Erstellt am: 25. 2. 2009 - 23:24 Uhr
Journal '09: 25.2.
Es empfiehlt sich nicht wirklich einen Blog, oder besser: dieses Journal hier, an Tagen, in denen man sich auf einer Klausur befindet, ganz normal abzufassen. Weil "normal" bedeutet, dass man über das schreibt, was einen den ganzen Tag lang umtreibt, an Denken und Handeln.
Es empfiehlt sich zum einen deswegen nicht, weil die Klausur an sich schon so was wie eine Nichts-soll-rausgehen-Klausel hat - zumindest nicht ehe alles finalisiert und in ein Ergebnis(-Papier) gepackt ist - und zum anderen nicht, weil man noch zu nah dran ist an den Gedankenspielen, die da gewälzt werden, und sich auch schon einmal verrannt haben kann (was man schon einmal erst am nächsten Tag erkennt).
Weil die Klausuren, die ich so kenne, sich nämlich schon eher dadurch auszeichnen, dass da alles neu gedacht werden darf.
Letzte Woche, anläßlich der zweitätigen FM4-Klausur ist es mir gelungen, alles außen vor zu lassen - weil sich da die nordische WM und auch der Text zum Thema wos terminlich aufgedrängt haben.
Diese Woche, anläßlich der zweitägigen Klausur der ORF-Radios, scheitere ich hiermit. Wenn auch durchaus den Regeln des Anstands entsprechend (hoffentlich).
Auf Klausur.
Das Schöne und auch Wichtige an Klausuren im Kreativ-Bereich ist die Möglichkeit des radikalen Denkansatzes. Diese Zusammentreffen des gemeinsamen Nachsinnens, Analysierens und Entwickelns sind prädestiniert um gedankliche Tabula Rasa zu betreiben, um das, was man gut kennt und täglich fertigt, auf der vielbeschworenen "grünen Wiese" völlig neu zu denken. Das ist vor allem dann, wenn sich Menschen aus Bereichen, die eben nicht täglich zusammenarbeiten, aber ähnliche Felder beackern, treffen und austauschen, mehr als lehrreich - weil man da andere als die eingefahrenen Blickwinkel seiner selbst/seiner direkten Umgebung kennenlernt.
Deshalb kommt es oft und gerne vor, dass eine frisch von einer Klausur kommende Gruppe mit überproportionalem Elan zurück in den Alltag drängt, dort alles mögliche sofort umstellen will - und dann erst im Laufe von ein paar Tagen wieder von den Sachzwängen, nicht so schnell veränderbaren Realitäten und anderen, aus sehr menschlichen Schwächen erklärbaren Gründen die gegen schnelle Maßnahmen sprechen, eingeholt wird.
Die Qualität einer Klausur, die sich als Think Tank, auch als geistige Auftankstation versteht, zeigt sich in der richtigen Mischung aus Schnellkraft und Ausdauer. Wahrscheinlich sind nur jene Ideen, die man aus so einer geballten Sammlung mitnimmt, überlebensfähig, die man anschließend auch allen anderen (nicht dabeigewesenen) stimmig kommunizieren kann.
Das heißt wiederum, dass es in erster Linie um Bewußtmachung und Bewußtseinsschaffung geht.
Radikales Denken
Denn irgendeine Änderung auf Anordnung oder Zuruf ist in einer Schraubenfabrik oder anderen, auf reine Produktionsnormen ausgerichteten Betreiben, vielleicht möglich - in einem Medienbetriebt funktionieren Veränderungen nur dann, wenn sie von wesentlichen Teilen der Programm-Mitarbeiter mitgetragen werden.
Wie und ob sich das radikale Denken, das bei solchen Gelegenheiten zirkuliert und diskutiert wird, dann irgendwann in einer solchen Bewußtseinsschaffung niederschlägt, ist also wieder von der Alltags-Arbeit abhängig.
Klingt wie ein Gegensatz, ist aber keiner.
Radikales Denken ist vor allem dann vonnöten, wenn es um Visionen für Zukünftiges geht. Und weil es diesmal ein paar Experten-Einschätzungen für 2015 oder 2020 gab, ging es wieder einmal automatisch um das Thema der Medienkonvergenz.
Und da sprach ein Radio-Kollege, der aus den oben genannten Gründen unbenannt bleiben muss, das aus, was womöglich noch ein paar Jährchen braucht um dorthin durchzusickern, wo es dann schlussendlich (via Bewusstmachung) landen muss um Änderungen herbeizuführen.
Dass nämlich der User schon während die Medien selber noch drüber diskutiert haben, wie alles aussehen soll, die Entscheidung getroffen haben: dass nämlich das Internet, das www (oder dessen künftige Erweiterung) der zentrale Ausspielweg für Content sein wird.
Oder dass es die Generation der "Digital Natives" (also der, die das künftige Publikum stellen werden) recht scheißegal ist, ob wir unser jeweiliges Medium "Fernsehen" oder "Radio" nennen - weil von allen Bilder, Sound und schriftliche Begeitinfo verlangt wird, und zwar in einer möglich originären Kombination, die ein Gesicht hat, aber trotzdem zunehmend individuell zugeschnitten rezipiert werden kann.
Radio
für 2015 oder 2020 zu denken ist also nicht möglich ohne Ausspielwege wie "das Internet2, die Filetierung in On Demand-Angebote oder etwa youtubemäßige Video-Einspieler mitzudenken. Und zwar als Mindestanforderung. Über diverse weitergeführte Gedanken und Thesen gar nicht erst zu reden. Wie sagt der Dichter? "And if my thought-dreams could be seen, they'd probably put my head in a guillotine."
Weshalb eine Radio-Klausur eigentlich ein Anachronismus ist. Was wiederum dann nichts ausmacht, wenn eine Gruppe Menschen über die mediale Zukunft diskutiert - denn Medien wird's weiter (immer?) geben.
Und da die Notwendigkeit der Einbeziehung zumindest des Online-Bereichs den teilnehmenden Radiomenschen duchaus bewußt ist, steht dem "Neu-Denken" wieder nichts im Weg.
Der Optimalfall für die Medien der Zukunft ist nicht ein Verdrängungswettbewerb der Formate oder eine kleingeistige Koexistenz, sondern (klar, Darwin-Jahr) die Evolution, also die innovative Nutzung eines immer noch zurecht als neu angesehenen Trägermediums wie dem World Wide Web.
Andererseits bin ich heute am späteren Abend dann noch an die schöne South Park-Folge erinnert worden, in der "das Internet" wegen eines kleinen Fehlers einfach ausfällt, was Katastrophen ohne Ende nach sich zieht. Und damit tritt die schon erwähnte "nochmal-drüber-schlafen"-Regel in Kraft.