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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

20. 2. 2009 - 19:10

Manische Mannsbilder

Ein paar Worte zu "The Yes-Man" (Der Ja-Sager) und "Taken" (96 Hours).

Jim Carrey hat es in seinem neuen Film wieder einmal nicht leicht. Als Bankbeamter muss er aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage einen Kredit nach dem anderen ablehnen, was ihn immer mehr mitnimmt. Und nach seiner Scheidung droht Carl Allen auch privat zu verzweifeln. Abend für Abend versackt er vor dem Fernseher und verweigert sich sämtlichen Freunden.

Um einer schweren Depression zu entkommen, wagt sich der frustrierte Mittvierziger auf ein Motivationsseminar.

Sag ja zum Leben, predigt dort ein weißhaariger Selbsthilfeguru (köstlich: Terence Stamp), empfange jede, aber auch wirklich jede Situation mit offenen Armen. Tatsächlich nimmt Carl diesen Ratschlag an und sogar wortwörtlich. Er verschenkt sein Geld an Obdachlose, beantwortet dubiose Spammails positiv und verschenkt Kredite. Yes, we can!

Und weil wir uns nicht in der rauen Wirklichkeit, sondern eben in einem Jim-Carrey-Vehikel befinden, verändert sich Carls Existenz durch eine Verkettung bizarrer Umstände wirklich in eine hoffungsvolle Richtung. Plötzlich gibt es auch eine junge und hübsche Frau, die ihn aus der Tristesse herausreißt. Die quirlige Allison (Zooey Deschanel) verkörpert all die Spontaneität, von der Carl früher nur träumen konnte.

Jim Carrey in: "Der Ja-Sager" (The Yes-Man)

Warner Bros

Diskutiert man über Hollywoodstars, an denen sich die Geister scheiden, gibt es immer diesen einen Streifen, in dem die besagte Person plötzlich ihr wahres Talent demonstriert. Tom Cruise als perfider Machismo-Prediger in "Magnolia", das war lange Zeit so ein Paradebeispiel, zuletzt toppte der Oberscientologe mit seinem diabolischen Plattenfirmenboss in "Tropic Thunder" diesen Part noch.

Jim Carrey, mit dessen wild zuckenden Gesichtsmuskeln ich mir immer schwer tat, zeigte vor allem im Meisterwerk "Eternal Sunshine Of The Spotless Mind" (Vergiss mein nicht), dass er viel mehr kann, als nur Grimassen schneiden.

Von diesem Gespür für sensible Rollen flackert in "The Yes-Man" (Der Ja-Sager) durchaus etwas auf, vor allem im ersten Drittel des Films. Aber leider bekommen wir Carrey, den manischen Blödelstar, ebenso ausgiebig zu sehen.

Genau wie der Hauptdarsteller hat auch dieser Film zwei Gesichter. Es gibt Momente, wo "The Yes-Man" beinahe wie eine liebenswürdige Indiekomödie wirkt, was sich fast ausschließlich Frau Deschanel und ihrer charmanten Figur verdankt. Wie diese Allison, die neben unzähligen Lo-Fi-Bohème-Jobs auch noch in einer Electroband singt, sämtliche verschrobenen Alternativklischees repräsentiert, das verrät Einblick und Feingefühl der Filmemacher.

Der Mainstreamhumor schlägt aber unerbittlich zu. Und so bleibt "The Yes-Man" ein unentschlossener Film zwischen feiner Satire und grobem Klamauk. Ich für meinen Teil sage: Jein.

Jim Carrey in: "Der Ja-Sager" (The Yes-Man)

Warner Bros

Noch ein Mann, der es schwer hat. Bryan Mills (Liam Neeson) ist einer jener übervorsichtigen Elternteile, die ihren Sprösslingen am liebsten alles verbieten würden. Vor allem eine Reise nach Paris will der kalifornische Papa seinem 17-jährigen Töchterlein auf gar keinen Fall gestatten. Denn es ist ja schließlich verdammt gefährlich im fernen Europa. Aber das Mädchen fliegt trotzdem, zusammen mit einer Freundin.

Bald werden die schlimmsten Albträume von Mr. Mills wahr: Seine Tochter Kim (Maggie Grace aus der TV-Serie "Lost") wird gleich nach der Ankunft in der französischen Metropole entführt.

96 Stunden bleiben dem Vater, um die Tochter aus der Gewalt eines, ja genau, albanischen Mädchenhändlerrings zu befreien. Da kommt es wie gerufen, dass sich Daddy als ehemaliger CIA-Agent sofort in eine brutale Killermaschine verwandeln kann.

Dass der folgende Amoklauf bei uns als "96 Hours" in die Kinos kommt, passt zur Betitelungspolitik der deutschen Filmverleihfirmen, die bekanntlich manchmal seltsame Blüten treibt. "Taken" heißt die amerikanisch-europäische Koproduktion im Original, hinter der der einschlägige Tschinn-Bumm-Papst Luc Besson steckt.

Liam Neeson in "96 Hours" (Taken)

Centfox

"Taken" macht klar, was sich schon länger ankündigte: Das politisch unkorrekte Actionkino der 80er ist wieder modern. Der zentrale Unterschied ist allerdings, dass statt
grober Klötze wie Arnold Schwarzenegger oder Dolph Lundgren heute renommierte Schauspieler in der Rächerrolle herumballern.

Kevin Bacon und Jodie Foster durften zuletzt bereits als Vigilanten metzeln, jetzt nimmt es Liam Neeson mit der halben Pariser Unterwelt auf.

Dem irischen Leinwandveteranen dabei zuzusehen, wie er mit Handkantenschlägen Knochen bricht, unzählige Hälse umdreht, Gegnern auch schon mal in den Rücken schießt und bei der verzweifelten Suche nach seinem Kind auch unschuldige Beteiligte verletzt ("Ist ja nur eine Fleischwunde"), das hat etwas von einem guilty pleasure.

Denn natürlich ist "Taken" ein reaktionärer, unverantwortlicher Selbstjustizschinken, in dem der Protagonist punkto Mord und Folter sogar den alten TV-Recken Jack Bauer übertreffen will. Aber im Vergleich mit der öden Actionkonkurrenz im Kino - bitte hier alle Filme mit Jason Statham einfügen - gelang dem Franzosen Pierre Morel auch ein okay gespielter, höchst rasant inszenierter und selten langweiliger Film.

Wer ein wenig seine niedrigen Instinkte ausleben will, kann sich ruhig ins Kino wagen.

Liam Neeson in "96 Hours" (Taken)

Centfox