Erstellt am: 15. 2. 2009 - 18:22 Uhr
Fußball-Journal '09-9.
Ich halte Karel Brückner nicht für einen Fußball-Gott; nicht einmal für einen Weisen (der er aufgrund seines Alters eigentlich sein könnte). Er schafft es zb nicht, seine Geschichten so zu kommunizieren wie das Sotigui Kouyate, Hauptdarsteller in London River, bei seiner Bären-Dankesrede zustandebrachte - dessen Weisheiten waren auch nicht die tollsten, aber sie waren gut erzählt.
Die Brückner nachgeweinten Tränen halten sich auch bei mir in Grenzen - zuviel des Negativen bei den 50/50-Erwartungen der allerersten Einschätzung ist eingetreten.
Das Problem rund um das Brückner-Bashing, das ein neuer (und wieder: schwacher) ÖFB-Präsident nach seiner Amteinführung Ende Februar in eine Trennung überführen wird, ist nicht der Akt an sich oder die Kritik am alten Tschechen.
Das Problem stellt die aus dieser Trennung resultierende Rechtfertigung der Nachfolge/r dar.
Die tragische Automatik um Andi Herzog
Denn der darf (mit Andi Herzog) wieder einer sein, der selbst im nationalen Umfeld keinerlei Erfolge aufweisen kann (wie damals Hans Krankl, der womöglich schlechteste Teamtrainer aller Zeiten).
Vielleicht wird Herzog der beste Coach der Welt.
Aber das ist nicht der Punkt - die Philosophie der Bestellung, die da wieder einsetzende österreichische Automatik ist der Kardinalfehler.
Die Milchmädchen-Rechnung von ÖFB und der (in übergroßen Teilen entsetzlich unreflektierten) Öffentlichkeit lautet so: der Star ausm Ausland hats nicht geschafft, also nehmen wird wieder einem Buam aus dem eigenen Haus. Schlechter kanns ja nicht werden.
Natürlich kann es schlechter werden.
Und natürlich wird es dann schlechter werden, wenn ein völlig unerfahrener Coach wie Herzog (der bislang Spieler, ein besserer Pressesprecher und ein paar Monate Co-Trainer war und keinerlei Erfahrung mit der Alleinverantwortung, dem wichtigsten Gut eines erfolgreichen Trainers, hat) zum Spielball von ÖFB-Einflüssen, Liga-Begehrlichkeiten, Haberer-Seilschaften und der Campaigne-Medien wird. Die werden ihn a la Hicke mit der üblichen "Glaubst nicht auch Andi, dass..."-Masche packen; und über den Tisch ziehen.
Die 4 bösartigen Kräfte
Denn diese vier angesprochenen Zentrifugal-Kräfte, die den heimischen Kick dominieren (und gleichzeitig versauen), arbeiten natürlich viel lieber mit einer manipulierbaren Bauchredner-Puppe. Und selbst wenn Andi Herzog sich dem entziehen will - er wird dafür Monate, wenn nicht Jahre brauchen.
Und bis dahin dümpeln der ÖFB und das Nationalteam strukturell wieder in alten Baric/Krankl-Untiefen.
Brückner ist mitschuld an der Lage.
Er hat zuvieles zu lange nicht erkannt, oder nicht zur Kenntnis genommen oder nicht drauf reagiert (eine multiple choice-Aufgabe mit einer richtigen Lösung, die ich nicht kenne). Er hat sich einer im jeder Hinsicht rückständigen Fußball-Kultur (der österreichischen) angenähert als wäre sie auf einem höheren Level.
Er hat quasi Englisch für Fortgeschrittene gelehrt, obwohl der heimische Fußball noch den Austrofred brauchen würde, weil seine Kenntnisse etwa auf Lugner-Niveau sind.
Er hat das, was weltweiter Standard ist (Systemverständnis, Taktik-Kenntnisse, Akzeptanz von Trainungslehren) vorausgesetzt und viel zu spät erkannt, dass er es mit diesbezüglich Illiteraten zu tun hat - und zwar nicht nur unter den Spielern, sondern auch im Fall von Publikum und Szene, also auch der direkten Trainer-Konkurrenz.
Dass man hierzulande keinen Gesprächspartner hat, wenn es um eine Spiel-Philosophie geht, sondern als depperter, womöglich schwuler oder sonstwie g'spritzter Intellektueller angesehen wird, wenn man mehr als nur ein "Gehtsaußeunspüütseichaspüü!" verlangt oder über Resultats-Fetischismus hinaus nachhaltig denken&handeln will, das war dem szenefremden Brückner unbekannt.
Wahrscheinlich kann er es immer noch nicht wirklich glauben.
Die Retourkutsche der Illiteraten
Dafür schlagen die philosophischen Analphabeten, die seit geraumer Zeit Oberwasser haben, umso härter zurück - unterstützt von denjenigen Medien, die sie dann mit "Experten"-Verträgen ausrüsten.
Es wird nämlich nicht über die Substanz diskutiert. Angesichts Brückners Fixierung auf ein tieferstehendes 4-2-3-1 kann man jede Menge Fragen stellen und hochunterschiedlicher Meinung sein (die Foren zu den diversen Journalen seit Brückners Amtsantritt sind voll davon) - ebenso wie über vieles anderes, was er richtig, nicht richtig, gut, weniger gut oder sonstwie gemacht hat.
Bloß: das passiert nicht.
Auf einer unterschwellig xenophoben Welle rollt eine "Wos brauch ma wen von außen?"-Kampagne, die den völlig zurecht seit Jahren am Boden liegenden Selbstwert der heimischen Cracks steigern möchte. Absurderweise wird mit dieser weltfremdelnden Abschottung natürlich das Gegenteil erreicht. Auf Brückner, der zumindest wissen könnte, was nötig ist um eine Fußball-Kultur und eine Spiel-Philosophie aufzubauen (selbst wenn die Infrastruktur nach der Euro wieder zurückgefahren wird) werden Leute folgen, die davon noch nie etwas gehört oder es gleich wieder verlernt haben - weil sie die sumpfige heimische Unkultur (die unter der schon einmal beschriebenen Miefwolke liegt) sofort vereinnahmt.
Nicht Andi Herzog
ist der oder das Böse - er ist nur das Opfer. Auch die Hanskrankls dieser Szene sind nur Mittel zum Zweck. Wenn man sie irgendwas von Tiefpunkt faseln lässt ohne auch nur in einem Halbsatz argumentativ oder analytisch werden zu lassen, dann ist klar woher der Wind weht.
Wenn einer der erfahrungs- und erfolglosesten Trainer der Liga, der politisch und klüngeltechnisch extrem gewandte Klaus Lindenberger sich etwa drüber beschwert, dass das Nationalteam ein anderes System spielt, als die Mannschaften in der Liga, spätestens dann sollte alles klar sein.
Da verlangen also Lahme, dass sich die gerade noch aus Kickern mit zwei gesunden Beinen bestehende Auswahl-Mannschaft des Landes an ihren einbeinig-hinterwäldlerischen Nicht-Maßnahmen (die sie seit Jahren ins internationale Hintertreffen führen) ein Beispiel nehmen sollen.
Da wollen Blinde die Tatsache, dass die ÖFB-Auswahl auch letzten Mittwoch zurecht mit neun Legionären begonnen hat, die dieser taubnussigen Liga glücklicherweise entwachsen sind, wegdenken und lahmarschige, an den 80ern orientierten Ideen, die die meisten heimischen Coaches erschreckenderweise für zeitgemäß halten, einfordern.
Das nach Brückner lauernde Grauen sind nicht eventuell in die Aufgabe reinwachsende Hoffnungsträger wie der wahrscheinlich damit überforderte Andi Herzog, sondern die in einem reaktionär organisiertem Land und einer ebenso rückwärtsorientierten Fachschaft versammelten Fädenzieher, denen kurzfristige persönliche Interessen wichtiger sind als mittel- und langfristiger nachhaltiger Aufbau, der ein Fundament dafür legt, dass dieser Sport die nächsten Jahrzehnte prosperiert.
Diese Figuren (und das sind eine klare Mehrheit, leider...) werden den (von ÖFB-Seite eh immer nur) halbherzigen (und wegen Brückners Fehlern nicht wirklich gelungenen) Versuch Österreichs Fußball an die Neuzeit anzudocken nicht in einen neuen, besseren und mutigeren Versuch in der Gegenwart anzukommen, ummünzen, sondern streben den Rückstoß in die Herrenbauern-Seligkeit an.
Samt entsprechendem Theater.
Mir graust jetzt schon.