Erstellt am: 11. 2. 2009 - 15:59 Uhr
Journal '09: 11.2.
Das Konzept der medialen Solidargemeinschaft über die Erhaltung einer Presseagentur bröselt. Zumindest in Deutschland. Die hochangesehene DPA wankt, nachdem der WAZ-Konzern ausgestiegen ist, weil er meint ohne Agentur-Meldungen auskommen zu können.
Das wird wohl zu einem symptomatischen Kulturkampf führen.
Die Entwicklungen der Medien/Kommunikation/Informations-Gesellschaft im digitalen Zeitalter werfen eine ganze Menge Probleme auf - vor allem im Kultur/Kunst/Medien-Bereich.
Musik ist, weil omnipräsent und verfügbar, nichts wert.
Film, Video, TV sind bereits in einer ähnlichen Spirale gefangen. Es wird bereits sowas wie eine generelle Abgabe für Kultur-Förderung (Stichwort: Flatrate) heftig diskutiert, um diese Umgewichtung innerhalb der Kultur-Industrie einigermaßen zu bewältigen.
Im Medienbereich ist das nicht viel anders: alle Information ist letztlich überall recht frei verfügbar. Und durch die dazustoßende Finanzkrise verschärfen diverse Medien-Multis den Wettbewerb zusätzlich.
Die New York Times (immer der beste Indikator für Entwicklungen) macht - wegen Verkaufsrückgängen im Printbereich - ihr Online-Angebot wieder gebührenpflichtig, nachdem sie es jahrelang offengehalten hatte und hofft so auf einen Turnaround.
Anfang des Jahres kam es zu einem aufsehenerregenden Präzedenz-Fall, der die Medien-Szene in eine ähnliche Bredouille bringen kann wie sie die Musik-Branche seit Jahren fast wehrlos erdulden muss.
Wie die WAZ die DPA gefährdet...
Der WAZ-Konzern, einer der größeren Player am Print-Markt stieg aus seinem Vertrag mit der DPA, der Deutschen Presse Agentur aus. Ein Fanal, über das sich in der sersiös aufgestellten deutschen Medien-Branche niemand zuvor drübergetraut hatte.
Die DPA hat fast 200 Gesellschafter und zwar alle (öffentlich-rechtlichen) Rundfunk-Anstalten, praktisch alle wichtigen Verlagshäuser, die Tagespresse publizieren. Die DPA deckt deutschlandweit alle relevanten Ereignisse ab, beschickt alle Pressetermine, besucht eine Unmasse Kultur- und Sportereignisse, hat unzählige regionale Mitarbeiter, unterhält einen Foto- und Graphik-Dienst, und liefert so seit Jahrzehnten die Basis für das, was an Nachrichten und Berichten in die Medien kommt. Die DPA verantwortet die Grundversorgung, das Gerüst für die Tagespresse, die Radio-, TV- und vor allem auch die Online-Nachrichten.
SZ: Wie hat sich der Journalismus verändert in den 18 Jahren, die Sie an der Spitze von DPA stehen?
DPA-Chef Herlyn: Er ist aufgeregter geworden, weniger gründlich. Als ich jung war, war die Zeitung jeden Tag ein Strauß voller Überraschungen. Das ist heute nicht mehr so, oft gehen Geschichten zu schnell, zu schmutzig ins Blatt.
SZ: Geschichten, die keine Nachrichten sind?
Herlyn: Eindeutig. Das liegt wohl auch an der Hast, mit der Redakteure heute arbeiten...
SZ: Ist auch etwas besser geworden?
Herlyn: Die Vielfalt.
Ohne die DPA geht in Wirklichkeit gar nix - kein Tagesmedium könnte es sich leisten alles, was wichtig und interessant wäre, mit eigenen Redakteuren zu beschicken. Je gehaltvoller ein Medium ist, desto mehr Eigenleistung und Eigenbeiträge enthält es - der Agentur-Bericht ist aber immer die Basis, an der man sich entlanghantelt, der Ausgangspunkt.
Da die DPA (im Vergleich etwa zu ihrem französischen Pendant, der Agence France Presse-AFP, die recht direkt an den Staat bzw den Élysée angekoppelt ist) kaum Förderung/Unterstützung erhält, ist der Solidargedanke der Betreiber/Gesellschafter die Basis für ihre Existenz.
Und das Ausscheren der WAZ (die zwar keine inhaltlich relevante Qualitätszeitung, aber sehr viele gutgehende Regionalblätter im Ruhrgebiet betreibt) bedroht diese stark.
... und warum das doof und auch gefährlich ist.
Zumal die Ausrede des WAZ-Chefredakteurs an Philisterhaftigkeit nicht zu überbieten ist: man gedenke sich die Grund-Informastionen über andere Quellen, z.B. das Netz zu holen, und würde dabei natürlich auch auf Meldungen zuzrückgreifen, die ursprünglich von der DPA kommen würden. Der dumme Spruch wurde mittlerweile zurückgezogen (auch weil die DPA da schon ihre Anwälte anspitzte...) - Lösung ist noch keine in Sicht.
Die aktuell beste Sammlung von Gesprächen zum Thema "Zukunft des Journalismus" findet sich auf der Website der Süddeutschen
Deshalb ist auch die Frage nach der Treue etwa des Springer-Verlags, die DPA-Chef Wilm Herlyn in der heutigen Süddeutschen (Achtung, das Interview, ist nur ein paar Tage online, dann kommt es in die Zahlungspflichtigkeit, auch die SZ rechnet schon strenger...) gestellt wird, auch so wichtig. Denn natürlich rechnen - gerade in der Krise - auch die anderen Verlagshäuser nach, was ihnen die DPA bringt und was sie kostet.
Das kurzbeinige Denken, dass man sich die Info ja "aus dem Internet" besorgen könne, erinnert frappant an den Umgang mit Musikstücken. Der zentrale Unterschied ist, dass es zwar immer Menschen geben wird, die nicht an sich halten können und Musik machen müssen, dass sich aber niemand von Qualität umsonst mit zb allen relevanten innenpolitischen Pressekonferenzen auseinandersetzen würde. Wer sich also von seiner Nachrichtenagentur abnabelt und sie so mittelfristig ermordet, wird auf einen gewichtigen Teil seiner Nachrichten-Kompetenz verzichten müssen.
In Österreich gehen die Uhren da übrigens anders: die Kronen-Zeitung (seit etlichen Jahren ja in teilweisem WAZ-Besitz) ist bereits vor Jahren aus der heimischen Agentur, der unverzichtbaren APA ausgestiegen. Da alle anderen Tageszeitungen & ORF zusammenhielten, lebt die APA - und hat sich in den letzten Jahren massiv weiterentwickelt.
Dieser Teil der aktuellen deutschen Journalismus-Debatte
(die auch in der Süddeutschen exemplarisch stattfindet) mutet in seiner strategischen Unüberlegtheit ein wenig kindisch an; was großteils mit der Hilflosigkeit der alten Garde die neuen Medien und ihre Strukturen zu begreifen zusammenhängt.
Der Kulturkampf zwischen diesen Dinos und denen, die übergreifend denken (hier ein wunderbares Beispiel dafür) ist bereits im Gange. Dass einer dieser Dinos, der demnächst abtretende DPA-Chef das Wesen von Online noch nicht wirklich verstanden hat, macht nichts: seine Nachfolger werden das anders angehen (müssen). Aber vielleicht sollten die, die die Gundversorgung durch die Agenturen zu verantworten haben, auch vorrangig strukturkonservativ denken.