Erstellt am: 20. 2. 2009 - 21:28 Uhr
Oscaramba!
In der Nacht von Sonntag auf Montag, wenn die 81. Oscar-Verleihung auf dem Programm steht und ich hier den Glamourrausch und die Preisverleihung mit den Fingern an der Tastatur begleiten werde (Treffpunkt hier, 1 Uhr!), werden nicht nur Preise vergeben, sondern auch Kämpfe ausgefochten. Wird Superheld Jack-Man als Host der Erretter der miesen Quoten sein? Hat die Kampagne gegen "The Reader" funktioniert? Wer passt auf M.I.As Baby auf? Kann Heath Ledgers Tochter die Oscar-Gewinnübernahme unterzeichnen? Hier die interessantesten Begegnungen im Detail:
Hugh Jackman gegen die schlechten Quoten
CentFox
Als die Academy Awards 2007 vergeben wurden, fuhr
die Fernsehübertragung der Preisverleihung die schlechtesten Zuseherzahlen aller Zeiten ein. Trotz Jon Stewart als Gastgeber und trotz herausragender, nominierter Filme ("There Will Be Blood", "No Country for Old Men"), die nominiert waren. Diese herausragenden Filme waren nur einspieltechnisch alles andere als Blockbuster und damit die TV-Quoten bei den Oscar-Verleihung stimmen, müssen unter den nominierten Filmen Straßenfeger wie "Titanic" sein. Warum man ausgerechnet Hugh Jackman dazu auserkoren hat, quotenbringender Moderator der diesjährigen Verleihung zu sein, weiß ich nicht, aber, dass Jackman bei Ricky Gervais angerufen hat zum Witze-Brainstormen lässt Hoffnung aufblitzen. Ich will trotzdem Ellen zurück.
"Slumdog Millionaire" gegen den Backlash
Filmladen
Wer in den letzten Monaten die amerikanische Filmberichterstattung beobachtet hat, konnte den anfänglichen Festivalwirbel um "Slumdog Millionaire" miterleben; ein Film für den Regisseur Danny Boyle zunächst nur mühsam Geld auftreiben konnte und der dann fast das Direkt-auf-DVD-Schicksal erfahren hätte, wurde zum geherzten Liebkind. Bis der Backlash einsetzte. Während momentan in den imdb-Foren verschreckte User ihre Angst vor Indien in Worte fassen, warf auch die Kritik Boyle vermehrt ein falsches Indien-Bild vor, in der "Times" fiel sogar die Bezeichnung "poverty porn". Golden Globes gab es trotzdem, das ist wiederum oscarorakeltechnisch nicht irrelevant; meine gehaltenen Daumen gelten aber Gus van Sants "Milk".
Kate Winslet gegen die Anti-The-Reader-Kampagne
Senator
Bei "The Reader" gab es eine regelrechte Anti-Oscar-Kampagne. Stephen Daldrys Verfilmung von Bernharnd Schlinks Bestseller schielt mit Thema, Machart und penetranter Filmmusik, die einem beständig eingeigt, wie man sich zu fühlen hat, ordentlich in Richtung Oscars. Obwohl sich alle einig sind, dass Kate Winslet mit ihrer Mimik allein mehr kann als andere Schauspieler, wenn ihnen zwei Körper zur Verfügung stehen würden, stößt es zahlreichen Kritikern sauer auf, dass die ewig Nominierte und dann Verschmähte nun für einen Film den Preis entgegenehmen wird, der von der gewohnten Nazi-Charakterisierung in Filmen abweicht. Mark Weitzman vom New Yorker Simon Wiesenthal Center spricht in Zusammenhang mit "The Reader" sogar von "Holocaust revisionism". Rund um "The Reader" und sein Abweichen von bisherigen Darstellungs-Schemata, rund um die Figur der Hannah Schmitz, die angebetete Geliebte, mit der man Fahrrad-Landpartien macht und die KZ-Aufseherin ist, sind Diskussionen entbrannt, die weitaus interessanter sind als "The Reader" selbst.
Penn gegen Rourke
Constantin
Hier wird's spannend. Und eng. Da ist auf der einen Seite Sean Penn, Schauspieler und Regisseur, bereits für "Mystic River" mit dem Oscar ausgezeichnet, einer der vom Tinseltown-Glamour nichts wissen will. Einer, vor dem sich die Academy auch ein wenig fürchtet, ich gehe davon aus, dass das Orchester strenge Anweisungen hat, im Falle eines Penn-Gewinns ganz genau aufzupassen, was er sagt und im Ernstfall loszugeigen. Penn ist in Gus van Sants "Milk" als Harvey Milk so fantastisch, dass man sofort in den Zeitreise-Delorean steigen möchte, um seinem Wahlkampfteam anzugehören.
Andererseits ist da der Rourke-Mickey, der Mann, der früher die fetten Haare salonfähig gemacht hat und sich im Ring, durchs Leben und Erotik-Thriller boxte. Für "Sin City" holt ihn Robert Rodriguez auf die Leinwand zurück, doch das beeindruckendste Comeback eines Mannes, den man schon abgeschrieben hatte, ist Aronofskys "The Wrestler", das für Rourke das werden könnte, was für Travolta "Pulp Fiction" war. Ein Comeback. Ein Respekt/Coolheits-Bonus. Rourkes Geschichte allein ist eine, wie sie Hollywood gern auf die Leinwand pinselt, hinzu kommt der Golden Globe und in meinem Falle die Neugier, wie die Oscarrede des wie ein ramponierter Phoenix aus der Asche auferstandenen Mickey Rourkes aussehen würde.
Alle gegen Ledger gegen Academy-Bürokratie
Warner Bros
Die Nominierten in der Kategorie "Bester Nebendarsteller" können, glaubt man der Presse und dem Kaffeesatz eigentlich getrost zuhause bleiben oder hässliche Socken anziehen. Es wird niemand sehen, denn gegen den verstorbenen Heath Ledger, nominiert für seine Rolle als Joker in "The Dark Knight" wird wohl keiner eine Chance haben. Das stellt die Academy vor das Problem, wer den Oscar dann entgegennimmt; da Ledger und Michelle Williams nicht verheiratet waren, steht der Oscar deren Tochter Matilda zu, die mit ihren drei Jahren aber wohl kaum zur Oscar-Entgegennahme schreiten und die Gewinnervereinbarung unterzeichnen wird. Veraltete Regeln und Bürokratie gilt es noch zu überwinden, wer also die Bühne erklimmt, wenn im Kuvert Heath Ledgers Name zu lesen sein wird, ist ein Rätsel. Ledger wäre nach Peter Finch der zweite Schauspieler, der posthum mit dem Oscar ausgezeichnet wird.
M.I.A gegen die Strapazen einer Geburt
MIA
M.I.A hat für den Soundtrack zu "Slumdog Millionaire" u.a. "O, Saya" beigesteuert und so würde es - erstmals seit langem - wieder zu einer interessanten musikalischen Darbietung bei den Academy Awards kommen können. Ich denke da mit Schauern an die "Enchanted"-Zuckergussopern aus dem letzten Jahr. Nun hat aber M.I.A kurz nach der Grammy-Verleihung ein Kind auf die Welt gebracht, was die Academy nicht davon abhält, sie davon überzeugen zu wollen, aufzutreten. Man sei sogar bereit, ihr ein Bett auf die Bühne zu stellen, von dem aus sie performen soll. Abgesehen von der Bett-Idee, gibt es auch noch Plan B: Das M.I.A-Hologramm.
Ich gegen den Schlaf
Wenn es in der Nacht von Sonntag auf Montag wieder soweit ist, werd ich mir Streichhölzer zwischen die Lider klemmen und hier auf den grauen Seiten von der 81. Oscar-Verleihung berichten. Ab ca. 1 Uhr. Und ich frage euch, wie letztes Jahr, seid ihr mit mir? Und ich frage euch auch, bin ich die einzige, die glaubt, dass "The Curious Case of Benjamin Button" trotz 13 Nominierungen mit ein paar Technik-Oscars heimgehen muss?