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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

23. 2. 2009 - 18:01

Journal '09: 23.2.

Hausmasta-Gschichtn. Übers Blockwart-Trauma, Unterhändlertum, Integration und die direkte Ansprach'.

"Franz Pokorny, 60, Hausbesorger" von Wolfgang Ambros, 1972

Schaun S', mia sicht ma's schon von da Weit'n aun, i bin a Hausmasta in an Gemeindebau.
De Hockn von an Hausmasta besteht darin, daß er waß, wos in sein Haus vuageht.

Oba um die Leit' kümmer i mi net, weul i scho aum Schriat hea, wea vorbeigeht.
Schaun S', i bin eh vü liaba allan und sauf'mi in den Beisl do aun, mi außez'haun tät'n se de nie traun,
weul a Hausmasta is a Respektsperson.

Nochmittog feul i a poa Parteien au, weul ma sie net ollas gfalln lossn kau!
Owa des hom olle scho längst vagessn i hob mei Bett, i hob mei Essn, i hob sogoa a Telefon
weul a Hausmasta is a Respektsperson

Manchmal denk ich mir, ich sollte alles, was ich irgendwann lese, rausreißen und in eine große Kiste werfen - um es dann, wenn ich mich drauf beziehen möchte, hervorholen zu können, quellentechnisch.
Denn so bleibt mir nur die irgendwie ein wenig blöde klingende Feststellung, dass ich kürzlich irgendwo (es war eine seriöse Publikation) irgendetwas (es war was längeres, essayhaftes) über Hausbesorger gelesen zu haben, das seinem Thema ideologisch nicht gerade nah war (also kein SP-nahes oder sonst irgendwie der Linken zuzuordnendes Organ war.

Da ich weder diese Kiste noch die Fähigkeit, im Moment der Lese-Aufnahme schon an die Verwertungs-Logik zu denken besitze, weiß ich also nimmer, was, wo und wann. Ich erinnere mich nur noch an die Grund-These. Dass nämlich eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Maßnahmen, die die Regierung Schüssel aus Gründen der Partei-Taktik unternommen hatte, die De-Facto-Beseitigung der bis dahin bekannten Funktion des Hausbesorgers war. Denn die wurden per Gesetz anno 2000 ausgelagert: Hausbetreuungs-Firmen übernahmen die Positionen. Die Folge: Die Zahl der Hausmeister halbierte sich, ein ganzer Stand stirbt aus, eine bewusst installierte soziale Klagemauer fällt weg.

Nun (das meldete unlängst die Presse, auch kein klassisches Zentralorgan) arbeitet die Gemeinde Wien an Gegenmaßnahmen.
Und das natürlich auch aus denselben parteitaktischen Gründen wie damals Schüssel. Trotzdem steckt da mehr dahinter.

A Hausmasta is a Respektsperson.

Die geschlossenen Siedlungen der Reichen haben ihre Wachtruppe, Paris seine Concierge die besseren New Yorker Häuser einen Doorman, Wien hat seine Hausbesorger.

Mein Wiener Hausbesorger von Jimmy Berg, 1946

Seit wieder mit Wien man postalisch verkehrt
da hat sich mein Einlauf von Briefen vermehrt
sie kommen fast täglich und ich merke voll Glück
die Marken, die tragen das Wort Republik.

Neulich da kam ein besonderer Brief und ich muß schon sagen, der rührte mich tief.
Mein Wiener Hausbesorger hat mir jüngst geschrieben,
er schwört, er ist die ganze Zeit mir treu geblieben,
er sagt, das braune Gift war ihm nicht eingeimpft,
und nur wenn's sein mußt, hat auf Juden g'schimpft!

Er gibt zwar zu, er war a bissel gleichgeschaltet,
doch hofft er, ich seh ein, dass dieser Fakt veraltet,
sein gold'nes Wienerherz war immer tolerant,
am liebsten wär mit an Rabbiner er verwandt.

Erstens war er niemals nicht ein Nazi,
zweitens ist er längst schon entnazifiziert,
um den guten Willen zu beweisen ist er jetzt gar auf den "Aufbau" abonniert.

Er ist bekehrt zu einem treuen Demokraten,
er hofft, ich bin schon reich geworden in den Staaten,
und darum bittet er auch höflich im PS, dass an ein Care-Paket für ihn ich nicht vergess'.

Mein Wiener Hausbesorger hat mir jüngst geschrieben,
er grüßt ergebens und er wird mich immer lieben,
per Luftpost macht er Buckerl und küsst die Hand, es tut ihm leid, dass er nicht selber ist ein Emigrant.
Er schreibt, ja, ihnen gehts gut dort in Manhattan
und hätt gern zehn Packln Camel-Zigaretten.

Mein Wiener Hausbesorger hat mir jüngst geschrieben,
doch fürcht ich meine Antwort, die wird ihn betrüben.
Denn auf den Brief aus unsrer alten Walzerstadt
fiel mir nix ein als wie ein klassisches Zitat.

Was die Geschichte des Hausmeisters betrifft - da steht hier, in dieser schönen Studie von Peter Payer alles nachzulesen. Im wesentlichen agierte der Hausmeister eine lange Zeit lang als Instandhalter der durch die Industrialisierung hochgezogenen Zinskasernen, verlagerte sich dann aber nicht nur in die Gemeindebauten, sondern letztlich in fast alle größeren Miethäuser Wiens.

Der Hausmasta agierte immer als Prellbock zwischen Mietern und Autoritäten, egal ob zur Polizei (als Auskunftsgeber) zum Hausherrn oder, vor allem im Gemeindebau, direkt zur Gemeinde, also zur Politik. Daraus resultiert das seit jeher zwiespältige Image des Stands.

Im Optimalfall war der Hausbesorger ein Interessensvertreter, im schlimmsten Fall ein vielseitiger Spitzel. Payer fasst das so zusammen: "Eine Fähigkeit war [...] von geradezu lebenswichtiger Bedeutung: eine fundierte Menschenkenntnis. Ein Hausmeister war Meister im raschen Taxieren."
Die klassischen Texte, Stücke oder Lieder über Hausmeister beschäftigen sich natürlich lieber mit der menschlichen Borniertheit der vermeintlichen Respektspersonen und nicht so sehr mit dem politischen Aspekt.

Am Hausmasta machen sich seit jeher (vor allem in der Hochblüte der Zwischen- und Nachkriegszeit) gesellschaftliche Diskussionen fest, einfach weil es sich um einen Gatekeeper im doppelten Sinn handelt. Natürlich war es auch politisch wichtig die Hausmeister auf Linie zu halten - im Ständestaat waren die damals klassisch sozialdemokratischen Hausmeister ein wesentliches politisches Unterpfand.

Vom Hausmasta zum Blockwart

Wie in allen gesellschaftlichen Belangen brachte der Nazi-Terror eine Verheerung. Aus dem Hausmeister wurde der Blockwart, aus der zuvor eher privatistischen Neugier wurde offizielle Bespitzelung - all das spielten Qualtinger/Merz anhand ihres Herrn Karl in brutaler Offenheit durch.

In der Nachkriegszeit erholte sich die Hausmeisterei nur schwer - auch die in Österreich leider allzu aktive Durchmischung der Sozialdemokratie mit den Mitläufern der Nazi-Terrorregimes trug das Ihrige dazu bei.

In den 70ern steckte das Hausmeister-Wesen tief in der Krise (davon zeugen die beiden nebenan angeführten Bespiele von Ambros und Maron): für die vom Wirtschaftswunder verwöhnten Menschen gab's zuwenig Entlohung - also wurden auch hier Gastarbeiter zugezogen, was wiederum zu Konflikten führte.
Ende des 20. Jahrhunderts war der Job, vor allem wegen der von der Gemeinde garantierten Sicherheit wieder recht begehrt. Zudem waren die Hausbesorger wichtige Figuren im neuen Kampf zwischen klassischen sozialdemokrtatischen Hackler-Idealen und dem xenophobem Populismus.

Auch hier geht es in erster Linie um eine recht simple Funktion: Der Hausmeister ist der erste und direkte Ansprech-Partner für akute Probleme (eben das, was man umgangsprachlich Hausmeister-Probleme nennt) und damit auch der Blitzableiter für Ärger, der besser sofort versanden soll, ehe er sich aufstaut.

Diese kathartische Funktion geht aber weit über die Gemeindebauten hinaus. Erika Molny erklärt das in ihren Hausmeister-Porträts so: "Hausmeister ist zu einem Synonym geworden, und die Schmähungen, die der Wiener gegen sich selbst richtet, weil er mit seinen eigenen göttlichen Anlagen nichts anfangen kann und will, sind an einer neutralen Berufsbezeichnung kleben geblieben wie die Reste von Erbrochenem an den Hausmauern von Grinzing."

Der treue Wiener Hausbesorger

Indem Schüssel die Hausmeister per strategisch ausgelegtem Gesetz halbierte, nahm er den Prellbock aus dem Spiel und halbierte auch die direkte Ansprache einer unzufriedenen Basis, eines Klientels, das sich vor allem SPÖ und FPÖ teilen. Durch das Outsourcing der Hausmeisterei an anonyme Betreiberfirmen sorgte die Wende-Regierung nicht nur für einen Wegfall einer personalisierten Klagemauer für die tendenziell Unterprivililegierten, sie schaffte es auch die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten parteitechnisch ein wenig freizuspielen.

"Da Hausmasta" von Sigi Maron, 1978

I bin da hausmasta und es saugfrasta schleichts eich aus da wiesn
i bin da hausmasta und es saugfrasta mochts mi net zum weissn riesn

boi spüln kennts aum parkplotz von mir aus a auf da strossn
nochrenna und fasteckalspüln, mit stana wird net gschossn

bei d' mistkübln do derfts puppnspüln, ihr g'herts jo eh olle aum mist
de bänk san fir de oidn leit und weg mit da kotz do dem biest

de teppichstaungan is ka turngerät von ans bis drei hoits eicha goschn
de weg san net zum radlfohrn, aum suntog gibts ka woschn

in rosn do geht ma kana bestnfois mei eigana bua
de hundstrimmal de ramts schän söwa weg und mochts endlich de haustür zua

an eigenen spülplotz woits es hobn a saundgruam und a rutschn
warum gehts denn net in park durt kennts schaukln und a hutschn

hobts denn ka fantasie spülts eich so wia i
mi gspült ob ois a kind mit mein zechnkas und mit mein eignen grind

i bin da hausmasta und es saugfrasta schleichts eich aus da wiesn
i bin da hausmasta und es saugfrasta mochts mi net zum weissn riesn

Die These, von der ich eingangs sprach, befindet auch, dass diese Destabilisierung der Grassroots-Kommunikation in Gemeindebau und größeren, von Hausmeistern auf die eine oder andere Art (im Guten wie im Bösen) zusammengehaltenen Wohneinheiten dazu geführt hat, dass es eine halbwegs sinnvolle Alltags-Debatte über Integration noch wesentlich schwerer hat.

Denn es ist allemal besser, wenn im tagtäglichen Umgang auf das Tiefste über laute "Tschuschn-Buam", böse "Türken-Gfraster" oder sonstige Stereotype verhandelt wird und man das bei einem (im besten Fall eben) integrativen Hausmeister abladen kann, als dass (wie an den vielen Brennpunkten, die durch anonymisierte bessere Reinigungs-Dienste alleingelassen werden) genau nichts passiert.

Friedensrichter, Unterhändler, Integrierer

Die Absicht hinter dem 2000er-Gesetz, das die Hausbesorger in einem knappem Jahrzehnt halbierte, wiewohl sie sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch gebraucht worden wären, wurde wie gesagt von einem wertkonservativen Ideengeber unterstellt.
Das ist deswegen interessant, weil es tatsächlich oft die bürgerlichen Denker sind, die sich auch Dinge durchüberlegen, die eigentlich ursächliche Aufgabe eines sozialdemokratischen Think-Tanks wären.

Warum es von SP-Seite jetzt fast neun Jahre lang keinen Aufschrei (oder gar aktive Wehrhaftigkeit) gab um das Versickern des Hausmeistertums zu verhindern, kann also nur bedeuten, dass man sich dort der Wichtigkeit dieser Basis-Einrichtung nicht bewusst war. Womöglich hat die Sozialdemokratie den Hausmeister an sich tatsächlich nur als den Parteikassier betrachtet, der herumläuft, um die Beiträge zu kassieren und Marken zu picken: das allerdings ist ein beschämend primitive Sicht auf die Wichtig/Wertigkeit eines Berufsstandes, der im allerbesten Fall der eines inoffiziellen Friedensrichters, Unterhändlers und Go-Betweens zwischen Bürgern und politischer Kaste darstellen könnte.

Von den intergrativen Möglichkeiten gar nicht erst zu reden. Natürlich kann ein türkisch- oder serbokroatisch sprechender Hausbesorger der zweiten Generation unendlich viel Konlfikt-Potential abfangen.

Jetzt also, viel zu spät, wird am Modell "Hausmeister neu" gearbeitet. Auch auf Druck der Basis: Bei einer Umfrage sprachen sich drei Viertel der Gemeindemieter für die flächendeckende Wiedereinführung des Hausbesorgers aus. Es handelt sich also weniger um eine sozialromantische Aktion (auch wenn man sich da gleich etwas wie einen Mediator vorstellt): Der direkte Ansprechpartner ist gerade in Zeiten der virtuellen Disloziierung wichtig. Auch wenn es weiter eher darum gehen wird, kleine Reperaturen schnell zu erledigen, Pflaster bereithalten und über den aktuellen Tratsch im Bau Bescheid zu wissen. Alles immens wichtig, um dem alten Blockwarte-Trauma zu entkommen.