftige Gesellschaftsdame, die den Göttergatten anhimmelt) dabei - und außerhalb seiner Skripten ein Bewußtseins-Niveau eines desinteressierten Wiener Hauptschülers.
Und: ich habe kein Problem damit.
Einige der Besten haben sich interessanterweise für die Steuerberatung bzw die Steuerfahndung entschlossen. Irgendwie auch Ressourcen-Verschwendung, oder?
Ich kenne dieses Phänomen seit die Dümmsten meines Matura-Jahrgangs die medizinische Laufbahn eingeschlagen haben (Papa-Praxis-Übernehmer). Ich kann mit ihnen wohl keinen sinnvollen Gedanken austauschen, würde ihnen aber jederzeit eine gelungene Operation zutrauen.
So, das war jetzt eine ordentliche Abschweifung. Und damit auch schon fast zuviel zum Thema Gesundheit im FM4-Bereich für heuer. Denn eigentlich ... siehe oben.