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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

12. 2. 2009 - 14:29

The Sound of Sehnsucht

Mit ihrem Debütalbum "Walking On A Dream" treiben die Australier Empire Of The Sun den Trend zum glückseligmachenden Kitsch auf die Spitze.

Stimmt schon, die ökonomischen Bedingungen des Pop sind katastrophal derzeit. Nicht nur die Majorlabel-Seifenblase ist am Zerplatzen, auch die meisten Indie-Labels kämpfen ums Überleben. Pop scheint nebensächlich geworden zu sein, schnelles Downloadfutter, kulturell bedeutungsloser als das neueste Videogame.

Aber das Seltsame ist: Während die Rahmenbedingungen des Pop dahinsiechen, geht es der Musik selbst so gut wie schon lange nicht.

Und wir reden hier von Pop-Pop, von einem bewussten Einsatz klassischer Songstrukturen, schamloser Melodien, gnadenloser Hooks. Dass sich dieser auf dem Klingelton-Friedhof modernde Kadaver derartig erholt hat und es plötzlich überall von hinreißenden Sounds, innovativen Ideen und erfrischenden Ansätzen wimmelt, bewiesen Vorjahresgewinner wie MGMT, Santogold, Hot Chip, Cut Copy, TV On The Radio, M83 oder M.I.A., für die Indiepuristen unter euch bringe ich Rihanna oder Kanye West noch schnell ins Spiel.

Pop ist dank dieser und anderer Damen und Herren keine fadgasige Hintergrundberieselung mehr, keine nervtötende akustische Quälerei, keine Muzak für gestresste Taxifahrer und bauchfreie Sekretärinnen. Pop rockt, ist tanzbar, steckt voller Experimente, hat die besten Beats, die Aufregung, die Thrills, die man sonstwo vermisst.

Heuer gesellen sich neue Hoffnungsträger in die Runde der krediblen Pop-Wiederbeleber: Little Boots, La Roux, Florence & The Machine, Fan Death, The Virgins zum Beispiel. Lily Allens zweiter Albumstreich fällt mir auch gerade ein.

Ganz vorne stehen für mich im Augenblick aber zwei Australier, die noch farbenfroher, gewitzter, verträumter und vor allem auch durchgeknallter sind als der Rest: Empire Of The Sun.

Empire Of The Sun

EMI

Luke Steele und Nick Littlemore, die beiden Köpfe von Empire Of The Sun, kommen, wie die besten Popper derzeit, aus ganz anderen Bereichen. Ersterer zeigte sich als Lead-Sänger der Indiecombo The Sleepy Jackson von Folk, Grunge, Hendrix oder Led Zeppelin beeinflusst, zweiterer ist als eine Hälfte des Electro-Dance-Projektes Pnau mit dem Pariser Kitsuné-Label verbandelt.

Dass ihr gemeinsames, über viele Jahre entwickeltes Projekt keine gewöhnliche Band ist, machen Luke und Nick in ihren Musikvideos sofort klar. Als geschminkte Maya-Krieger stolpern sie darin durch mexikanische Wüsten oder mitten durch Schanghai.

Da ist auch das Albumcover der Band. Ich habe hinter dem knalligen Airbrush-Gemälde im Star-Wars-Look ja ein schreckliches Musical, eine dauersolierende Progrockband oder eine schundige Achtziger-Jahre-Inszenierung vermutet. Und mir deswegen "Walking On A Dream" erst mit Verspätung angehört.

Wie viele aktuelle australische Göttercombos flirten Empire Of The Sun tatsächlich unüberhörbar mit dem Überzogenen, mit fast schon pervers süßlichen Harmonien, mit knallbuntem Kitsch. Eine billige Trashband voller hämischer Ironie sind sie aber ganz und gar nicht. Es geht darum, das Grelle absolut ernst zu nehmen, es geht um eine fast schon militante Form der verträumten Melancholie.

Mehr erfahrt ihr jetzt von Luke Steele selbst, der im Gespräch die ganze Mischung aus Schüchternheit, Humor und Wahnwitz verkörpert, mit der seine Band brilliert...

Luke Steele von Empire Of The Sun

EMI

Was inspiriert euch denn so beim Musikmachen?

Es gibt viele Einflüsse: Kylie Minogue, Superhelden, Maler wie Francis Bacon, Jodorowsky-Filme, ganz viel verschiedenes Zeug. Ich wollte immer etwas sehr Großes in Angriff nehmen, dieses Projekt ist es nun geworden, lustig, wie sich die Dinge entwickeln.

Der Siebziger-Legende Alexandro Jodorowsky verdanken wir ja wunderschön irreales psychedelisches Kino...

Wir sahen seinen Film "Montana Sacra" mitten während der Aufnahmen. Das war äußerst erfrischend und eine große Inspiration für uns. Vor allem diese Farben, und der Film enthielt auch alle diese kontroversen Obszönitäten.

Erzähl doch mehr über die Entstehung eurer Songs...

Die Songs entstanden auf eine sehr unschuldige Weise. Es war ein sehr befreiender und angenehmer Prozess, dieses Album mit Nick aufzunehmen, ganz anders als bei einer Band, wo oft ein einziger den Ton angibt. Wir haben uns alles wirklich zu gleichen Teilen aufgeteilt, so, als ob einer die Vorspeise machen würde, der andere die Hauptspeise und wir beide das Dessert. Es ging um gegenseitigen Respekt und gleiche Positionen. Nick hat sich zum Beispiel auch auf positive Weise in die Lyrics eingemischt.

Deine Texte sind ja sehr wehmütig, gleichzeitig wirkt die Musik extrem uplifting, sind solche Gegensätze für euch zentral?

Wir redeten immer wieder über diesen einzigartigen Moment: Stell dir vor, die Sonne geht unter, du liebst dein Leben, aber deine Geliebte verlässt dich gerade. Und all diese Gefühle überschwemmen dich. Diese Stimmung, dieser Moment, das ist es, worum es uns geht. Magie und Euphorie sind heutzutage sehr wichtig. Wenn ich singe, erzähle ich von bestimmten Plätzen und Orten, ich möchte ein bestimmtes Bild beschwören. Das ist eine Kunst, die etwas verloren gegangen ist.

Empire Of The Sun

EMI

Zyniker könnten sagen, hinter eurer Verträumtheit mag sich totale Berechnung verstecken...

Unser Ansatz ist aber sehr ehrlich und vor allem sehr romantisch. Sentimentalität ist ein anderes Schlüsselwort, die Fantasie spielt eine Hauptrolle bei uns. Wir reden auch von der Vergänglichkeit und Fragilität der Dinge. Manche unserer Kritiker mögen schon recht haben, wir bewegen uns da auf dünnem Eis. Das Risiko, sich in einen cheesy 80s-Bereich zu begeben, ist enorm hoch.

Aber dieses Risiko, mit abgedroschenen Popversatzstücken zu spielen, bei denen manchen schlecht wird, das macht die Sache erst spannend für euch?

Genau, das ist ein komplettes Paradoxon. Ohne Kompromisse mal sämtliche Optionen auszuprobieren, das ist ja das wirklich Riskante. Auch wenn man sich dabei auf dünnes Eis begibt. Es geht einfach darum, gute Musik zu erschaffen, die Kreativität auszuloten.

Ist plakative Popmusik das letzte große Abenteuer?

Ja (lacht). Man sollte niemals unterschätzen, was ein Song bewirken kann. Es gibt Lieder, die haben Leute schon von ihrem Selbstmord abgehalten. Mich hat unlängst ein Typ in einer Bar angesprochen und gemeint: "Meine Kinder gehen überhaupt nur mehr mit eurer Musik ins Bett. Jetzt kann ich zum ersten Mal seit Jahren schlafen." Ja, Pop kann sehr wichtig sein. So ein ehrlicher Song bewirkt manches.

Du sagst ehrlich, aber eure Videos sind komplett artizielle Kitsch-Kunstwerke...

Wir werden jeden Videoclip in einem anderen Land drehen. Und am Ende wird das Ganze ein Spielfilm, dessen Konzept wir gerade geschrieben haben. Es geht um unsere Reise und um unser gemeinsames Königreich. Die Liveshows werden ein Teil des Films sein. Ich hoffe, wir können für die Bühne und den Film noch eine Truppe schamloser schwedischer Models bekommen, die als Tänzerinnen fungieren. Dieses Ding wächst gerade unglaublich. Es gibt ein großes visuelles Element in dieser Band, unsere Shows werden eine Art Experience sein, die du nie mehr vergisst.

Das klingt nach ungewöhnlicher Liveshow?

Genau das wird es werden, eine Menge tanzender schwedischer Models und wir. Und tanzende österreichische Models. Und viel Theatralik und einen Erzähler gibt es auch. Es wird eine viel größere Liveshow, als Coldplay sie je gemacht haben. Wir werden auf jeden Fall den Gouverneur von Kalifornien auch noch bitten, bei uns als Terminator aufzutreten und Forest Whitaker braucht einen Gastauftritt als Ghost Dog.

Ist das alles ein genau ausgehirntes Konzept?

Ich würde keinesfalls Konzept sagen, sondern Vision. Und diese Vision handelt von Farbenpracht, Fantasie, Positivität und Melodie. Wir haben uns die Latte ziemlich hoch gelegt.

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