Erstellt am: 11. 3. 2009 - 13:19 Uhr
Begeisterte Skepsis
Der Zusammenhang zwischen dem Lesen längerer Texte am Bildschirm und stechendem Kopfweh, müden Augen sowie flimmernden Punkten auf der Netzhaut ist altbekannt und wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass wir im Gegensatz zu Musik, Filmen und Computerprogrammen (so gut wie) keine Bücher illegal herunterladen. Der private Druck zahlt sich einfach nicht aus. Beim Anblick meines ersten Lesegeräts für elektronische Bücher fühle ich mich also in Ffordsche Gefilde versetzt.
Jasper Fforde ist ein Walisischer Autor, dessen Romane in einem literaturverliebten Paralleluniversum spielen und der online Updates zu seinen Büchern veröffentlicht.
Wie wäre das, wenn sich kichernde Volksschüler ausschließlich in Zitaten aus Lindgren-Büchern unterhalten, wir per Bluetooth Bücher aus Automaten an der Ecke laden könnten und alternative Enden für Klassiker der Weltliteratur in Tauschbörsen weitergegeben werden.
Obwohl, da kommen mir auch schon die ersten Bedenken: Mein Internetzugang wird gekappt, weil ich eine Privatkopie zuviel gemacht habe. Die Literaturpolizei stürmt die Häuser von Harry-Potter-Fanliteratur-Autoren. Und ganz schlimm: Bachmann-Preisträger sprechen Anti-Raubkopie-Spots!
Radio FM4 Michael Fiedler
Da in Europa Werke 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers ihren urheberischen Schutz verlieren, stehen bereits viele E-Books gratis zum download bereit. Zum Beispiel beim Gutenberg Project. Auf diese Weise könnten die großen Klassiker eine Renaissance erfahren. Oder aber Literatur völlig beliebig werden.
Auf der anderen Seite stellen auch viele junge Autoren ihre Bücher unter Creative Commons License frei ins Netz. Damit könnten neue, gute Autoren schnell einen hohen Bekanntheitsgrad erlangen. Oder aber Literatur nicht nur beliebig, sondern auch immer schlechter werden.
Das kann mich aber nicht abschrecken. Anschauen kann ich mir die Lesegeräte ja mal. Begonnen hat alles 2007 mit dem Kindle von Amazon, der zwar nicht der erste E-book-reader, aber der bekannteste ist. Mittlerweile gibt es schon Version 2, beide sind allerdings nur in den USA erhältlich. Doch schon seit vergangenen Dezember vertreibt ein Wiener Unternehmen zwei Reader und E-books über Buchhandlungen in Österreich. Und Anfang April erscheint auch der Sony Reader hierzulande. Was können die Dinger?
Der große Vorteil ist die Darstellung. Alle momentan erhältlichen Geräte setzen auf elektronisches Papier, das Schrift und Bilder flimmerfrei und stromsparend zeigt. Dass die Migräne von längeren Akkulaufzeiten ersetzt wird, ist erfreulich, die Technik hat aber auch Nachteile: Farbe ist nicht, das Blättern geht zögerlich vor sich und wird unerträglich langsam, wenn das elektronische Buch Bilder enthält. Als wäre ich zurückversetzt in die letzten Tage des 56k-Modems.
Die Unterschiede sind eher Geschmackssache: Der Reader kommt in stabiler Aluminiumhülle und hat das kontraststärkere Display. Das Bookeen Cybook besteht aus Plastik und hat einen etwas dunkleren Hintergrund, wirkt dafür aber weit aufgräumter. Anstelle von 22 Knöpfen, deren Funktionen sich teilweise doppeln, führen hier halb so viele Tasten durch das unkompliziertere Menü.
Radio FM4 Michael Fiedler
Neben der Displaytechnik haben sie aber noch etwas gemein: Sie sind wie einsame Inseln, auf denen nur alle paar Jahre ein Versorgungsschiff vorbeischaut. Hochladen funktioniert nämlich nur über USB-Kabel oder SD-Karte. Von W-Lan, Bluetooth oder UMTS hat man hier noch nie gehört. Ich kann nicht sagen, ob es am fehlenden Touchscreen liegt oder am fehlenden Papier - ich will die ganze Zeit so umblättern, wie ich es von einem realen Buch gewohnt bin. Notizen einfügen, Textstellen markieren oder gar kopieren geht auch nicht. Damit verlieren beide Geräte schon ihre Berechtigung.
Da sind Kindle 2 oder I-Phone mit Kindle-Funktion schon viel weiter. Größter Stolperstein ist aber die Preis- und DRM-Politik der elektronischen Bücher. Beides ist momentan von Verlag zu Verlag verschieden, die Buchpreisbindung wird gerne als Argument für den gleichen Preis wie für die gedruckte Version genannt und neue Dateiformate mögen "offen" sein, ein Kopierschutz ist beim konkreten Buch aber meist mit dabei. Wie bei Musik zeichnet sich hier ein langer, mühsamer Weg ab, den Verlage und Buchhandel schon längst hätten durchlaufen können. Eigentlich ist die letzte Chance zum Lernen aus der Geschichte fast vorbei, das Unwort Buchindustrie ist nicht mehr weit.
Radio FM4 Michael Fiedler
Die Gefahr, dass wir in Zukunft nur mehr elektronische Bücher kaufen, besteht aber sowieso nicht und auch dann nicht, wenn die E-book-reader einmal wirklich ausgereift sind. Schließlich geht es beim Lesen um mehr als dunkle Buchstaben auf hellem Grund (sic!). Unabhängig voneinander haben zwei Testerinnen das Lesen von echten Büchern als sinnliche, ja erotische Tätigkeit beschrieben. Ich kann ihnen da nur zustimmen. Im Gegensatz zu meiner in langen Jahren zusammengetragenen Sammlung sind 10.000 Bücher in der Jackentasche ziemlich unsexy.