Erstellt am: 12. 2. 2009 - 17:05 Uhr
Opulenz und/oder Schrammelpop!?
Das Kaleidoskop explodiert
Grobes Augenrollen, man kann es jetzt schon hören! Afropop, Afrobeat, großes Namedropping, schöne Musiken, die 2008 wieder einmal von Indierock-Bands ins eigene künstlerische Vokabular integriert worden sind.
Ganze "Dossiers" wurden gar in eher konservativ orientierten Rockmagazinen zum Thema vollgeschrieben, dass da junge Combos neben üblichen Rockschemata den Blick über den Tellerrand hinaus nach Afrika wagen, gerne auch in die Karibik oder nach Südamerika: Vampire Weekend, Ruby Suns, Foals, Dodos, you name it. Es ist ja eh immer alles vorher schon dagewesen, das haben schon die Talking Heads und The Clash gewusst. Wie schön es aber sein kann, wenn ab und zu in andere Ecken der Erde hineingelauscht wird und der Rockmusik ein bisschen ihre Weißbrothaftigkeit abhanden kommt, soll immer, immer wieder im Essay "A Paler Shade Of White" des US-Amerikanischen Journalisten Sasha Frere-Jones nachgelesen werden.
Wie das früher alles einmal so war, man wird es, wenn man in einer fernen Zukunft im Geschichtsunterricht davon hören wird, vom Obskuritätscharakter her zwischen Spanischer Inquisition und der Entdeckung der Schreibmaschine verbuchen.

Islands
Schon vor knapp drei Jahren, im Zuge der Veröffentlichung ihres Debüts "Return To The Sea", führte die kanadische Band Islands Paul Simons Album "Graceland" als nicht unbedeutenden Einfluss auf das eigene Werken an. So als halbwegs indiediscocool wie heute, Vampire Weekend sei dank, wurde sie damals nicht gehandelt, die Bezugname auf so genannte, nicht selten übel beleumundete "Weltmusik".
Freilich sind die aus der großartigen Querkopfband The Unicorns hervorgegangenen Islands aus Montreal, die nach nahezu schon als kanadisch zu bezeichnendem Muster gerne als loses Kollektiv im Mitgliederrotationsmodus agieren und am Sonntag in der Wiener Arena auftreten, immer noch fix im Kosmos "Rock" verankert. Dabei experimentieren sie aber gewagter am Rhythmus herum, integrieren Steel Drums, Calypso, Bläser und muntere Streicher, sagen Hallo zum HipHop und verstehen Genre-Grenzen als, man hat schon anderswo davon gehört, weiche Zäune.

Islands
So hat die Band mit "Return To The Sea" und dem Nachfolger "Arm's Way" zwei überbordende, so heißt das dann immer, Wundertüten voll Überschwangsrock im Sinne besser gelaunter Arcade Fire, Abenteuerlust und Pop von überall her zusammengebaut, wobei der Zweitling "Arm's Way" aus dem Vorjahr schon stärker von Wehmut gezeichnet ist. Aber: Kopf hoch, alles wird gut! Vor allem, wenn der Ruf, der Islands vorauseilt, insbesondere live ein agiler Wanderzirkus zu sein, keine völlig aus der Luft gegriffene Weltverschwörungstheorie darstellt.
Oldschool, Baby
Quasi vom gegenüberliegenden Pol auf der Skala für instrumentale Opulenz kommt tags darauf ein Mann in die Arena gerollt, wie hinübergespült aus einer Zeit, in der die Dogboys aus Z-Town noch mit blondiertem, langem Haar und in den ganz engen Hosen auf selbst zusammengeschraubten Skateboards durch kalifornische Schwimmbecken purzelten und der Soundtrack zum stilvoll vergeigten Leben eher noch von Leuten wie Black Flag, den Wipers oder den Minutemen bereitgestellt wurde als von, ähm, sagen wir: den H-Blockx oder DogEatDog.

Wavves
Wirklich weg war er ja nie, in den letzten ein, zwei Jahren ist dann aber doch wieder verstärkt von ihm die Rede gewesen, vom reduzierten Schrammelpop, der Krachausritten nicht abgeneigt ist und dabei so oft von einer höflichen Punk-Attitüde beflügelt wird, wie sie beispielsweise das legendäre Label K Records - es muss in solchen Fällen immer als Beispiel herhalten – von Olympia, Washington aus seit Jahr und Tag an den Tag legt. Auch wenn jeweils die Prioritäten dezent unterschiedlich setzend - hier etwas stärker dem Noise zugetan, da eher mit Niedlichkeit kokettierend - haben da 2008 in artverwandtem Fahrwasser beispielsweise No Age, die Vivian Girls oder Crystal Stilts ein breites Publikum erreichen können.

myspace.com/wavves
Im Falle von Nathan Williams und dem wunderbaren, melodieseligen Lo-Fi-Gerümpel seines noch recht frischen Projekts Wavves wird zur schubladengerechten Beklebung gerne das Etikett "Beach Punk" aus dem Hut gezaubert.
Was bedeuten soll, dass der 22-jährige Skateboard-Freund aus San Diego unter all dem ganzen, scheinbar mit einem Ein-Spur-Rekorder im baufälligen Keller aufgenommenen Rauschen, Schlagzeugklappern und verzerrten Gitarrengeschrubbe einiges an großen Harmonien und Liebe zu den, duh, Beach Boys versteckt hat.
Nach einem selbstbetitelten Debüt Ende des vergangenen Jahres wird Anfang März das zweite Album von Wavves erscheinen, das, man kann es nur ahnen, wohl höhere – Achtung! - Wellen schlagen wird.
Islands mit Support von Brooke's Bedroom spielen am 15.2. in der Wiener Arena
Am Montag, 16.2. spielt Wavves, Vorband ist Die Eternias
Williams poltert sich hier in weniger als 30 Minuten durch wohlerzogenen Lärm, Singalongs und betont minimalistische Stücke, die sich da "Sun Opens My Eyes", "Surf Goth" oder "So Bored" nennen, und sogleich darf man bei solch kleinen Popwundern wieder einmal wissen, dass der Punk eh nie tot war, dieses Mal eben schön von der Sonne gegrillt.
Der Titel der kommenden Platte, "Wavvves", ist im Gegensatz zum Bandnamen, "Wavves", dabei übrigens immer mit drei Vs zu schreiben. Nie, niemals, nie mit bloß zwei. Ganz schnell, man ist gerade erst halb in seine durchgewetzten Vans hineingerutscht, ist der gute Ruf auch schon wieder dahin.