Erstellt am: 5. 3. 2009 - 16:37 Uhr
Fußball-Journal '09-14.
Bei der Präsentations-Pressekonferenz im Hotel Intercontinental heute vormittag erklärt sich Neo-Teamchef Dietmar Constantini recht deutlich.
Grob gesagt, gibt es weltweit zwei Teamchef-Schulen.
Entweder: der Fachmann mit gutem Team, der neben solider Arbeit auch die Strukturen den modernen Gegebenheiten anpasst, also nachhaltig wirkt.
Oder: der Motivator, der mediale Vorzeige-Strahlemann.
Je nachdem wie bananenrepublikmäßig eine Gesellschaft und in der Folge der jeweilige Landesverband funktioniert, desto "Oder", desto mehr wird die Oberfläche poliert. Je williger man ist, sich ernsthaft an die Spitze anzunähern, desto Russland.

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Taktik hat bei mir Übergewicht
Dietmar Constantini hat bei der heutigen Präsentations-PK einen bedrohlichen Satz gesagt. Für Technik und Fitness der Teamspieler wäre er als Teamchef nicht verantwortlich, das müsse anderswoher kommen. Er wäre zuständig für diverse Teambuilding-Maßnahmen und die gesamte Motivation, Stichwort "das Team zu einer Einheit formen", sowie für die Taktik - denn "die Taktik hat bei mir Übergewicht".
Das klingt schlüssig und logisch, ist aber nahe an der Selbstaufgabe. So schafft es etwa das bundesdeutsche Trainerteam seit Jahren aus einem vorsichtig gesagt eher durchschnittlichem Spielermaterial mit zusätzlichen, speziell zugeschnittenen Technik/Fitness-Einheiten eine Mannschaft zu formen, die mit diesbezüglich mit viel mehr Talent gesegneten Nationen mithalten kann.
Constantini beschränkt sich also freiwillig auf das Banalste, die Motivation, die er ein paar Sätze später erst recht wieder als "eigentlich selbstverständlich" wegquatscht, und aufs Entfernteste, die Taktik, die hierzulande kein Coach mehr zeitgemäß beherrscht.
Constantini eiert dann in Punkto Konditionstrainer (Roger Spry) derart herum, dass es weh tut. Der wäre schon ein guter Mann, aber ob man sowas abseits eines Turniers brauchen würde, er wisse es nicht. Vielleicht sei er da "zu patriotisch", sagt er, ohne die Unsinnigkeit dieser Aussage zu erkennen - patriotisch ist der, der das beste für sein Land will, nicht der, der seinen Landsleuten (Wolfgang Leitenstorfer) Posten zuschanzt; der ist nur ein Lokalchauvinist.
Nur einmal blitzt sowas wie Problembewusstsein in Kombination mit einer leisen Lösungs-Idee auf. Wenn Constantini öfters von der "Belastbarkeit" spricht, die den jungen Herren Teamspielern, die von der Öffentlichkeit in dieses Wechselbad der Katastrophen nach Niederlagen und Lobhudelung nach Erfolgen behängt werden, vielleicht individueller zugeführt werden muss.
Die Playstation-Generation

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Ein anderes Mal hat Constantini das Problem fest im Blick, weiß aber über die aktuelle Umgebung des Fußballs anno 2010 so wenig Bescheid, dass er die Lösungen in der Vergangenheit sucht anstatt sich einmal mit der Gegenwart auseinanderzusetzen (womit man nie gut beraten ist).
Der Feuerwehrmann weiß, woran es mangelt im österreichischen Spiel: an der Kreativität.
Gleichzeitig bejammert er (wie auch die unerträgliche "Wirhamjonixghobt!"-Generation vor ihm) die digitale Affinität der jungen Spieler, der "Playstation-Generation". Auf die Idee, die im digitalen Alltag der jungen Spieler dauerexistente Freisetzung von kreativem Unfug zu nutzen, will der so pfiffig-modisch aussehende, aber dann doch luistrenkermäßig daherredende Constantini wieder die alten Werte (Zweier-Zimmer, Kartendippeln, Dummschwätzen) herbeiholen.
Dass er sich damit bei den Jungen lächerlich macht, und sie nicht dort abholt wo sie sind (und sich sicher besser schlagen als er und seine Generation), wird ihm ebenso auf den Kopf fallen, wie seinen genauso technologiefeindlichen Vorgängern, und die ebenso fortbildungsresistenten Post-Cordoba-Seilschaft, die dieser Tage das Ruder übernommen hat, auf demselben niederen Niveau weitergrundeln lassen.
Dass etwa Ben Foster, der junge ManU-Tormann im Ligacupfinale die Elfer hält, weil er sich aufm IPod schnell anschaut, wie die Gegner schießen - das dürft es unter Constantini, dem Streiter gegen das neue Zeitalter, nicht geben.
Constantini will den neumodischen Kram nicht, er lehnt auch die Beschäftigung mit internen Hierarchien ab, einfach nur weil ihm der Begriff zu "gscheit" klingt. Damit ist er von Andi Ogris, der aus Prinzip alle Maturanten aus seinen Mannschaften wirft, nicht so weit entfernt.
Andererseits: Constantini ist, als Meister der plapprigen Abschweifung, so sehr imstande innerhalb der nächsten Sätze eh wieder das Gegenteil zu behaupten, dass sich viele dieser Prinzipien dann wohl als inexistent herausstellen. Dass er, der gewitzt und direkt formulierende Tiroler, gut ankommt, darf nicht über den teilweise hochgradige Aussagelosigkeit seiner Sätze nicht hinwegtäuschen.
Manchmal blitzen Wahrheiten auf. Wenn Constantini davon spricht, das Gegentor als Teil des Spiels anzunehmen anstatt (wie das Nationalteam seit Jahrzehnten) als böses Gottesurteil persönlich zu nehmen und dran zu zerbrechen, dann seh ich ihn (den neuen Teamchef) durchaus als den Knoten durchschlagenden Mentalisten vor mir.
Und wenn er sich/uns fragt, ob ein Mittelfeld-Spieler in der heimischen Liga wirklich mehr gefordert wird als ein Legionär, der vielleicht nur selten auflaufen darf, dann muss man ihm dafür durchaus zunicken.

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Die vorgefertigte Ausrede mit der Pechmarie
Ganz schlimm sind hingegen die Ansagen von Constantini und Präsident Windtner zum Aufstieg des U21-Vergeigers Manfred Zsak: es wäre "Pech" gewesen, zehn Minuten hätten gefehlt - das ist die offizielle Lesart, die das doppelte taktische Coaching-Versagen von Zsak beim wichtigsten Play-Off gegen Finnland rechtfertigen. Und das ist bereits die vorweggenommene Ausrede für alles. Wenn ein Brückner und ein Kocian sich nicht qualifizieren, dann verjagt man sie via Medien-Campagning. Wenn ein Zsak versagt, dann hat er Pech gehabt und wird befördert.
Dass vom zweiten Assi, Heinz Peischl (anderer Alt-Haberer von Constantini) offiziell nicht die Rede war, hat damit zu tun, dass sich der noch überlegen muss, ob er aus seinem Spaziergänger-Vertrag mit der Admira aussteigen will (er verlöre damit Geld). Ich finde, dass man sich, wenn sich jemand das überlegen muss (Nixtun&kassieren vs neuer Job), sich von selber disqualifiziert.
Am 18. März wird jedenfalls der Kader fürs Rumänien-Spiel am Krautacker in Klagenfurt bekanntgegeben. Danach gibts glücklicherweise ein zehntägiges Trainingslager, das dem neuen Trainer-Team die Chance gibt sich reinzuarbeiten. Etwas, was in der gesamten Ära Brückner in diesem Umfang nicht möglich war. Aber da war wohl von Anbeginn an der Wurm des internen Widerstands drin. Weil man die Methode "Entweder" im ÖFB einfach aus Prinzip ablehnt.
Fürs "Oder" mag Constantini noch das geringste Übel, the acceptable face sein. Sich allerdings in Fatalismus zurückzuziehen, das kanns doch nicht sein - oder sind wir alle schon ein bißchen ÖFB?