Erstellt am: 7. 3. 2009 - 17:20 Uhr
Schlafende Hunde
Der Vater interessiert sich mehr für sein Bier, als für seine Familie. Die Mutter erträgt ihr Schicksal - wie auch schon ihre Mutter- schweigend. Auch Besuche der nervigen Verwandtschaft erträgt sie mit einem Lächeln. Die Schwester kränkelt permanent und entzieht sich damit völlig. Und die Ich-Erzählerin flüchtet sich in ihre Bilder. Sie malt lieber als zu reden.
Wir haben immer geschwiegen. Das Schweigen war stark. Es war wie der Teppich, auf dem ich meine ersten Schritte tat. Ich glaube nicht, dass einer von uns das Schweigen bemerkte, sich bewusst war, dass uns die Worte fehlten, wofür auch immer. Da wir alle schwiegen, fiel es keinem auf, dass mit einem Mal auch die Fragen verschwanden. Vielleicht waren wir eine ganz normale Familie.
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Beim Begräbnis der Oma trifft man sich wieder, weiß nicht recht, wie man sich verhalten soll. Zwar sind alle anwesend. Aber wirklich da ist niemand. Die Ich-Erzählerin beginnt, sich in ihre Vergangenheit vorzutasten, um das Geflecht zu entwirren.
Die in Berlin lebende Autorin Susanne Schirdewahn lässt sie in die Kindheit zurück. Wo sie anfing, in Bildern zu denken, und sich zu artikulieren.Totenköpfe und Piratenszenen malt sie am liebsten.
Onkel & Onkel
Die Autorin spannt den Bogen über die Probleme der Kindheit hin zum Erwachsenwerden. Sie erzählt von der ersten großen Verliebtheit ihrer Protagonistin in Cousin Andreas und den Schwierigkeiten der Familienmitglieder, miteinander respektvoll umzugehen.
Die Dinge richtig einzuordnen, ohne Worte, lernt die Protagonistin nur langsam. Sie erinnert sich in Bildern.
Es ist eine gewagte Behauptung, dass sie sich nur in Bildern erinnert, und nie eine Sprache gefunden hat. Interessanterweise habe ich dann mit vielen Leuten über ihre Familie gesprochen, und es hat sich gezeigt, dass "man" sich auch in Bildern erinnert, die oft auch plötzlich aus dem Nichts einfach da sind.
Susanne Schirdewahn, geb.1970, schreibt schon lange. "Schlafende Hunde" ist der Debütroman der gelernten Regisseurin und Malerin. Daher auch die Affinität zu einer Protagonistin, die über Farben und Bilder zu ihrer Realität kommt. Autobiographische Züge habe der Roman aber keine. Außer, dass auch sie als Kind einen Hang zu Piraten und Totenköpfen gehabt hätte.
Die Stille hinter der Fassade einer fast ganz normalen Familie in Worte zu fassen, den richtigen Ton zu finden, war Schirdewahn ein Anliegen. In knappen Sätzen dringt sie ohne große Umschweife zum Thema vor und nimmt sich Zeit, genau hinzusehen.
Still, unaufgeregt und sehr nüchtern bringt die Autorin ein Familienkonstrukt zu Fall - ohne alle Fragen zu beantworten.
Ein feinfühliger und geradliniger Debütroman einer Malerin und Regisseurin, der durch seine bildhafte Sprache und alltäglichen Besonderheiten besticht.
"Schlafende Hunde" von Susanne Schirdewahn ist im Onkel&Onkel Verlag erschienen.