Erstellt am: 4. 3. 2009 - 11:52 Uhr
Beautiful Rebel, thin white dude, sensitive superstar!
Mitte der 70er landete David Bowie in Europa. Er begann sich verstärkt für elektronische Musik zu interessieren und schloss sich mit Klangkönig Brian Eno kurz. Der Einfluss der in Folge entstandenen Berlin-Trilogie aus Bowies Alben "Low", "Heroes" und "Lodger" auf so ziemlich alles, was danach kommen sollte, kann schwer überschätzt werden - wird er auch selten.
Die hier vor gut dreißig Jahren vollführte Verquickung von Rocksong und Elektronik, Ambient, Krautrock und Tapeloops, schmerzlicher Introspektive, Drogen-Tief, grobkörniger Tristesse und den Nachwehen von Glam bereitet selbst Radiohead heute noch schlaflose Nächte. Als Beginn von Bowies Berlin-Phase gilt dabei "The Idiot", die Platte, die Bowie für seinen Kumpel Iggy Pop mitkomponiert und produziert hat. Auch hier schon: Das Zusammendenken von Punk und Disco. Ein Album, auf dem sich Iggy Pop, der Rock-Gott, der er ist, auch Epoche machend am "Nightclubbing" versuchen konnte - und der zweite Teil seines Namens endlich einmal nicht als ironische Pointe herhalten musste.

Jeremy Jay
Oh, Beautiful Rebel
From the Land of Youth
Who Vies for Your Attention
When They See You Tonight
But All You Can Do is Sigh
Oh, Beautiful Rebel
"Beautiful Rebel", Jeremy Jay, 2008
Der junge, aus Los Angeles stammende Musiker Jeremy Jay, der am Donnerstag in der Wiener Arena auftritt, ist in erster Linie das, was da immer so schön „Singer/Songwriter“ genannt wird. Bloß eben nicht mit Bart am Lagerfeuer die Klampfe bearbeitend, sondern vielmehr in Cabrio und feinem Zwirn, unterwegs nach Monte Carlo. Um dort einen Punkschuppen zu besuchen. Jay ist ein bescheidener Dandy, ein wohlerzogener Gitarrenmann, der rocken kann, ein Herr mit guter Garderobe und rumpelnden Popsongs.
Dass da neben französischem Chanson, laut eigenen Angaben vor allem in Gestalt von Francoise Hardy, Nouvelle Vague und "Class" im Allgemeinen, wie Jay selbst sagt, all das Schaffen und Werken, das da in den 70ern im Umfeld von Bowie und Eno entstanden ist, in Jeremy Jays Oeuvre nachweht, kann nicht bloß am Cover-Artwork abgelesen werden, das da, gar nicht uneitel, stets den Künstler selbst zeigt.

Iggy Pop
Jays erstes, 2008 erschienenes Album "A Place Where We Could Go" war noch karger Schrammelpop, aufgenommen an minimalistischem Instrumentarium, Gitarre, Gesang, reduziertem Piano, klappernden Drums; Musik, die auf Jonathan Richman und seine Modern Lovers zurückgreift, ein Modell, das den Punk, meinetwegen Proto-Punk, eben nicht in der Krassheit, sondern eher in ausgestellter Naivität, freundlichen Melodien und Spaß am Pop findet. Die Stücke tragen Titel wie "Beautiful Rebel", quasi das Zarte und das Harte abrufend, durchs dazugehörige Video stolziert Jay als eine Mischung aus Geck und schüchternem Indieboy und bekommt dabei irgendwie das Kunststück hin, nicht unsympathisch zu wirken. Vielleicht weil das Lied so gut ist.
Hey babe, your hairs alright
Hey babe, let’s stay out tonight
You like me, and I like it all
We like dancing and we look divine
You love bands when they’re playing hard
You want more and you want it fast
They put you down, they say I’m wrong
You tacky thing, you put them on
Rebel rebel, you’ve torn your dress
Rebel rebel, your face is a mess
Rebel rebel, how could they know?
Hot tramp, I love you so!
"Rebel Rebel", David Bowie, 1974

David Bowie
Jeremy Jays zweites, Ende März erscheinendes Album wird "Slow Dance" heißen, selten war ein Titel passender. Was schon eine kurz vor dem Debütalbum veröffentlichte EP angekündigte, "A Place Where We Could Go" aber dann noch nicht einhalten wollte, wird jetzt Gewissheit: Neben filigranem Songwriting, mal am Piano, mal an Gitarre zusammengeschnitzt, erfreut sich Jay an leicht kitschtriefender Elektronik, die nun deutlich auf den Dancefloor bittet. Behäbig aus den Synthesizern gekitzelte Flächen weisen da Richtung düsterer Neo Disco Noir, wie sie aktuell beispielsweise vom formidablen Label Italians Do It Better und den tiptop Überfliegern Glass Candy und Cromatics betrieben wird. Darüber switcht dann Jays Gesang übergangslos von monotonem deadpan Vortrag hinüber in ein gecroontes Falsett, Bowie schaut zu. Gebrochene Rockstarposen, zurückhaltende Extravaganz!
Freilich ist Jay dabei nie gar so wild wie Iggy oder so sehr am Experiment interessiert wie Bowie, der Wille aber, seine runtergerockten Songminiaturen mit Synthie-Pop aufzuladen und sein Do-It-Yourself-Spektrum dezent zu erweitern, macht "Slow Dance" jetzt schon zu einem der sehr, sehr guten Alben des Jahres.

Jeremy Jay
Die Information, dass Jeremy Jay ab und an gerne Brian Enos ewigen Hit "Baby’s On Fire" covert, oder auch "Ghost Rider" von Suicide, jenem Duo, das auch schon Ende der 70er Jahre Punk-Gestus in monoton eiernde Schrottplatz-Elektronik übersetzt hat, ist da nur mehr positives Beiwerk zur endgültigen Bestätigung, dass wir es hier mit einem ganz, ganz Guten zu tun haben. Große Arrangements, dargereicht in Lo-Fi-Ästhetik, klappernde Popsongs, zugeschichtet mit dichten Synthieflächen, höflicher Glamour, ein Star für ein neues Jahrtausend.
"Slow Dance" erscheint am 27.März bei K Records/Trost
Jeremy Jay spielt am 5.3. im Arena Dreiraum, Vorband sind Dandies&Darlings aus Wien.