Erstellt am: 24. 2. 2009 - 20:00 Uhr
Ein Plädoyer für die Postkarte

Jo Taylor
In einer Gegenwart, in der viel zu viele kleine Schisser meinen, sie müssten Belanglosigkeiten twittern, in der Einladungen gern nur mehr explizit auf Facebook ausgesprochen werden und selbst Urlaubsgrüße via Massenmail aus dem Spamordner gefischt werden müssen, in einer derartigen Gegenwart bin ich wohl nicht so ganz vorne mit dabei wenn ich folgendes bekenne: Ich mag Ansichtskarten.
Die gute alte Ansichtskarte – ich nenn sie der Einfachheit halber Postkarte, wenngleich mir der Unterschied durchaus bewusst ist - die gute alte Postkarte also, der ehrliche Freund unter den Kommunikationsmitteln. Persönlich, direkt, ohne eine Antwort zu fordern.
Im Idealfall schickt man eine Postkarte, weil man an jemanden denkt. Nicht nur einmal kurz, sondern durchaus mehrfach, immerhin üblicherweise für die Dauer einer Motivauswahl, eines Kartenkaufs, einer Adressierung, einer Beschriftung, eines Briefmarkenerwerbs und des Auffindens eines Postkastens.
Aus Erfahrung wissen wir alle, dass jede dieser banal klingenden Komponenten das abrupte Ende einer Postkartenverschickung bedeuten kann.

Yorgo Tloupas
Schwierige Fragen gilt es zu beantworten die bei einem SMS, einem E-Mail oder einer E-Card nicht mal angedacht werden müssen: Soll man die Karte in ein Kuvert stecken - was einerseits das Briefgeheimnis wieder hochleben lässt, noch mehr Platz für die Nachricht bietet und auch den Überraschungseffekt steigert. Oder soll eine Karte vom Leben geprägt sein? Mit Eselsohren, Kaffeetassenspuren und dreierlei verschiedenen Stiftfarben?
Zu all dem kann noch die unheilschwangerste Komponente hinzukommen – der Mut, die Karte einzuwerfen.

FL@33
Das Motiv
Auf das Motiv als solches möchte ich nicht näher eingehen. Geschmäcker sind verschieden. Humor ist es auch.
Manche Motive erklären sich von selbst, jede Textzeile wird überflüssig, andere sorgen selbst im Nachhinein lange für Erklärungsbedarf.

johnson banks
Das Buch

FL@33
Für Leute, die sich gern mit besonders interessant gestalteten Postkarten umgeben, bietet das Buch "Postcards" von Fl@t33 eine prächtige Sammlung von gegenwärtigem Postkartendesign. Das ausgewählte Ergebnis eines Aufrufs der beiden Designer Agathe Jacquillat und Tomi Vollauschek ist ein aufwendig gemachtes Buch mit 20 beigelegten Postkarten, die entweder erstmals veröffentlicht oder eigens für dieses Buch gestaltet worden sind.
Postkarten, wie man sie in Museumsshops findet. Mit dem informativen Zusatz zu den Gestaltern, Links zu ihren Büros und kurzen Erklärungen zu den Motiven.
Über 800 Postkarten von über 100 Künstlern, Grafikern, Illustratoren, Fotografen, Designern und Designteams zeigen wie vielfältig das kleine A6 Format verwendet werden kann. Weniger Landschaftsmotive als vielmehr Illustrationen, Collagen, Siebdrucke. Basteleien mit Sand oder Holz, Postkarten, die man essen oder in die Erde einpflanzen kann .
Außerdem Serien, die als Ganzes einen völlig neuen Sinn erhalten. Die Summe ist bekanntlich mehr als ... eh schon wissen.
Und auch links zu einigen laufenden Postkartenaktionen: Etwa PostSecret, bei dem der Künstler aus den USA 3000 an sich adressierte Postkarten an öffentlichen Plätzen verteilt hat und darum bat, man möge ihm die bestgehüteten Geheimnisse schreiben. Was da alles an Anworten zurückgekommen ist, will man gar nicht so genau wissen: "I steal from every doctors visit I go to." oder "I leave poetry in liberary books." Mittlerweile sind aus diesen Geheimnissen vier Bücher entstanden.
"Postcard" ist ein laufendes Projekt, man kann also nach wie vor Postkartenentwürfe einsenden.
In diesem Sinne - gehet hin und versendet Postkarten.