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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

22. 2. 2009 - 23:27

Fußball-Journal '09-10.

Über Rasenheizungen und Ausbildungs-Vereine. Anmerkungen zur ersten Bundesliga-Runde nach der Winterpause.

Jedes Jahr wehklagen Österreichs Fußball-Verantwortliche unter Zurschaustellung ihres glaubwürdigsten "überraschten Gesichts" die Existenz des Winters, der (wahlweise in November, Dezember, Februar oder März) die Gottgegebenheit der Durchführung ihres Sports (gibt der Herr ein Graserl...) so gemein unterläuft.

Die diesjährige Debatte fällt anlässlich des Saisonstarts ein wenig härter aus, und zwar deshalb, weil sich einige der Liga-Vertreter mit einer teuren Rasenheizung und einer entsprechenden Stadion-Infrastruktur gerüstet haben und deshalb die anderen, die da nichts unternommen haben, öffentlich eintunken.

Die Bundeliga selber hat ihre papiertigerhafte Lächerlichkeit selten deutlicher zur Schau gestellt: Natürlich gibt es entsprechende Bestimmungen zum Thema Wintersicherheit. Es handelt sich da teilweise auch um eine mit der Lizenz verbundene Verpflichtung. Allerdings gibts (wie bei allen kritischen Punkten innerhalb der Liga) allzuviele Schlupflöcher, die aus Bestimmungen wieder nur bessere Empfehlungen machen. Und die Winterfestigkeit, die Rasenheizung, wird dann schnell wieder nur eine Soll-Bestimmung. Außerdem fehlt jede Chance auf eine Konsequenz - Lizenz-Auflagen oder gar ein Lizenz-Entzug sind in der schwammig hinkonzipierten Fußball-Bananenrepublik Österreich kein Thema. Denn da geht die sanfte Amigo-Prasix immer vor.

Die Liga als Papiertiger der Soll-Bestimmungen

Deshalb wird auch hier wieder weitergewurstelt werden. Zutiefst unzureichend strukturierte Vereine wie Austria Kärnten dürfen ungestraft das x-te Spiel absagen, ohne zur Verantwortung gezogen zu werden. Und alteingesessene Drüberfahrer wie die Austria Wien dürfen Spiele einfach so absagen, anstatt ihr problemlos bespielbares Ausweichstadion (das große im Prater) auch nur andenken zu müssen.

Man macht weiter was man will, ohne auch nur im entferntesten an internationale Standards anzudocken und wundert sich dann drüber, dass man in diesen (den infrastrukturellen) und anderen Bereichen so massiv zurückfällt. Und eine Alibi-Liga-Vertretung nickt alles ab, weil sie keinerlei Kontrolle über die Lage hat.

Nächsten Winter, wenn man wieder gezwungen wird, einige dieser viel zu vielen 36 Runden unterzubringen, wird man sich dann wieder gegenseitig anjammern, dass das Wetter so ist wie es ist - ohne in der Zwischenzeit etwas bewegt zu haben. Wozu auch, wenn es keine echte Sanktionierung gibt?

Das Traurige am heimischen Kick

sind nämlich nicht die vielen Fehler, sondern nicht existenten Folgen, die inkompetente Inkonsequenz der Verantwortlichen.

Ein kleines Beispiel für die Zukunft: als es beim "Retortenverein" (Zitat Schinkels) Austria Kärnten zum ersten personellen Umbau kam, verzichtete der bekennend fußballferne Präsident Canori bewusst auf einen Sportdirektor. Das sei überflüssig und vom Trainer mitzuerledigen.
Dieser Tage, wo der Verein auch aufgrund der Schuld von Canori im finanziellen und politischen Schlingerkurs angekommen ist, und der Präsident wegen seines FP-Wahlkampfs gerade gar nichts tut, ist es nicht Vizepräsident Petritz (Haider Ex-Pressesprecher), sondern der "überflüssige Sportdirektor", der die Gespräche mit der lokalen Politik führen muss. Das ist dann der arme Schinkels, der diesen Job mitmachen muss. Den Trainer Schinkels gab es heuer noch nicht so recht (weshalb seine Truppe auch nicht sonderlich rund läuft).

Es wird aber auch in Zukunft, das wette ich hier, wenig kompetente Funktionäre geben, die vollmundig verkünden, auf einen Sportdirektor verzichten zu können - weil das im Bierzelt, wo man die Seligkeit der 50er abfeiert, gerne hört. Weil man aus fatalen Fehlern nichts lernt.

PS: dass Schinkels Ankündung einer Haftung des Landes ein paar Tage vor den Wahlen sehr viel wert sind, glauben derzeit nur große Optimisten.

Die Sache mit dem Ausbildungs-Verein

Rapid, so sagte Sportdirektor Hörttnagl heute, sei ein Ausbildungsverein, aber dann doch wieder kein Ausbildungsverein. Und dazu bekenne man sich.
Der Eiertanz war erforderlich, weil sein Trainer Pacult meinte, sich in Sachen Vereins-Philosophie öffentlich melden zu müssen (was in etwa so sinnvoll ist, wie wenn sich der Tafelordner zu strategischen Fragen der Schulleitung äußert).

Rapid, sagt also Pacult, neuerdings Visionär, sei kein Ausbildungsverein, weil man ja um die Meisterschaft mitspielen müsse.
Nun, dass das in Ausbildungsligen keinen Widerspruch darstellt, ist ihm entgangen - trotzdem hat Pacult unabsichtlich recht: Rapid ist keineswegs ein Ausbildungsverein. Man hat in den letzen vier Jahren ganze drei herangebildete Spieler gewinnbringend verkauft (Ivanschitz, Garics, Korkmaz) - das ist lächerlich. Man bildet nicht heran um dann zu verkaufen, sondern wurschelt herum - und muss weiter einkaufen.

Das man sich von Vereinsseite zu dieser Philosophie durchringt (auch weil man im Nachwuchs aktuell gar viele Rohdiamanten schlummern sieht) ist löblich - als Lippenbekenntnis reicht es natürlich nicht. Und: solange man mit einem Coaching-Team, das es nicht wirklich kapiert, reingeht, wird es nichts werden.

Am Beispiel Salzburg vs. Rapid

Rapids Taktiker zeigten sich ja auch im heutigen Spitzenspiel gegen Salzburg total überfordert: Pacult schickte die defensivere der zwei Variationen die er hat/kennt aufs Feld, mit einem Debütanten hinter dem heute sowohl rechts (wie immer) als auch zentral unsichtbaren Steffen Hofmann. Dass die starke Salzburger linke Seite (Ulmer, Jezek) da drüberrollte wie nichts - klare Sache. Dass Salzburg seinerseits die rechte Seite viel zu offen aufgestellt hatte (Bodnar praktisch druchgehend offensiv, Zickler als defacto 2. Spitze) wurde weder erkannt noch genützt - denn sowas wie eine Reaktion, eine taktische Variation je nach Spielverlauf hat Rapid einfach nicht drauf. Deshalb setzt sich eine durchaus anfällige Salzburger Mannschaft dann auch durch.

Da, wo etwa Schinkels mit jedem Wechsel auch gleich sein System umstellt (dazu brauchts allerdings strategische Intelligenz und entsprechende Spielerführung), wechselt Pacult zwischen seinen Variante A und B. Mal so, mal so. So durchsichtig wie nur was.

Zuwenig.

Dass man mit derartigen Simplizissimen durchkommt, liegt auch an der Dürftigkeit der heimischen Medien-Rezeption, im rein affirmativen Reagieren der für die Publikums-Bildung zuständigen Berichterstatter. Da hält der Krone-Experte Manuel Weber für einen Innenverteidiger, da klammern sich die Premiere-Moderatoren mittels (sinnloser) Statistik am Satz "mit Kovac noch kein Spiel verloren" fest, und da erklären vorgebliche Spiel-Analytiker, dass Gludowatz' 3-3-3-1 defensiv sei, während Gregoritschs 4-3-3 offensiv wäre und fallen damit auf Zahlen rein, wo Analyse-Fähigkeit nötig wäre.

Denn während bei Kapfenberg verordnet wird, dass nie mehr als drei Angreifer gleichzeitig vorpreschen, gehen bei Ried gerne 4 bis 6 Leute in die Offensive - und daran misst man den Offensiv-Druck den ein Team entwickelt.

Dass das Niveau (vor allem technisch und spielerisch, aber vor allem taktisch) auch nach der Winterpause ausgesprochen bescheiden ist, daran sind nicht nur die teilweise verheerenden Platz-Verhältnisse der offiziell "winterfesten" Fußballfelder der obersten Spielklasse schuld, sondern auch die die Liga beherrschende großteils fortbildungsresistente Trainer-Kaste.

Und natürlich auch die Spieler, die mit jedem Spieltag, den sie in der Bundesliga verbringen, schlechter werden. Wer die Duelle Aufhauser-Maierhofer mitangesehen hat, der wird bekennen müssen, dass das für keine seriöse 2. Liga der Welt reichen würde. Diese Spieler, die hierzulande schon als Edelkicker gelten, sind nicht mehr auszubilden, die haben ihre zahlreichen Fehler schon zusehr verinnerlicht.

In dieser Ausbildungs-Liga,

die diese ihre Rolle verleugnet, müssen die guten Kicker mit allerspätestens 20, 21 raus, und dürfen erst als Ü30 wieder zurück. Alle anderen und die mittelmäßigen Legionäre haben in einer Meisterschaft ohne Substanz und Sinn nur die Aufgabe diese jungen Talente zu stützen und zu führen.

Und das war in dieser lächerlichen Rumpfrunde wieder nur in Ansätzen (3 bei Rapid, 2 bei Schinkels, 3 beim armen Lederer) zu spüren.
Alles andere war (wie auch bisher) völlig bedeutungslos.