Erstellt am: 7. 3. 2009 - 20:27 Uhr
Wiener Blut und Wiener Wurst
Die Wurstsalonparties stellen einen im Normalfall vor zwei Herausforderungen. Erstens: du weißt vorher nicht so ganz, wo sie stattfinden werden, weil das immer erst am Abend vorher rauskommt. Zweitens: du erinnerst dich am Abend danach nicht mehr so recht daran. Das wirft die berechtigte Frage auf, ob es sie überhaupt gibt.
Analog zur dummen, aber leider weit verbreiteten Bielefeldverschwörung, könnten alle Partybilder gefälscht und alle Blogeinträge erlogen sein. Folglich glaubt mir sowieso keiner, wenn ich über Fakten und so berichte. Nur so viel: Der Wurstsalon hat mit den Night Of The Raging Bulls-Promotern gemeinsame Sache gemacht. Vorher Laienboxen, nachher Wurstparty. Das schöne an Parties wie dieser: Der wertvolle Erkenntnisgewinn auf dem Weg in eine höhere Bewusstseinsstufe:
Cornelia Hasil
1. Ich sollte mal auf eine türkische Hochzeit gehen.
Weil die Location, der Salon Kral, ist einfach ein Traum. Die Parties, die dort üblicherweise stattfinden, stell' ich mir ungefähr so vor: Dort, wo der Boxring steht, ist dann ein acht Meter hoher Spieß aufgestellt. Kinder mit Schnauzbärten sägen mit der Kettensäge Riesendönerstücke fürs Publikum ab. Dort drüben, wo die Vorarlberger Rockabillyband Surfaholics ihren Auftritt hat, bahnen sich für gewöhnlich gut gelaunte Sazspieler ihren Weg durch einen Haufen mit Schleiern fuchtelnder Bauchtänzerinnen. Und da, wo die Tanzfläche ist und die Leute zu Electro, Techno und Minimal von Autotune aus Berlin abgehen, also rund um den Ring herum, herrscht sonst große Hektik, weil alle Gäste rechtzeitig den schweren Goldschmuck ans Brautpaar loswerden wollen. Oder so.
2. Ich sollte mir merken, welches Jahr wir gerade haben.
Da kommt man ja auch ganz schön durcheinander. Wir sind in Zeiten einer weltweiten Wirtschaftskrise, der Boxsport scheint zu boomen und die Welt steht vor dem Untergang. Nein, wir sind nicht in den Dreißigern, klärt der nette Herr an der Bar (oder halt Theke oder Budel oder so, in Wahrheit eigentlich ein Heurigentisch) auf, denn hier werde durchaus Alkohol ausgeschenkt, und das sogar legal! Die Gamaschen hab ich trotzdem anbehalten.
3. Super, dass meine Eltern daheim immer Oper gehört haben.
Das hilft, um mit dem Herrn mit dem silbergrauen Scheitel ins Gespräch zu kommen. Der Mann mit der Vorliebe für bildhafte Sprache, Wimpernschläge von Libellen und das Werk von Richard Wagner heißt Sigi Bergmann, ist überall zur Stelle, wo es auch nur im Entferntesten nach Boxen riecht, und kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Dass die Kämpfer bei der Night Of The Raging Bulls alles blutige Amateure sind, die vom echten Boxsport keinen Tau haben, ist ihm egal. Und die Wurstsalon-DJs findet er super. "Die Musik! Diese Emotion!" philosophiert er, "das ist wie in der Aida der Triumphmarsch. Da sind so viele junge Leute im Publikum, das gehört dazu!"
4. Bei der nächsten Party daheim ist die Tanzfläche im Badezimmer.
Dass es seltsam ist, wenn die Tanzfläche mit glatten Badezimmerfliesen ausgelegt ist, habe ich nur ganz kurz geglaubt. Sobald die ersten Getränke einmal darauf verschüttet sind, geht der Spaß so richtig los. Je höher der Absatz, desto höher die Flugkurve, und wer nicht mit mindestens drei blauen Flecken nach hause geht, hat sowieso schon verloren. Das schreit ja fast nach einem eigenen Tanzcontest demnächst.
Cornelia Hasil
5. Der Wurstsalon hat ein Abo auf der West im Hanappi.
Spekuliert hab ich ja schon länger. Dass der Wurstsalon damals im Paschaclub mit dem Rapid Ultras Video Werbung gemacht hat, war der erste Hinweis. Wenn jetzt aber bei der Night Of The Raging Bulls der Schlachthaus Seppi in Favoriten (!) mit stilechtem Rapid-Westtribüne-Anhang auftaucht, dann ist das schon mehr als nur ein Wink mit der Cornerfahne. Hier! Regiert! Der Wurst! Sa! Lon!
6. Die Leute tun recht häufig, was man ihnen sagt.
Dresscode: halbseidene Gaderobe, auf den Punkt gebracht in einer eigenen Style Bible. Der Wurstsalon erzieht sein Publikum vorbildlich und wird wohl trotzdem nicht in die Kommission für eine Bildungsreform in Österreich kommen. Schade zwar, aber insofern egal, weil Schuluniformen ja eh weit von großkoalitionärem Konsens entfernt sind. Aber was wäre ein Hinterhofkampf ohne Typen im Ruderleiberl und überdimensioniertem Blingbling? Was wäre Prohibition ohne den fiesen Mafiaschnauzer? Was wäre eine Boxgala ohne den Damen mit den Perlenohrringen? Was wäre ein sportwettenfreundlicher Wettkampf ohne die Zuhältertypen in weißen oder flamigofarbenen Sakkos und getönten Brillen? Eben.
7. Diskutieren ist lustig.
Oder was wäre eine Boxkampf ohne Rundengirl? Das haben sich auch die Raging Bulls gefragt und das Vice Magazine hat zum Casting aufgerufen. Die dazu passende Diskussion kommt natürlich nicht ohne die Worte "Boxenluder", "grindige Behinderte", "Neandertaler" und "haarige Titten" aus und beweist, dass Presse- und Meinungsfreiheit absolut schützenswerte Güter sind.
8. Abkürzungen sind auch irgendwie super.
NOTRB für Night Of The Raging Bulls hat mich die letzten Tage immer wieder schockiert, weil da das Wort "Not" drinsteckt. Aber auch "no". Und "RB" steht in meinem Hirn auch für einen Energy Drink. Tendenziell sind mir Akronyme aber wichtig. Top Of The Pops bei mir aktuell: GV für Geschlechtsverkehr.
Fotos: Cornelia Hasil
Cornelia Hasil