Erstellt am: 6. 3. 2009 - 19:03 Uhr
Journal '09: 6.3.
Ein paar Worte über Robert Misik, Österreichs besten Blogger, anlässlich seines Preises zur Kulturpublizistik. Franz Schuh und Anja Plaschg kommen auch vor.
Es war vor bereits einigen Tagen, als sein neues Buch Politik der Paranoia. Gegen die neuen Konservativen vorgestellt und diskutiert wurde. Dort argumentiert Misik, der Nachdenker mit dem doppelt gewobenen Ansatz, der Zuspitzer mit der Milde des ironischen Lächelns, die Ideologien von Neo-Liberalismus und Neo-Konservativismus (der Unterschied zwischen den beiden Handlungsrichtungen, den einige Befangene als weit empfinden, ist nämlich letztlich nur ein gradueller, man sollte diese outrierenden Wichtigtuer ebensowenig ernstnehmen wie die K-Gruppen-Clowns, die sich in Minimalismen unterscheiden und darob Leute umbringen) in Grund und Boden.
blumenau
Und zwar schon weit bevor das wirklich jedem mit dem Wind pissenden Patzer leicht fiel, also vor der Börsen/Finanz- bzw. Wirtschafts-Krise des letzten Herbsts.
Die hat Misik in the making of this book erwischt, aber inhaltlich nicht behelligt - weil er es gewohnt ist, gegen den Wind zu spucken und gleichzeitig auszuweichen.
Das Buch
In jedem Fall kam bei dieser Diskussionsveranstaltung die Frage auf, was nach dem historischen Platzen des Neo-Lib/Neo-Con-Blase (was ihre ideologische Verkleidung betrifft, ihre simple Praxis wird womöglich ewig bestehen) an neuen Denk-Wegen möglich wäre. Und ein junger, sichtlich sozialdemokratisch bewegter Aktivist fragte den am Podium schaukelnden Robert Misik, wie denn dieser neue, dritte Weg, womöglich eine Art Neo-Sozialismus, in jedem Fall aber würde es wohl ein großer Wurf sein müssen, denn aussehen müsste. Da musste der eh schon dauergutaufgelegte Misik dann schon deutlicher in sich hineingrinsen.
Als ob es tatsächlich jemals so sein könnte, dass ein einzelner, noch dazu einer, der sich umfassend und analytisch Gedanken macht und die auch auszuformulieren und vorzubringen versteht (denn Gedanken machen sich viele, sie zu kommunzieren schaffen nur die wenigeren), eigenhändig eine Bewegung erfinden könnte.
blumenau
Es ist schon schwer genug akut Passierendes auf Gemeinsamkeiten abzuklopfen und diese dann eventuell richtig zueinanderzustellen - die Quasi-Forderung nach Führerschaft, was eine neue Menschheits-Philosophie betrifft, ist entsprechend hirnig.
Diese Zuschreibung war jedenfalls herzig und amüsierte Misik.
Die Debatte
Wohl auch, weil sie das freundliche Gesicht des unüberlegten Dauer-Vorwurfs ist, mit dem sich Menschen wie Robert Misik sonst immer konfrontiert sehen: dass er und seinesgleich nämlich was Handfestes anpacken sollten anstatt sich immer kritisch mit bereits Bestehendem auseinanderzusetzen.
Zumal dieser Vorwurf indirekt gerne besagt, dass man erst dann (und auch noch nur bei Funktionieren der These) den Äußerer als ernst und würdig in Betracht ziehen würde.
Das ist die mit großem, aber banalem Gestus ausgeführte aktive Selbstverstümmelung derer, die den Status Quo nicht angetastet sehen wollen, weil sie sich mit ihm (vor allem mit einer gesicherten Ordnung, die er ihnen suggeriert) identifizieren. Nichts erregt die Zufriedenen mehr als das Ankratzen des Gewohnten. Und niemand erregt sie in diesem Segment mehr als der in sich ruhende und ebenfalls zufrieden Wirkende. Wie Robert Misik.
blumenau
Natürlich kann Misik hitzköpfig argumentieren. Und zurecht kann er als freier Publizist die Prekarisierung eines (seines) Standes ansprechen. Trotzdem wird man bei ihm nie das Gefühl haben, dass es sowas eine Verbissenheit oder Verbohrtheit seines Denkens und Handels gibt. Dazu lächelt er zuviel, der Misik.
Der Preis
Tage später, genauer am Dienstag, als er den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik verliehen bekam, gab es keine Zuschreibungen dieser Art, auch weil Laudator Franz Schuh das letzte Misik-Buch noch nicht gelesen hatte. Das enthebt mich einer gewissen Bürde - ich denk mir seit Wochen ich könnte erst dann was über Misik äußern, wenn ich sein letztes Ding endlich gelesen hätte - aber so...
Schuh jedenfalls sprach von Kritik, Hyper-Kritik und Kirtikunfähigkeit, österreichischem Elend also, und war damit in seinem Element. Einmal brach er es, nämlich als er Misiks Video-Blog erwähnte. Ich wette Franz Schuh ist erst mit FSMisik mit der neuen Technologie der bewegten Bilder auf einem Computer-Bildschirm in Berührung gekommen - darin unterscheiden sich der Philosoph und der neue Teamchef wohl kaum. In der Wirkungs-Beurteilung ist Schuh dem Modernitätsverächter Constantini dann aber gleich wieder um Eckhäuser voraus. Dass diese Art der Kommunikation mit einem Rezipienten, der überall sein kann und von jedem Ort Zugriff haben möchte, Bedeutung hat, lockt Schuh dann ein zugeständiges Wort wie "vielfältig" heraus.
blumenau
Und das ist mehr als von anderen digitalen Analphabeten zu erwarten ist. Die klammern sich meist an ihresgleichen, an müde Verweigerer der Zwischengeneration der 35-50jährigen, und deren verschrobene Äußerungen über eine analoge Welt, die letztlich nur noch in ihren Köpfen existiert.
Das Beispiel
Deshalb haben es Überdenrand-Seher wie Robert Misik an sich schwer. Auch weil da alte Patzer kommen und am neuen Zugang herummäkeln, vielleicht sogar die Tonunschärfe und die verwackelten Bilder des Videoblog bejammern, anstatt sich dem Reiz der in diesem Kontext so ungewohnten Wortreize auseinanderzusetzen.
Franz Schuh hats kapiert, auch wenn er sicher keine Ahnung hat, wie er denn Anja Plaschg einordnen soll.
Robert Misik hat Anja Plaschg alias Soap &Skin nicht nur kapiert, er kann seine von der hiesigen Mentalitätsgeschichte, dem Pop-Gestus, den Publikums-Zuschreibungen ausgehenden Gedanken so zuordnen, dass alle was davon haben.
Die Auskenner, die Hype-Raunzer, die Spex-Redakteure, die Falter/Gap-Cover-Gaffer, alle Bescheidwisser und eben auch Franz Schuh.