Erstellt am: 28. 2. 2009 - 14:36 Uhr
Journal '09: 28.2.
Vorab ein Zitat:
"Die Grundlage der Demokratie sind die Wahlentscheidungen der Bürger. Um diese Entscheidungen treffen zu können, müssen die öffentlich-rechtlichen und die privaten Medien so organisiert werden, dass Medienfreiheit garantiert ist. Rundfunkanstalten nehmen Freiheitsrechte wahr, die sich auch gegen unangemessenen politischen Einfluss richten."
Zurecht fragt man sich jetzt: warum glaubt der ehemalige Intendant, dass es nötig ist diese Selbstverständlichkeiten so klar, man möchte sagen: so deppensicher, ansprechen zu müssen?
Er reagiert damit auf einen Satz eines mächtigen Politikers, einen argen Satz.
"Öffentlich-rechtliche Sender stehen in der Verantwortung von Gesellschaft und Politik und werden sich davon auch nicht völlig lösen können. Das ist ein Teil von Demokratie. Politiker sind nicht eine Gefahr für die Demokratie, sondern ihre Grundlage."
Die Ungeheuerlichkeit lauert im letzten Satz. Natürlich ist die Politik, ist der Politiker per se keine Gefahr für die Demokratie, sie/er sind aber niemals ihre Grundlage. Diesem völlig irrwitzigem Selbstverständnis, dass eine Kaste die Grundlage für irgendetwas sein könnte, diesem öffentlich geäußertem Unfug setzt der Ex-Intendant dann sein Zitat entgegen. Und beginnt damit, was tatsächlich die Grundlage der Demokratie ist (die Wahlentscheidung der Bürger) und was daraus folgen muß - nämlich die Politik- und Politiker-Unabhängigkeit der Medien.
Die Grundlage der Demokratie.
Wir befinden uns im Übrigen in Deutschland, der Intendant ist Jobst Plog, ehemaliger und legendärer NDR-Chef, der in einem heute in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Text (Titel: Staatsferne muss sein) auf die Aussagen des Politikers Roland Koch (jüngst wiedergewählter hessischer Ministerpräsident, und mächtiger CDU-Kronprinz), die er kürzlich in einem FAZ-Interview von sich gegeben hatte. Thema: der aktuelle politische Zugriff auf das ZDF.
Das nur für den Fall, dass jemand geglaubt hat, es würde hier die aktuelle österreichische Situation besprochen.
Da passiert gerade sehr Ähnliches: die Politik mischt sich in übermäßiger Weise im öffentlich-rechtlichen Kernbereich ein.
Es gibt allerdings einen gravierenden Unterschied: während die Deutschen diese Debatte (auch) öffentlich führen, während hier also Positionen ab- und ausgetauscht werden, vor aller Ohren und Augen (es also eine Debatte zum Thema gibt), findet in Österreich alles indirekt, informell und hinterrücks, dafür dann aber campaignisiert, statt.
Niemand in Österreich würde das, was sich Koch - aus einem absurd falschen Verständnis seiner selbst und der Position der Politiker im aktuellen medienpolitischen Kontext heraus - locker öffentlich auszusprechen traut, auch nur anstreifen.
Derlei erledigt man privat, im engeren Kreis, teilt es via Boten oder Parlamentär mit - verhindert aber eine offene (und seriöse) Debatte und kann so viel effizienter mit den Mitteln des Machtspiels agieren. Man legt also wert auf das genaue Gegenteil von Debatte - nämlich die gesteuerte Meinungsbildung via Lobbying, Und hat damit auch einen deutlichen Fingerzeig gesetzt, wie man sich eine künftige, der Regierung genehme, Berichterstattung vorstellt.
Politisches Mobbing
Peter Huemer, Mitbegründer der Plattform SOS-ORF, nennt es "politisches Mobbing", auch weil eben keine "Auseinandersetzung mit Argumenten" zu erkennen wäre, wie es etwa im zitierten deutschen Fall passieren würde.
Die dort verwendeten Argumente sind zwar haarsträubend - aber es gibt sie. Im demokratiepolitisch nur noch informell aufgestelltem Österreich der Abtötung jeglicher Diskussionskultur geht nicht einmal mehr das.
Die kritischen SOS-ORF-Geister haben genug Verbesserungs-Potential anzumelden, und sind inhaltlich mit der Geschäftsführung unter Garantie nicht oft einer Meinung. Dass aber auch hier, in einem der wenigen verbliebenen Orte des offensiven Nachdenkens in diesem Land, deutlich erkannt wird, auf was die seit Antritt der neuen regierung forcierte Destabilisierung des ORF hinausläuft, belegt auch die aktuelle Unterstützungswelle durch die ehemaligen Geschäftsführer (die sich ja jetzt allesamt durchaus frei äußern können, und das auch kräftig tun). Dass nämlich ein markttechnisch erfolgreiches Unternehmen mit solidem Grundkapital (denn ein - klakuliertes - Jahresdefizit darf nicht über die klare Absicherung via Reserven hinwegtäuschen) aus einer Koalition von politischen und ökonomischen Gründen zu Tode domestiziert werden soll.
Die einen wollen einen willfährigen Erfüllungsgehilfen um ihr falsch verstandenes Demokratie-Verständnis deutlicher zu machen, die anderen schätzen einen künstlich geschwächten Konkurrenten mehr als einen, den der Markt entgegen aller Prognosen und Behauptungen deutlich präferiert.
Dass das Wegdrücken jeglicher offenen Diskussion für beides (Demokratie und Medienmarkt) verheerende Auswirkungen haben kann, gilt manchen Entscheidungsträgern leider schon als allzu langfristiges Denken. Dabei sind Mittel- und Langstrecke die wirklich entscheidenden Disziplinen.