Erstellt am: 4. 3. 2009 - 16:40 Uhr
Kopiermaschine
Für die Historikerin Elizabeth Eisentein ist die zunehmende Popularität des Filesharing eine natürliche Entwicklung, die sie mit dem Siegeszug des Buchdrucks vergleicht: "Zuerst war es eine Ökonomie des Raren. Und die Menschen waren hungrig nach Büchern."
Die Vervielfältigung von Information, die vorher nur sehr wenigen Menschen zugänglich war, wurde populärer – und prompt von den Herrschenden reguliert. Viele Menschen sahen den Buchdruck bald als Akt der Rebellion und Emanzipation. Eisenstein: " Die Buchdrucker wurden regelrecht gejagt, wenn sie verbotenen Text druckten. Wir denken oft an die Verfolgung von Autoren, doch es waren die Drucker, die leiden mussten."
Die Idee des Copyright ist auch die Idee des Rechts, zu drucken: Sie geht nicht nur auf den Schutz des geistigen Eigentums von Autoren und Verlegern zurück, sondern auch auf die inhaltliche Regulierung durch die Herrschenden.
Piraten
Selbst der Begriff der Piraterie wurde im Zusammenhang mit Büchern bereits im 18. Jahrhundert verwendet, erklärt der Historiker Bob Darnton:
"Die Piraten hatten Agenten in Paris und andere Städten, die ihnen interessante Texte aus ganz Europa schickten. Die von den Herrschern legitimierten Drucker reagierten extrem feindselig. Ich habe tausend Briefe gelesen, in denen sie von Freibeutern sprachen, von Menschen ohne Scham, ohne jegliche Moral und so weiter. Tatsächlich waren viele dieser Piraten Burgouise, die Bücher verkaufen wollten."
Kultur teilen
Abseits von Kontrollambitionen der Herrscher vergangener Jahrhunderte schützt das Copyright, oder in diesem Zusammenhang zutreffender Urheberrecht, nicht nur Machtpositionen und wirtschaftliche Interessen, sondern auch Ideale des Künstlers. Mit Gratiskopien meiner Musikstücke oder 3D-Designs im Internet kann ich gut leben - mit deren Veränderung durch andere nicht immer.
Trotzdem ist die Frage, die Medientheoretiker Felix Stadler stellt, legitim: "Warum teilen wir Kultur? Warum teilen wir Sprache? Weil wir einander imitieren. Neue Dinge werden erst erschaffen, weil wir einander kopieren."
Unweigerlich sehe ich einen Akai-Sampler vor dem geistigen Auge. HipHop, Drum’n’Bass und Dubstep ertönen in meinem Kopf. Gültigkeit hat das Prinzip Aus-Alt-Mach-Neu aber genauso in der Barockmusik, der Klassik und dem Jazz. Ohne den Bezug auf das, was vorher war, ist Kultur schwer vorstellbar.
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The Pirate Bay
In ihrem Schlussplädoyer zum heute endenden Prozess gegen die Betreiber von The Pirate Bay hat die Staatsanwaltschaft Haftstrafen von je einem Jahr für die vier Angeklagten gefordert. Die Verteidiger fordern Freisprüche, weil The Pirate Bay lediglich eine technische Plattform sei, um Computer miteinander zu verbinden. Ihre Betreiber könnten nicht dafür verantwortlich gemacht werden, was die Anwender untereinander austauschen. Das Urteil wird erst im April verkündet.
The Pirate Bay ist seit fünf Jahren online und derzeit im weltweiten Ranking aller Websites auf Platz 108. Tendenz steigend. Dan Glickman vom US-Verband der Filmindustrie MPAA: "Wir wissen, dass wir Filesharing niemals völlig stoppen werden. Doch wir können es den Piraten so schwer wie möglich machen."
Die MPAA war es auch, die mit Hilfe der Welthandelsorganisation im Jahr 2006 so viel Druck auf die schwedische Regierung ausgeübt hat, dass die Suchmaschine tatsächlich für einige Tage vom Netz genommen wurde. Das aber hat die Diskussion über Filesharing und Urheberrecht, vor allem aber auch über die Unabhängigkeit schwedischer Behörden erst so richtig angeheizt.
Abschreckung
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EFF
Der Rechtsanwalt Fred von Lohmann: "Die Industrie fängt ein paar Leute ein und verklagt sie, um damit allen anderen Angst einzujagen. Es ist so als hätten sie entschieden: Um ein Dorf in Schrecken zu versetzen, schlagen wir die Köpfe von einigen Dorfbewohnern ab und spießen sie auf Pfähle vor dem Dorf, als Warnung für jeden anderen."
Lohmann gilt als einer der führenden Verfechter des freien Datenverkehrs im Internet. Er verweist auf ähnliche Debatten in der Vergangenheit: Notenblatt-Drucker fürchteten die Schallplatte, die Schallplattenindustrie geriet in Panik vor der Musikkassette, auf Wunsch der CD-Hersteller sollte der erste mp3-Player der Welt vom Markt genommen werden, und die Filmindustrie verklagte den Hersteller des ersten Videorekorders.
Interview vom Februar 2008 mit Rasmus Fleischer, einem der Gründer von The Pirate Bay
Kreativmaschine
Mit dem Internet steht uns eine weltweite Kopier- und Kreativmaschine ungeahnten Ausmaßes zur Verfügung. Geschaffen für den papierlosen Austausch von wissenschaftlicher Information, dezentral aufgebaut.
Mit Filesharing wird diese Maschine für genau den Zweck eingesetzt, für den sie in den siebziger Jahren designt wurde. Sebastian Lütgert, Betreiber des Pirate Cinema: "Eine Macht wie diese: Millionen von Menschen, die miteinander verbunden sind, Millionen von Menschen, die Daten austauschen, die ihre eigene Arbeit teilen und die Arbeit anderer teilen. Diese Situation ist einmalig in der Geschichte der Menschheit. Es ist eine Macht, die nicht gestoppt werden kann."