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Felix Knoke Berlin

Verwirrungen zwischen Langeweile und Nerdstuff

6. 3. 2009 - 10:53

Mein Frieden mit Giga

Mit dem Internet- und Spielesender Giga verabschiedet sich, mit etwas Verspätung, der skurrile Versuch, die Internetevolution im Fernsehen voranzutreiben. Zeit, meinen Frieden mit Giga zu machen.

Mit was ich meinen Frieden machen will? Ich habe von August 2000 bis Dezember 2003 fast drei Jahre erst als Redakteur der Nachmittagssendung Giga (green), dann zwei Jahre als Themen- und Gästekoordinator Giga Games (orange) gearbeitet. Erst als unbezahlter, dann als bezahlter Praktikant. Dann, wie fast jeder, als unterbezahlter Volontär mit Zwei-Jahres-Vertrag für rund 750 Euro netto. Ich stieß zwei Jahre nach Sendungsstart zum Projekt, kurz bevor Giga Games launchte, kurz bevor die Lokalstudios eingerichtet und kurz bevor Giga Heartbeat eingestampft wurde. Kurz bevor also Giga den Kinderschuhen entstieg und versuchte, sich vom Konzept und Projekt hin zu einer irgendwie richtigen Sache hin zu bewegen.

"giga.de" - logo

giga.de

Giga hatte einen hohen Mitarbeiterdurchsatz, war ein Durchlauferhitzer für Leute, die versuchten, in den Medien Fuß zu fassen. Und dafür war Giga sicherlich auch in einer Hinsicht geeignet: Bei Giga musste man ins kalte Wasser springen, kaum Einlernzeit, sofort Jobs vor, neben, hinter der Kamera. Wahnsinniger Stress. Bürostart war 11 Uhr, um halb drei, eine halbe Stunde vor Sendungsstart mussten die Themen stehen, die Website gefüllt, die Ablaufpläne geschrieben und die On-air-Crew gebrieft sein. Wuselwusel, wie man sich vorstellen kann. Im Großraumbüro brannten die Telefone, die Rechner surrten, es schrie und quietschte und fluchte von allen Seiten und wenn der Brötchenmann vorbeischaute, war Sodom & Gomorrah.

Prekäres Leben, der Zukunft zugewandt

Mein Sozialleben in dieser Zeit war Büro, dann Party im Büro, dann vielleicht Party in der Düsseldorfer Altstadt, Bett, Ausschlafen, Aufstehen, Arbeiten und am Wochenende abstürzen. Schlimmer war das bei Giga Games: Tageslicht sah man da kaum mehr, meine Kollegen dort kamen um 15 Uhr ins Büro, arbeiteten bis 24 Uhr (weil Live-Sendung) und stürzten danach entweder ab oder in Onlinewelten. Natürlich war das geil und natürlich war das auch furchtbar. Es gab viel Streit, Intrigen, Nervenzusammenbrüche.

Aber: Da war halt auch immer das Gefühl, an einer tollen, der Zukunft zugewandten Sache mitzuarbeiten - auch wenn die konkrete Sendungs-Zukunft immer auf dem Spiel stand. Giga war ein rundum prekäres Projekt. Kurz gesagt haben da ein Haufen junger Leute mal eben einen Fernsehsender aufgebaut, ein damals ziemlich verrücktes Konzept umgesetzt und jahrelang am Laufen gehalten und vielleicht sogar ein wenig Fernsehgeschichte geschrieben: Mit einem Fernsehsender, der seine Zuschauer so ernst nimmt, dass er sie nicht nur als Zielgruppe sieht, sondern als Stütze der Sendung. Hab ich ja in einem anderen Text schon ein bisschen erklärt: Man mag ja über Giga denken, wie man will - aber mit Giga verschwindet eine Einzigartigkeit aus dem Fernsehprogramm. Nicht so sehr, dass es nun keine vergleichbaren Games-Sendungen mehr gibt, oder kein interaktives TV. Die eigentliche Tragweite ist das zukünftige Fehlen von etwas Nerd-Normalität im Fernsehprogramm - und damit der Öffentlichkeit.

DSL killed the Fernsehshow

Das Problem dabei ist natürlich: Mein damaliger Kommentar ist dreieinhalb Jahre alt, Giga hat sich überlebt. Das Konzept, Halbgötter auf Koks durch normale Jungs und Mädels von der Straße zu ersetzen, ist längst Normalität. Ehemaliger Nerd-Kram ist heute der Mainstream. Und vor allem: Was Giga damals versuchte, lang vor den meisten anderen, war nichts anderes als das, was heute - eher schon gestern - als "Web 2.0"-Konzept firmiert. War Giga früher die Quelle für Videospiel-Footage, eine Möglichkeit, nicht länger nur Zuschauer zu sein, im Rahmen einer Fernsehshow auf Augenhöhe etwas über die weite Nerd-Wunderwelt zu erfahren, geht das heute viel besser, schneller und kompetenter einfach via YouTube und Co.

Für sowohl großes Mainstream-Spielekino als auch abseitigen Gameskram gibt’s Foren, Spezialisten, Communities - all das, was es früher in so geballter Art halt nur bei Giga und auf Giga.de gab. Auch, weil damals noch lang nicht jeder einen Internetanschluss hatte, geschweige denn einen Breitbandzugang. Giga war also in Wirklichkeit ein Internetexperiment, das im Fernsehen aufgeführt wurde. Und das war das Problem: Heute braucht niemand mehr Fernsehen, um Internet zu simulieren. Der DSL-Anschluss brachte das Ende von Giga - und zwar nicht erst im März 2009.