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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

9. 3. 2009 - 18:48

Journal '09: 9.3.

Das Future Lab "Bauerfeind", oder: Unterbrecher-Inhalte am Scheitelpunkt der Medienkonvergenz.

Weil ich mich dieser Tage (quasi hauptberuflich, ich hab ja außer dem Journal-Gezwitscher hier und zwei kleinen Sendungen auch einen richtigen Hintergrund-Job beim Radio) mit aktuellen Projektionen der Medienkonvergenz beschäftige, bin ich grad drin im Thema des zusehenden Zusammenwachsens von klassischen Alt-Medien (wie eben Radio oder auch TV) mit den neuen Ausformungen (Online).

Einschub am Rande: nicht dass ich jetzt hier ein praktischer Vorreiter der absoluten Verschränkung von Radio und Online wäre. Dazu sind die hier abgesonderten Wort-Paläste (Selbstironie...) zu unradiophon, zu geräusch- und vor allem zu musikarm. Nein: die entsprechenden Entwicklungen finden an anderer Stelle statt.
Aber das ist ja auch nicht meine Aufgabe (hier im Journal) - das ist vielmehr die einer (formal) sanften Begleitung in ein neues Zeitalter. Ich habe hier die Freiheit das was geschickterweise flächendeckend zu machen wäre, auch zu unterlaufen.

Und weil ich denke, dass dabei ein trimedialer Kuddelmuddel keinem hilft, und weil (wie es der Ö1-Chef so schön sagt) Radio&Online ebenso eine eigenständige Entwicklungslinie durchlaufen muß wie Fernsehen&Online, hab ich mich dort, wiewohl leise branchenfremd, auch umgesehen.

Denn: so klar mir die Verschmelzung von Radio- bzw. Online-Angebot ist, so sehr ich da sogar eine halbwegs praktische Vorstellung habe, wie dieses gemergerte Medium 2015 daherkommen könnte, so wenig ist mir das beim TV klar.
Auch logisch, weil ich mich damit einfach nicht bereits seit Jahren in aller Ausführlichkeit beschäftige.

Oberfläche von Bauerfeind

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Imitations-TV

Alles, was da bislang nämlich als visionär gehandelt wurde, war doch bloß nur eine Imitation von TV. Denn vorm Fernsehen haben alle Resp..., nein sogar Angst. Dass man drin gut rüberkommt und lässig ausschaut, dass man davon beachtet wird - während sich das Publikum mit Medien wie dem Print-Erzeugnis oder dem Audio-Signal in gefühlter Augenhöhe befindet, kriecht es vor dem TV noch allzu winselig im Staub; wie der Jünger vor seinem ikonografierten Heroen. Oder es ist ihm (wie FS Misik) schlicht wurscht.

Selbst die grimmepreisausgezeichnete Online-TV-Show Ehrensenf: inhaltlich frech und gewitzt, aber formal ein einziges Imitat. Wie sich das mit Bildsprache (samt dem/r lachhaften Respekt/Angst davor) und geteilter Oberfläche ausgehen soll, damit rauft selbst die jüngere, bereits digital geprägte Generation noch ordentlich herum.

Einen ersten echten Ansatz hab ich jüngst bei Bauerfeind gesehen. Katrin Bauerfeind, die einstige Staransagerin von Ehrensenf wurde ja recht schnell von 3sat gekapert und als Allzweckwaffe eingesetzt, für Kultur- oder Reisemagazine, bis hin zur Berlinale-Moderation. Und jetzt darf sie einmal im Monat eine halbe Stunde öffentlich fuhrwerken.

Katrin Bauerfeind, lachend.

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Bauerfeind gibt's jeden ersten Mittwoch im Monat um 21.30 auf 3sat, ohne Wiederholungstermin, also idiotisch programmiert, dafür dann aber eh auch im Web nachzusehen

20 minutes into the future

Bauerfeind, die Sendung, hat was von den schönen SF-Filmen, die einem eine mögliche Zukunft zeigen. Wir können sicher sein, dass sie so nie eintreffen wird, weil es sich immer nur um eine Hochrechnung aktuellen Wissens und um ein Festhalten an aktuellen Moral- und Denk-Horizonten handelt - aber es sieht lässig aus.

Bauerfeind findet 20 minutes into the future statt. Die Moderatorin, mit all den schönen Skills wie Frechheit, Schlagfertigkeit, Schnauze, Wagemut und auch Charme ausgestattet, bewegt sich durch ihr kleines Magazin wie ein User durch eine Seite. Sie spielt unter Öffnung neuer Fenster alle möglichen Dinge zu, ganz reguläre Beiträge, ihr Noel Gallagher-Interview, stoppt und kommentiert die aber nach Bedarf oder unterbricht, um z.B. Oasis-Livemusik anschaulich zu machen - schnellen Vorlauf über die Musik inklusive.

Nun sind das natürlich Techniken, die avanciertes Radio (räusper) schon in den 80ern angewendet hat - und womöglich wird das auch im einen oder anderen versunkenen Labor österreichischen Jugendfernsehens schon so oder ähnlich durchgespielt worden sein.
Bloß: jetzt wird es eben schön langsam Zeit für eine Adaption. Und Bauerfeind (bei allen Kritikpunkten, die da offenbleiben) geht die an, offensiv.

Bauerfeind bei Oasis

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Unterbrecher-Inhalt

Die Unterbrechung des Beitrags, um womöglich sich selber zu hinterfragen, entspringt einem elementarem Bedürfnis der so oft notwendigen Relativierung. Das Einsprengseln von Snippets zur Erleuchtung und Erläuterung ganz ohne Seriositätszwang ist eine ungeheure Erleichterung.

Und dabei rede ich nur aus der Macher-Position. Was in einer content-orientiert interessierten Community da noch alles möglich ist - daran sollte man nur mit großer Lust denken.

Worum es derzeit (bei diesem Beispiel und auch in vielen anderen Bereichen) noch zu sehr geht ist die Imitation von herkömmlichen Formaten. So muß also die lässige neue TV-Sendung aussehen wie eine PC-Bildschirm-Oberfläche, um damit sowas wie Zeitgemäßheit zu signalisieren. Das ist, denke ich, gar nicht nötig. Das dient nur dazu, via Gewohnheit einfache Muster abzurufen und sich so leichter Zugang zu verschaffen. Auch okay.

nochmal: Frau Bauerfeind.

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Wer nichts erzeugt, kann nichts versenden.

Dass dabei die Gefahr besteht, dass echter Inhalt (Neosprech: Content) zu kurz kommt: klar. Nochmal den Ö1-Chef zitieren: Wer nichts erzeugt, kann nichts versenden. Und das Gallagher-Interview bewegte sich grade noch knapp am Rande dieses Nichts, weil es so begeistert war über die Möglichkeiten der Stop&Go-Technik und der Spielerei mit der Musikzuspielerei.

Trotzdem, oder gerade deswegen: kleine öffentliche Labor-Versuche wie die Bauerfeind-Sendung sind allemal um Eckhäuser wichtiger als jedwede brave Service-Auflistung und selbstverständlich ums X-fache wertvoller als das bieder-meinungslose Gefälligkeits-Gedüse, das aus den verunsicherten Mainstream-Medien dröhnt.

So, und jetzt wieder zurück zum Radio.
Ist ja auch viel interessanter.