Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Journal '09: 3.3."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

3. 3. 2009 - 14:34

Journal '09: 3.3.

Bauernsozialismus. Und was von ihm zu lernen wäre.

Ein paar periphere Anmerkungen zu den Landtagswahlen vom Sonntag, vor allem denen in Kärnten.

Die Meinungsforscher, so lautet eine - dezent populistische - Erkenntnis des letzten Sonntags, wären die Verlierer der Landtagswahlen. Natürlich nur dann, wenn man außer Acht lässt, dass sie Salzburg fast aufs Komma vorhergesagt haben. In Kärnten lagen sie daneben - wie im übrigen auch all jene, die jetzt behaupten es bereits gewusst zu haben.

Am allerehesten darf das in Wahrheit eine ganz kleine Gruppe von Menschen von sich behaupten: deutsche Zeit/ungs/schriften-Redakteure, die sich vor dieser Wahl ein wenig kundig machten in Kärnten. Die (und ich hab sie am Wochenende flächendeckend erforscht) hatten zwar allesamt von Salzburg nichts gehört/gewusst, aber was Kärnten betraf legten sie allesamt den Focus so deutlich auf die Haider-Partei, dass man sie als Propheten markieren muss.

Das hat damit zu tun, dass sie sich mit der politischen Landklarte Kärntens genau einmal alle paar Jahre beschäftigen und dabei das größere Bild im Blick haben, während sich die Auguren hierzulande dann auch auf tagespolitische Analysen einlassen müssen, und davon (wie Sonntag passiert) verführt wurden.

Der falsch verwendete Bauernsozialismus

Am gewagtesten ging die vom Hamburger Abendblatt, Welt und WamS entsandte Berichterstatterin vor: Elisalex Henckel Donnersmarck, eigentlich Elisabeth Alexandrine Clary, sicher irgendwie verwandt mit dem Abt und dem Filmregisseur.
Und zwar weil sie einen radikalen Begriff verwendete; zwar falsch und aus einem Missverständnis heraus, aber (sofern man abstraktionsfähig ist) dann doch wieder durchaus richtungsweisend.

Die Autorin sprach im Hamburger Abendblatt vom autoritärem Antlitz eines "nationalen Bauernsozialismus", den der verunfallte Jörg Haider hinter einer "modernen, fast sympathischen Maske" zu verstecken pflegte. Und sie schreibt das als Zitat dem Falter zu.
Zu Unrecht.
Florian Klenk portraitierte in einer Falter-Ausgabe von letztem Oktober einen Kärntner Bürgermeister und dessen Trauerarbeit und verwendete dabei den Satz "Sein umtriebiger nationaler Bauernsozialismus mit autoritärem Antlitz ist nämlich exemplarisch für die Politik der Haiderpartei." für diesen Mann, nicht für Haider oder sonstwen, wie von Frau Henckel Donnersmark behauptet.
Klenk ist nämlich im Gegensatz zu den deutschen Kollegen ein Langzeit-Beobachter, der kein derlei plattes Bild verwenden würde, um die komplexe Persönlichkeit Haiders zu zeichnen.
Das ist den Einmal-Rein-und-Sofortanalyse-Kollegen der deutschen Medien vorbehalten.

Wo sich Haider und Dörfler unterscheiden

Haider in einem Satz mit dem klar besetzten Begriff "Bauern" zusammenzubringen, wäre hierzulande niemandem eingefallen. Auch wenn sich der Landesfürst noch so oft in seine Kärntner Tracht, seine stilisierten Outfits geworfen hatte: das waren Symbole und Gesten - bäuerlich war an Haider wenig.
Im Gegenteil: jenen, die sich am stärksten mit der "Scholle" identifizieren, war Haiders offen zur Schau gestellte Weltläufigkeit immer zu stark, um ihn komplett als einen der ihren zu akzeptieren. Der Landesvater war ein Mittler zwischen den semimodernistischen Kleinstadt-Menschen, der weltläufigen Kärntner Tourismus-Branche und den archaischer gestrickten Landmenschen - aber keiner von ihnen.

Das ist sein Nachfolger, Gerhard Dörfler, viel eher. Das was Frau Donnersmarck in ihren Geschichten gern "unbeholfen" nennt, was also deutschem Adel provinziell vorkommt - das entspricht viel eher der verwendeten Begrifflichkeit.

Am Wahlabend sprach es Dörfler dann in einem ZIB-Interview aus, für mich unerwartet, aber offenbar nicht das erste Mal: dass er sich als Sozialist sehe. Das ist mehr als eine ordentliche Watschn für die schwer besiegte Sozialdemokratie, die sich den Begriff des Sozialismus ja gar nicht mehr in den Mund nehmen traut - das ist ein wohlfahrtsstaaliches Fürsorglichkeits-Bekenntnis zu jenen, die sich unwohl, im Stich gelassen, unterprivilegiert oder sonstwie schwach fühlen. Und dann passt er wieder, der Bauern-Sozialismus. Unter der aktuellen Landesführung der Scheuch-Brüder und Dörfler deutlich mehr als zuvor unter dem PR-Genius Haider, der seinen Janker für einen guten Gag auch sofort auf den Misthaufen geworfen hätte. Diesbezüglich ist das Kärntner BZÖ treuer, treusorgender.

Treusorgender, konservativer Sozialismus

Ich weiß auch nicht, ob die Chiffre "national" hier noch stimmig ist. Da sich fürs BZÖ alles nur noch auf ihr einziges Bundesland beschränkt, alles aufs dortige Zusammenrücken fokussiert wird, wäre sowas wie regional/feudal vielleicht wahrheitsgemäßer.

Quelle: Christoph Hofinger (Sora) unlängst im Standard.

Das was Kärnten zum Vorbild Bayern, zu "Laptop & Lederhose" fehlt, ist die durch die zunehmende Verdickung des bäuerlichen Sozialismus vertriebene Intellegenzia. Die quasi geflüchteten 80.000 Kärntner in Wien (großteils Grün- und Rot-Wähler) reißen ein nicht zu stopfendes Loch, was Innovations-Industrien betrifft. Insofern koppelt sich Kärnten weiter ab.
Damit bringt das BZÖ aber auch den Beweis, dass man die derzeit wieder vielbeschworenen Arbeiter, vor allem die weniger gut ausgebildetene jungen Männer (die mit weit über 60% orange wählten) durchaus ansprechen kann ohne dabei ausschließlich auf "Ausländer raus!" oder "Weg von Brüssel!"-Platitüden zu setzen, wie es etwa die FPÖ tut.
Und wäre somit sowohl für die ÖVP (und ihre verlorengegangene christlich-soziale Marktwirtschaft) als auch für die SPÖ (und ihren verlorenengegangenen Mut sich für eine avancierte Form des Sozialismus einzusetzen, was in Zeiten wo der Kapitalismus so lächerlich ausschaut, nicht einmal viel Mut erfordert) durchaus als sinnvolles Vorbild zu verwenden.