Erstellt am: 14. 2. 2009 - 18:10 Uhr
Journal '09: 14.2.
Wenn man die in Österreich aufgrund der immer noch geburtenschwachen Jahrgänge nicht derart ins Gewicht fallenden Mall-Rats jetzt einmal außer acht läßt, dann sind es Menschen wie ich, die den Kino-Markt dieses Landes repräsentieren.
Das sind Leute aus dem eher urbanen Raum, die keinen prototypischen 9to5-Rythmus samt Ermüdungs-Abend daheim haben, sondern auch einmal unter der Woche ausgehen, Menschen mit Kultur-Interesse im weiteren Sinn. Und dazu gehört eben auch der halbwegs regelmäßige Kino-Besuch: auch als sozialer Akt um vielleicht davor/danach Menschen zu treffen, Austausch, was-trinken-gehn etc.
Warum man (sofern man kein Filmkritiker mit Vorabwissen etc ist) dann die wirklich interessanten Filme immer verpaßt, sich mit einem "Ah verdammt, wie konnte das passieren?" schützt und sie später vielleicht im TV oder via DVD sieht, kann vielfältige Ursachen haben.
Die Ausreden-Kultur ist da eine dichte.
Und warum österreichische Filme in Österreich da immer die ersten Streichresultate darstellen, folgt auch einer gewissen (unseligen) Logik.
Das nur, weil ich mich gestern abend im Gartenbau-Kino bei der Viel-Glück-in-Hollywood!-Vorführung von Götz Spielmanns Revanche gefragt habe, warum ich diesen Film erst jetzt sehe. Und mir eingefallen ist, dass es bei Anatares, den ich unbedingt im Kino sehen wollte, auch schon so war. Weil ich also mit- wenn nicht hauptschuld dran bin, dass grandiose Filme nicht auf die Kino-Zuschauerzahlen kommen, die sie verdienen.
Wer oder was fischt da also Revanche (wie schon im Jahr zuvor den Fälschern) die Zuschauer weg? Die Zuschauer sich selber, mit allerlei Tricks, aus allerlei recht nichtigen bis dämlichen Gründen. Zunächst einmal schaut sich auch das kulturell so interessierte Publikum durchaus gerne den Mainstream-Dreck an, den es nominell verachtet.
Ich habe da immerhin die Ausrede, dass ich Voll-Schas, den ich einfach sehen möchte, weil er für eine aktuelle Debatte wichtig sein könnte (zb Tom Cruises Walkürenritt) wenigstens nicht im Kino, sondern auf einem Fremdgerät anschaue (das mir unbekannte Samariter bereitstellen, die auch den Startknopf drücken - ich hab mit illegalen Dingen selbstverständlich nichts zu tun) und damit nicht auch noch indirekt mitfinanziere.
Andere Ausreden, wie das mir zb die kinoträchtigen Samstag/Sonntag-Abende (nicht nur wegen Fußball, auch wie zb heute wegen Radiosession-Anmod oder morgen wegen Live-Sendung) sehr oft verbaut sind, will ich gar nicht bemühen: einmal die Woche sollte/müßte sich kinogehn ausgehn. Denn irgendwie ist es schon lächerlich sich in einer Medienwelt der optischen Reize zu bewegen und eines der zentralen Leitmedien so ungenau im Blick zu haben.
Da hilft die Institution der FM4-Kinopremiere, die mir die Filme quasi aufs Auge drückt, schon mehr. Und auch die Kino unter Freunden könnten locken, wenn sie nicht weit draußen in einem Turm bei der Donau stattfinden würden.
Damit bin ich aber vom Aktiv-Aussucher, der sich nicht von heimlicher Blockbuster-Sucht leiten läßt, sondern wichtiges Futter für die Befeuerung der Seele sucht, zum Passiv-Trottel, der sich halt mitschleifen läßt, mutiert. Das widerspricht zwar meinen Grundsätzen - aber alles im Griff zu haben geht sich eben nicht aus (und das ist natürlich wieder nur eine Ausrede). Da meine Berater eh gute sind, komm ich so wenigstens zu Frost/Nixon oder zu In 3Tagen bist du tot II oder eben zu Revanche.
Bloß: während es bei internationalen Produktionen der Zeitpunkt des Anschauens ein wenig egal ist, spielt er bei österreichischen Produktionen durchaus eine Rolle. Denn natürlich sind die nationalen Zuschauer als Indikator dafür mitentscheidend wie es mit dem Film international weitergeht - das ist in den USA oder England nicht anders; was dort floppt, geht erst gar nicht in die Verleihe (oder muß von kleinen Trüffelschweinen mühsam rübergeholt werden) und sofort in DVD.
Und da beißt sich die Katze massiv in den Schwanz.
Da man (und ich bleibe jetzt in der Rolle des Passiv-Trottels, die ich mit 95% von euch teile) davon ausgehen kann, dass ein qualitativ gutwertiger österreichischer Film eh innerhalb von Jahresfrist im Fernsehen zu sehen sein wird (einfach deshalb weil der ORF diese qualitativ gutwertigen Filme zu 95% mitfinanziert, wie eben auch Revanche) ist der Druck sich das im Kino zu geben, gering. Damit vermindere ich aber auch die Chancen jeglichen österreichischen Films effektiver ins Ausland zu kommen. Wenn sich alle nur den traurigen Mundl-Film anschaun, den man außerhalb des Weißwurst-Äquators schon rein kulturell nicht mehr nachvollziehen kann, dann ist das zwar okay - durchdachtes Handeln sieht aber anders aus.
Dazu kommt noch eins: mit dem Verlassen der Aktivität, dem durchaus bewußten Nicht-Anschaun der heimischen Qualitätsware (die man irgendwann automatisch, auch in der kompletten Passivität, eh vorgesetzt bekommt) baut man (baue ich, baut ihr, bauen wir) ein Gefühl der Wurschtigkeit auf, mit dem wir uns dann unser Tun im Nachhinein rechtfertigen. Denn: ein Film, den eh nur wenige sehen wollten - das kann ja nix sein. Dabei sind wir selber diejenigen, die's verbocken, ununterbrochen.
Götz Spielmann hat es über die andere Schiene geschafft: sein Film hat bei den vielen Festivals, auf denen er gelaufen ist, derart flächendeckend überzeugt, dass sich das Unternehmen dann über die Arthouse-Ecke rechnet.
Revanche hatte bei seinem Anlaufen im vorigen Frühjahr 17.000 Zuschauer - das ist nicht wenig, aber auch nicht viel. Jedenfalls weniger als dazumals Ruzowitzkys Fälscher. Der aktuelle Re-Run nach der Oscar-Nominierung (gegen unbesiegbare Konkurrenz wie Entre les murs, Waltz with Bashir und dem Baader-Meinhof-Komplex) pusht diese Zahlen auf aktuell knapp unter 20.000.
PS: Revanche ist ein unglaublich gutes Stück Kino, meisterlich gesprochen, gebildert, inszeniert und ausgestattet, witzig, traurig, böse und milde zugleich, voll von lebensechten Figuren und ihren Wendungs-Fähigkeiten; Revanche spricht österreichisch und ist gleichzeitig universell verständlich.
Mir tut jeder leid, der den Film nicht gesehen hat.
Ob die Promi-Gratis-Blitzer von gestern abend auch gewertet werden, weiß ich nicht.
Ich hab mich jedenfalls echt geniert Teil dieses Systems gewesen so sein, eines Systems, das nicht rechtzeitig aufpaßt, unaufmerksam Dinge versäumt, sich dann nicht zu einer Bewertung hinreißen läßt und schlußendlich erst hinterherzappelt, wenn sich der Erfolg einstellt. Das ist recht widerlich. So wie die billigen Mainstream-Medien, die sich jetzt dranhängen.
Ich kann nix tun außer Besserung versprechen.
Achja, Götz Spielmann hat in seiner Eröffnungsrede darauf hingewiesen, dass es gerade dem Kollegen Arash mit seinem aktuellen Film so ergehen würde, wie ihm im Vorjahr.