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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

8. 3. 2009 - 23:21

Fußball-Journal '09-15.

Wie eine absurde politische Konstellation den Fußball-Verein Austria Kärnten retten wird.

Sportlich war am Wochenende wenig los.
Die zweite Spielklasse, die 1. Liga ging wieder los - das war bereits hier ausführlich Thema.

Bei den vier Bundesliga-Matches waren nur die zwei Besuche von Neo-Teamchef Didi Constantini interessant: der sah zwar kaum etwas von den Spielen, soviel musste getratscht, geschulterklopft, gesmalltalkt, ge-vip-clubt werden, aber diese schlichte Anwesenheit macht diese schlichte Szene (und die schlichte Presse, die dann schlichte Winkewinke-Bilder veröffentlichen kann) schlicht glücklich.

Also bleibt genug Zeit sich mit der politischen Posse in Klagenfurt zu beschäftigen.

LH Dörfler und Mario Canori hieven Frenk Schinkels in die Höhe

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Er werde sich nicht in kärntnerische Angelegenheiten einmischen, tönte Heinz-Christian Strache im Namen der FPÖ dieser Tage.
Eine wilde Kehrtwendung.
Denn, knapp vor Weihnachten war das noch ganz anders: da präsentierte der Chef aus Wien den recht verblüfften Kärntner Parteifreunden ihren Spitzenkandidaten, den Minuten vorher aus dem BZÖ schnellausgetretenen Mario Canori. Dieses Manöver war eine bewusst gesetzte kleine Gemeinheit: jemanden aus dem inneren Haider-Kreis umzudrehen und direkt gegen die Haider-Nachfolger in den Wahlkampf zu schicken, das hat was.

Dass Canori damit die Zukunft des ihm von Jörg Haider anvertrauten Prestige- und Renommier-Projekts Austria Kärnten, also der eventtechnisch effektiven Weiterführung des Euro-Projekts, aufs Spiel setzte, war nicht nur dem Wiener Strache, sondern auch dem ehemaligen Klagenfurter Vize-Bürgermeister von Haiders Gnaden erstaunlich wurscht.

Denn klarerweise würde ein vom FP-Spitzenkandidaten geführter Verein in einem vom Erzfeind BZÖ regierten Land leiden müssen.

Es kam dann auch knüppeldick: die Austria wurde zu einer Zahlung von 1,1 Millionen verdonnert, weil sie den Vorgänger-Verein FC Kärnten (auch so eine im politischen Regen stehengelassene Kreatur der Marketing-Abteilung Haiders) ökonomisch ausgesaugt hatte. Diese Maßnahme, die mit künstlicher Entrüstung aufgenommen wurde, war ebenso zu erwarten wie die andere Million Miese, die ebenso und ebensowenig plötzlich oder zufällig auftauchte: die anfallenden Stadion-Kosten.

Canoris Schwenk

In dieser Situation tauchte Wahlkämpfer Canori völlig ab, überließ den Wickel seinem Vize Karlheinz Petritz (Haiders ehemaligem Pressesprecher). Dem wiederum versprach, öffentlichkeitswirksam LH Dörfler, dass man sich heftig einsetzen werde - eine Aktion unter BZÖlern, die dementsprechend in Wahlkampf-Kleingeld umgemünzt wurde. Wenig konkret waren An- und Zusagen der anderen politischen Kräfte: SP-Chef Rohr hielt sich bedeckt, VP-Chef Martinz, das erwartete Zünglein an der Waage, taktierte hin und her.

In dieser Phase riss sich der "unpolitische" Coach&Sportdirektor Frenk Schinkels diverse Haxen aus, um mit allen Playern provisorische Zusagen zu erzielen.

Viel erreichte der kleine Holländer nicht - man wollte die Wahlen abwarten. Und die zeitigten ja überraschende Resultate, in mehrfacher Hinsicht; und alle haben Einfluss auf das Schicksal der Austria.

Dann: die Wahlen

Zum einen wurde die brustschwache FPÖ in Kärnten komplett demoliert, auf ein Niveau weit unter den Grünen marginalisiert.
Zum anderen wurde die SPÖ auf die Reservebank geschickt - sie spielt unerwartet gar keine Rolle im aktuellen Machtgeplänkel.
Zum dritten wurde die Rolle der ÖVP als wirkungsmächtiges Zünglein an der Waage minimalisiert - dort, wo Martinz und Co größer mitreden wollten, sind sie jetzt geduldeter Gast.
Denn, viertens, der Landesvater mit den guten Witzen, Gerhard Dörfler, war der große Gewinner. Nicht nur der Wahl, sondern auch BZÖ-intern - die Scheuch-Brüder, die bei einem Sinken unter 40% die Spitze übernommen hätten, ziehen sich schmollend zurück. Die waren übrigens nicht sehr interessiert am Fortbestand der Austria, Dörflers Bekenntnisse vor der Wahl zum Trotz.

Und noch ein fünftes Ergebnis dieser Wahl ist für den Retorten-Verein (Selbstbeschreibungs-Zitat Schinkels) Austria Kärnten von Bedeutung: die zeitgleichen Kommunalwahlen kürten nämlich auch einen wichtigen Bürgermeister, den von Klagenfurt. Und da setzte es für den haushohen Favorit, Harald Scheucher (ÖVP) ein Debakel; er kam nicht einmal in die finale Stichwahl. Die Stadt ist momentan führerlos, ein politisches Vakuum.

Nachtrag-Detail am Rande: in der Pause des erwähnten Mittwoch-Spiels konnte sich der Platzsprecher nicht zurückhalten und bewarb den BZÖ-Kandiaten für die Stichwahl zum Klagenfurter Bürgermeister-Amt. Das ist laut Liga-Regulativ natürlich verboten. Am Montag wurde Gerd Miesenböck von der Bundesliga zu 500 Euro Strafzahlung verurteilt.
Der Platzsprecher ist auch aus anderen Gründen auffällig. Er wurde von der Liga bereits einmal verwarnt, als er sich nicht entblödete während eines Spiels (und das ist klar verboten) lauthals Kampflieder (Ole, oleoleole, Super-Kärnten etc) anstimmte. Außerdem ist Miesenböck Vater des talentierten Nachwuchsspielers Marco Miesenböck. Und: aktueller und künftiger BZÖ-Gemeindesrats-Mandatar.
Also alles fest in einer Hand; und alles in sich logisch, wenn man einen Fußball-Verein als Außenstelle einer politischen Partei betrachtet.
Weder Bundesliga noch Austria Kärnten denken natürlich an eine Sperre.

Die Karten sind also komplett neu gemischt

Die FPÖ mault etwas von CDU/CSU-Lösung, das BZÖ lacht höhnisch drüber, Strache zieht das Angebot zurück (wieder einmal endgültig, so wie alles, was die Klüngelei der Rechtspopulisten in Österreich betrifft, ja immer extrem "endgültig" war) und Mario Canori (wie schon zu Beginn erwähnt) steht innerparteilich im Regen.

Und es ist nicht er, der Präsident, der beim Heimspiel am Mittwoch ins Stadion einmarschiert wie Ben Hur in die Rennarena, sondern Gerhard Dörfler, der Landeshauptmann.

Der kann zwar nicht freihändig über die Stadion-Kosten bestimmen oder das 1,1 Millionen-Urteil ignorieren oder mit Hilfe seiner Kontakte (samt Bankgarantien via Hypo Alpe Adria) wegdrücken, wie das der alte Landeshauptmann der Herzen vermochte - aber er ist auf dem Höhepunkt seiner Macht ein Volkstribun, dem man besser nicht widerspricht.
Für die Strafe wird im Notfall das Land aufkommen, und für die Stadion-Kosten wird sich eine Lösung finden, wenn alle Kräfte, vor allem auch die Stadt Klagenfurt, mitspielen, meinte Dörfler am Rande des Mittwoch-Spiels gegen Salzburg. Sein Comittment stehe.
Wenn sich sein Kandidat (Christian Scheider) durchsetzt, sowieso - und auch Gegenkandidatin Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ) hat sich entsprechend geäußert.

Also:

die völlig umgekrempelten politischen Machtverhältnisse fegen wie ein Wirbelsturm über die Austria Kärnten hinweg und retten sie, die über den Jahreswechsel bereits so gut wie erledigt war. Per Zufall. Wie in einem Coen-Brüder-Film oder aktuell beim Knochenmann fallen die Handlungslinien so absurd zusammen, dass sich alles genau so dreht, damit sich's ausgeht. Das ist absurd, aber auch schön.

Mario Canori knurrt noch ein paar Kommentare "Man muss uns entlasten! Wir wollen gratis spielen können wie der KAC! Ich habe alle Lizenzunterlagen beisammen!" - die Debatte steuert aber der neue Chef: Gerhard Dörfler. Und er zeigt, was er in den Jahren hinter Haider gelernt hat.
Einem Verein, den es gar nicht mehr gibt, kann man doch gar kein Geld zusprechen, sagt er. Und Nachwahlgeplänkel würde es auch keine geben, Canori würde von ihm keine Ratschläge erhalten.

Das gefällt Trainer Schinkels ("Ich bin unpolitisch, ich kann mit jedem!") gut, weil es den Fortbestand sichert. Der Bundesliga-Sprecher ist sich auch sicher, dass es klappt mit der Lizenz - also, alles wunderbar in Klagenfurt?

Irgendwie schon.

Der/die neue BürgermeisterIn von Celovec wird sich mit der Sicherung des Vereins brüsten - anstatt das als politischen Faustpfand zu verwenden, wie das VP-Taktik war.
Der neue, alte, extrem gestärkte Landeshauptmann wird sich von den Einflüsterern, die an Fußball keine rechte Lust hatten, nimmer reinreden lassen, und präsentiert sich via Fußball als angreifbarer Landesvater.
Die zutiefst gedemütigte FP tut (wie immer) so als wär nix passiert, Canori sucht schon wieder die Nähe derer, die er Ende Dezember dolchstoßend verlassen hatte. Eine Wiederaufnahme in den Schoß der Familie wäre auch kein wirkliches Wunder - wer weiß schon genau, welche Grenzgänger jetzt wirklich der einen oder der anderen Fraktion angehören? Ein Glück, denn als Landtags-Mandatar einer 7%-FPÖ wäre er wüsten Bandagen der Ex-Kollegen ausgesetzt gewesen - so ist er ein potentieller verlorener Sohn.

Canoris Optionen: entweder dezenter Rücktritt nach Lizenzerteilung (die man ihn als seinen Erfolg verkaufen lassen wird) um den Weg für Petritz oder einen echten Dörfler-Mann freizumachen, oder er kriecht gleich zu Kreuze und fabriziert den zweiten schnellaustritt innerhalb weniger Monate.

Und SP/VP, die vor der Wahl meinten in diesem Kasperltheater auch mitmischen zu können, dürfen jetzt die billigen Plätze einnehmen, von denen aus man nicht mehr sooo gut auf die Bühne sieht.

Das ist sehr Kärnten.

Und es öffnet eine neue Front, was die Bundesliga und die Abstiegsfrage betrifft. Sollte es nämlich jetzt, nach all den mündlichen Zusicherungen doch noch zu Troubles bei der Lizenzerteilung für den retorten-Club kommen, dann ist der Schuldige jetzt schon ausgemacht: Martin Pucher, Bundesliga-Präsident und gleichzeitig Vereinspräsident des stark abstiegsgefährderten SV Mattersburg. Dem werden die Verschwörungspraktiker im Fall der Fälle ordentlich einheizen.
Und auch das passt ins Gesamtbild: die völlig inakzeptable Unvereinbarkeit der Pucher-Position ist seit Jahren Thema - mit einem Worst Case wie dem, der jetzt womöglich ansteht - wurde aber ebenso seit Jahren weggelabert.

Weil nämlich ganz Österreich bereits ganz schön Kärnten ist.