Erstellt am: 2. 3. 2009 - 16:23 Uhr
Fußball-Journal '09-11.
"Ich bin überzeugt: Psychologie ist der wichtigste Aspekt im Profisport. Der Unterschied zwischen Nadal, Federer oder Tiger Woods zu allen anderen ist Psychologie. Das sportliche Niveau ist so hoch, aber im entscheidenden Moment da zu sein geht nur über den Kopf. Aber nicht nur in Österreich wird man im Fußball, wenn man dieses Thema anspricht, komisch angesehen."
Am nachmittag, als das geschrieben wurde, war der ÖFB-Teamchef noch im Amt. Knapp nach 18 Uhr ist es bereits anders.
Okay, ein Wort von diesem Zitat ist geschummelt. Josip Simunic hat natürlich Deutschland gesagt, und nicht Österreich. Aber wo in Deutschland auf hohem Niveau jammert wird, herrscht in Österreich noch völlige Dunkelheit - es ist im Sport nicht anders als zb in der Medienpolitik.
Josip Simunic ist kroatischer Teamspieler (australischer Herkunft und mit langjähriger deutscher Lebenserfahrung) und einer der Leader bei Hertha BSC, dem aktuellen Tabellenführer. Simunic galt lange (ich meine: zurecht) als Prototyp des hölzernen Grobmotorikers, als wenig entwicklungsfähiger Verwalter einer alten Schule, die nicht nur den Ball als Feind betrachtet, sondern auch die Technologie und die Entwicklung, als ein Aushängeschild jener archaischen Bremser, die sich noch im schönen, aber längst veralteten Ideal des Ernst Happel als Instinkt-Fußballer/Coach versteht.
Irgendwann macht es bei Simunic, dem Grobian, "klick" und aus ihm wurde Simunic, der fortbildungswütige Abteilungsleiter. Der Kicker wählte ihn zuletzt zum besten Innenverteidiger der Herbst-Saison.
Die nötige Background-Info ist hier in der erwähnten Tagesspiegel-Geschichte nachzulesen.
Die Generation 40 und ihr Kampf mit den Zombies
Simunic ist nur ein gutes Beispiel für den neuen Kicker-Typus, der von einem neuen Trainer-Typus hervorgebracht wird - weltweit, vor allem aber im innovationstechnisch aktuell sehr weit vorn agierendem deutschen Fußball. Trotzdem erscheinen die Geschichte über die aktuellen Erfolgsgeschichten derzeit noch eher im Wissenschaftsteil (wie am Wochenende im Tagesspiegel) - denn die Zombies krallen sich noch an die Macht.
Dass die neue Trainer-Generation (Klinsmann, Löw, Klopp, Rangnick, Labbadia etc) mit ihren Methoden derzeit Maßstäbe setzt und die Generation Opa (die Post-Rehhagel-Generation, die letzten, die es mit Bauchgefühl allein probiert haben) ganz alt aussehen lässt, hat sich mittlerweile rumgesprochen. Dass hier in allen Bereichen (Kondition, Coaching, Psychologie, Analyse etc - plastische Details siehe verlinkte Geschichte) mit allen möglichen Applikationen, interdisziplinär, datenbasiert und gleichzeitig aufs Individuum zugeschnitten gearbeitet wird, lässt einen Backlash in die alten Zeiten der mystischen Vermutung als zutiefst unrealistsich hinter sich. Und dieser Backlash ist die letzte und einzige Hoffnung, die die Zombies noch am Leben, an den Futtertrögen hält.
Die Zombies, das sind die Altspieler und Alttrainer, die noch reinquatschen bei den Vereinen, im Vorstand, Präsidium, als Berater oder böse Geister im Hintergrund. Altstars, die sich seit ihren großen Zeiten fortbildungsrestistent nicht bewegt haben und demzufolge auf alle aktuellen Probleme mit Rezepten von übergestern reagieren.
Die Zombies haben ein Ziel:
die Jungen nicht hochkommen lassen (es sei denn es sind Mimikry-Imitate), neue Entwicklungen verhindern (die sie obsolet machen würden), das Niveau am Zeithorizont ihrer vergangenen Erfolge festzurren. Es geht um Machterhalt - und zwar um seine reaktionäre Ausprägung. Das bewirkt das genaue Gegenteil von Innovation.
Österreich wird noch komplett von den Zombies beherrscht. Da die Globalisierung im Fußballsport nicht automatisch the survival of the fittest nach sich zieht, kann sich eine Nation auch sehr stark vom internationalen Fortschritt abkoppeln - die letzten Jahre sind ein fataler Beleg dafür: keine Wettbewerbsfähigkeit von österreichischen Clubs und österreichischen Ausbildnern im Ausland, minimale einzelner Spieler.
In einer Situation wie dieser kommt einem Entscheider wie dem neuen ÖFB-Chef Leo Windtner eine zentrale Aufgabe zu: er kann zwar allein nichts retten oder bewirken, aber er kann Richtungen vorgeben.
Es war dann noch flotter - am heutigen Abend...
Und demnächst, wenn Windtner Teamchef Brückner entlässt (was entweder schon diese Woche oder dann Anfang April der Fall sein wird) steht eine solche Entscheidung an.
Wofür entscheidet sich der ÖFB?
Vorgänger Stickler hat (recht erfolglos, wie alles, was er im ÖFB je angepackt hat) versucht, den internationalen Anschluss über eine sehr österreichische Annäherung zu finden: die des Weisen, also des Opas, dem man zuhört. Da der Opa ein ganz mieser Geschichtenerzähler war (was Stickler fatalerweise entgangen ist), hat ihm keiner zugehört.
Sticklers Versuch vor Brückner war ein anderer: er hat versucht einen der jungen deutschen Innovativen, einen dieser Generation40 zu holen, damit der dem ÖFB (der noch mit der mechanischen Schreibmaschine arbeitet) eine neue Festplatte aufsetzt. Mirko Slomka - ein medial geschultes Cleverle. Das ist aus nie gänzlich geklärten Gründen gescheitert.
Wohin wird sich nun Windter richten? Backlashmäßig wieder zu den Zombies, den rückwärtsgewandten Bewahrern? Man hört viel von Constantini, einem der Gurus dieser Spezies. Oder doch einer Generation40-Lösung, wenn auch der Naheliegendsten? Man hört von Franco Foda, der das alles vielleicht einbringen könnte, und der dazu noch die Verkommenheit des heimischen Fußballs kennt. Wird Andi Herzog auf die Walz geschickt, auf ein internationales Ausbildungs-Jahr in der Welt des richtigen Fußballs, oder bleibt er im heimischen Sumpf stecken?
Die Beantwortung dieser Fragen wird zeigen, wo Windter (und mit ihm der heimische Fußball in den nächsten Jahren) steht. Und ich hab dazu (auch wegen Interview-Aussagen des Präses, mit denen er sich mit den Zombies merklich gutstellen will) kein sehr gutes Gefühl.