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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

1. 3. 2009 - 23:54

Journal '09: 1.3.

Der Partei-Avatar und andere Vortäuschungen.

Gestern, bei der frühen Hinfahrt zu meinem kleinen wochenendlichen süddeutschen Ausflug, hab ich eine in der Süddeutschen erlesene Geschichte zum Anlass für ein paar Überlegungen genommen. Heute, bei der späten Rückfahrt, ist es eine aus der Zeit. Es geht in beiden Geschichten ums selbe Thema (die politische Einflussnahme auf den ZDF-Chefredakteur), aber das ist Zufall.

Denn das Interessante am Kommentar von Bernd Ulrich zum Fall Brender ist die Einführung eines neuen Begriffs: dem des Partei-Avatars, der zweiten Identität, die sich junge Journalisten zunehmend zulegen würden, um der zunehmenden Politisierung der Medien Herr zu werden.

Das Elementare daran ist nicht, dass es derlei nicht schon immer gegeben hätte: dass man sich um vorwärtszukommen ein Parteibüchl zulegt und Menschen, die einem helfen können vorwärtszukommen, was vorspielt - das ist ein alter Hut.
Neu ist nur, dass die nachdrängende Generation der Digital Natives die diesbezüglichen Techniken mittlerweile so perfekt beherrscht, dass es ihnen gar keine Mühe mehr macht; und sie sich deshalb auch gar nicht mehr mit den ideologischen oder politischen Hintergründen beschäftigen müssen, was über kurz oder lang zu einer kompletten Veroberflächlichung und Verposung sämtlicher politischer Prozesse führen wird.

Der politische Avatar wird reale Politik komplett ablösen und ad absurdum führen.

Der Zeit-Autor sieht den Partei-Avatar aktuell als isoliertes Phänomen: Journalisten, die Parteimitgliedschaft meiden, würden sich aufgrund des stärkeren staatlichen Einflusses (der in Deutschland wie Österreich deutlich spürbar ist) eine verkrampfte zweite Identität zulegen, die den entsprechenden Einflussgebern eine entsprechende Gesinnung vorgaukeln wird.

Ich denke, dass das längst weit flächendeckender passiert. Die jungen Menschen, die bereits digital geprägt aufgewachsen sind, haben so viele Erfahrungen darin Avatare ihrer selbst aufzurichten, dass sie den alten Deppen, den digitalen Analphabeten, schon längst was vorspielen.

Da sich für die nach 1980 oder 85 geborenen (von denen nach 90 gar nicht erst zu reden) ist das, was sich in Österreich (ebenso wie Deutschland) als Politik geriert, ein Witz.

Ein schlechter Witz und ein trauriger Witz.

Und zwar nicht nur einer, den man nicht nur nicht verstehen kann, weil er noch im alten Jahrtausend fußt, diesem unverständlichen, aus krausen analogen Emotionen gespeisten Ding, sondern auch einer, den man gar nicht mehr verstehen muss.

Denn die, die diese alte Sprache noch sprechen, die haben ein Ablaufdatum - und das wird man erwarten müssen.
Denn die Silberrücken, die aktuell 35 bis 55jährigen, die an allen Hebeln aller Macht sitzen, die werden da noch gute fünfzehn, zwanzig Jahre dranbleiben, klar - aber mit ihnen wird all der Unfug, den sie vertreten ein für allemal wegsterben; wie die Kurent-Schrift, wie das Telex oder (bald) die CD.

Weil also niemand (und zurecht) die alte Sprache neu erlernen will, behilft man sich mit dem Avatar-Trick: man täuscht vor - das dafür nötige Potential ist einem Eingeborenen der rein digitalen Generation ja quasi mitgegeben.

Das alles hat was Felix-Krull-mäßiges, klar.

Man ämusiert sich dabei, wie die neuen Lebenswelten gegenüber um ein Deutliches mehr aufgeschlossenen Menschen jene überlisten, die nur noch Imagos von längst Überkommenem mit sich herumschleppen.

Bloß: dadurch scheitert auch eine ganze Generation daran, das wenige Gute weiterzugeben. Zum Beispiel das Konzept einer funktionierenden Demokratie (man merkt: ich entsage mir begleitende Begriffe wie "gut" - mir ist das Funktionieren allein schon viel wert).

Die neuen Digitalen, die (auch aufgrund der scheinbar basisdemokratischen Erfahrungen, die sie mittels weltweitem Netz vermittelt bekommen) kein großes Problem mehr mit Hierarchien oder Regelwerk haben und sich deshalb problemloser unterordnen als ihre Vorgänger-Generation, ziehen sich (zumindest als Erst-Person) aus vielem zurück, was mit anstrengendem gesellschaftlichen und sozialen Engagement zu tun hat.

Das überlassen sie ihren Avataren, ihren Schein-Existenzen. Und entsprechend mäßig interessant ist das, was sie dazu zu sagen haben, dann auch. Wie schade das ist, das auszudrücken, da fehlen mir jetzt grade echt die Worte.