Erstellt am: 17. 2. 2009 - 17:04 Uhr
Journal '09: 17.2.
Unlängst, in der Digital-Bassena Facebook, kam es zu einem kleinen Plausch über Nepotismus in Österreich. Anlass war die wieder einmal fortgesetzt erschreckend schwache Performance einer Medienperson, die aufgrund ihres Namens leicht als Politiker-Kind kenntlich ist.
Dabei ging es gar nicht darum jemandem mit "Namen" prinzipiell das Recht auf Arbeit abzusprechen, sondern um eine (in diesem Fall eben nicht sichtbare) Qualifikation dafür. Der letzte, zynische Satz dieser kleinen Debatte samt (In)fragestellung lautete: "Klar reicht ein Ex-Politiker als Dad!"
Ich denke, dass es in dieser durchaus fortgeschrittenen Behandlung des Themas (vorbei an den banalen Neid&Missgunst-Tälern samt populistischen Instrumentalisieren) nicht um den Fakt des via Familie vorgegebenen Startvorteils an sich ging. Ich kenne niemanden, der Christoph oder Stefan Grissemann vorwerfen würde, dass ihr Vater Radio-Intendant war - ihre deutlich sichtbaren Talente sind jeweils andere, und selbst wenn sie wie Jeff Buckley in den Spuren des Vaters (in dem Fall eben Tim Buckley) gewandert wären: wer gut (oder zumindest diskutabel) ist, kann auch Wolfgang Schüssel jr. oder Snoopy Dichand heißen.
Das Minister-Kind
Es geht nicht um diesen unreflektierten Ur-Neid (der in Österreich deshalb so lodernd flackert, weil eine ganze Generation an Blockwarten sich schon einmal mit Hilfe so einer "Kampagne" recht erfolgreich in arisierte Wohungen einnisten konnte), sondern um das leise, ohnmächtige Schulterzucken, wenn man feststellt, dass eben auch die, die wenig können, die, die wenig gut in dem sind, was sie machen, dann in Positionen geschoben werden, in denen sie als öffentliches Fanal für eine falsch verstandene Vererbungslehre dienen.
Jeder schwache Spross eines wichtigen Namens, der in eine verantwortliche oder sichtbare Position reingeschoben wird, und sie nicht gut/zu schwach ausfüllt, drin vielleicht sogar bemitleidenswert hilflos agiert, richtet verheerenden Schaden an.
Jede dieser gutgemeinten, aber eben nicht durchdachten Taten, schwächt das demokratiepolitische Immunsystem dieses Landes.
Der Pisten-Rowdy
In diesem Zusammenhang ist die gestern verbreitete (und nicht sehr tief im medial derzeit an ganz anderen Stellen emotional aufgeladenen öffentlichen Diskurs eingedrungene) neueste Nachricht zum Skiunfall des Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus zu sehen.
Denn da ist jetzt durchaus überraschend davon die Rede, dass es bei diesem Unfall mit Todesfolge nicht einmal eine Einvernahme des Crash-Piloten Althaus geben wird. Obwohl die Gutachter ihn als Auslöser sehen, der mit 40 km/h die 10km/h schnelle, ausweichtechnisch chancenlose Slowakin niedermähte und tötete, reicht eine schriftliche Stellungnahme des Polit-Promis. Außerdem wird Althaus wohl nur wegen "fahrlässiger Tötung" verhandelt - während andere Skiunfälle mit weit weniger eindeutigen Hergängen unter "fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen" angegangen werden.
Dass Althaus perfekt organisierte Abschirmung gegenüber den Medien alles, was Offizielle in Fällen, in denen es wesentlich wichtiger wäre, nur schlecht oder halbherzig schaffen (siehe Kampusch/Fritzl, wo Verantwortliche es sind, die Infos/Fotos kassibern/zuliefern), verspottet, sei nur am Rande erwähnt.
Die populistische Instrumentalisierung
Auch hier geht es nicht darum, populistischen Trotteln das Wort zu reden, die derelei zu politischer Justiz aufblähen würden - natürlich bewegt sich die Interpretation auch hier in vertretbarem Rahmen.
Auch hier ist die Unverhältnismäßigkeit der zentrale Punkt, die Sonderbehandlung, die man nur mit seufzendem Achselzucken zur Kenntnis nimmt. Diese Geschichte hier zitiert den Fall eines 16jährigen, der für einen vergleichsweise unvermeidlicheren Unfall ordentlich eingetunkt wurde - und das ist es, was Menschen zurecht verzweifelt macht.
Denn von Wut ist nach solchen Schandbarkeiten nicht die Rede.
Nicht in Österreich.
Wut ist eine französische oder griechische Kategorie, in die die, die es aufgegeben haben, sich wegen der Ungleichbehandlung seitens der Mächtigen wirklich sich wirklich zu erregen, keinen emotionlen Einblick mehr haben.
In einer widerständisch sozialisierten Gesellschaft wie der griechischen entlädt sich der Widerstand gegen übergoßen Nepotismus in einem regelrechten Aufstand - in einer Untertanen-Gesellschaft wie der österreichischen delegiert man bloß sein Stimme; und zwar an die, die da am lautesten Skandal!! brüllen.
...und die fehlende Wehrhaftigkeit dagegen
Dass die mit diesem Mandat nichts unternehmen, außer sich dann, wenn sie in der Position dazu sind, in vergleichbaren Fällen ebenso machtträchtig zu verhalten, interessiert dann nicht mehr so. Dass dieselben Figuren, die beim einen Pistenrowdy Skandal schreien, den Alko-Todeslenker zum Helden erheben, geht in der delirierenenden Logik eines in sich undemokratischen Polit-Gebahrens unter.
Dass sich die Mächtigen, die hier Druck gemacht haben (und da ist es ganz egal, ob sich die CDU da an die Parteifreunde der ÖVP oder an die Koalitions-Regierung oder an die SP-geführte steirische Landesregierung oder sonstwen gewandt hat. Der politische Druck, der zu der Verminderung des Delikts und den anderen Sonderbehandlungen geführt hat, ist eine unwiderlegbare Tatsache.
Und das ist es, was hängenbleibt: ein weiterer Mosaikstein im demokratiepolitischen Frust-Spektakel, das zu einer massiven Destabilisierung führt.
Und dann ist es auch egal, welche dieser Mosaik-Teile man als Individuum näher an sich ranläßt - die Politiker-Kinder, den Pistenrowdy-MP, die Republik der Neffen ... - sie alle bleiben solange ein Dauerreminder an diese Sache, die uns nur ohnmächtig schulterzucken lässt, solange es die oberste politische Kaste des Landes nicht anders vorlebt.
Glaubwürdig vorlebt.
Und manchmal bewegt sich ja was: Anfang März entschied sich die Anklage für "Manslaughter". Info dazu hier.
Ansonsten wird Tag für Tag entscheidender demokratiepolitischer Kredit verspielt, der den Korrosions-Prozess dieser 2. Republik noch aufhalten könnte.