Erstellt am: 10. 2. 2009 - 15:31 Uhr
Journal '09: 10.2.
Es hat mich eher zufällig hinverschlagen in diese Mischung aus Präsentation und Pressekonferenz aus der Schnittstelle von Technologie und Unterhaltungs-Industrie - nachher spielten die Sofa Surfers (mittlerweile, im Geiste Schifrins, die beste Filmusik-Band der Welt) ihr neues Programm, außerdem waren die von mir geschätzten Fachmenschen Eder und Gröbchen mit am Podium.
Und es schien auch so, als wäre das, was der große Produzent von Telekommunikations-Waren da vorzustellen hatte, nicht wirklich interessanter als das viele Zeug, das sich in den einschlägigen Seiten&Blättern, die so tun, als ob sie redaktionell wären, in Wahrheit aber nichts als die verlängerte PR-Achse ebenjener Industrie darstellen, an fast täglich neu reintröpfelnden Gimmicks so tummelt.
Denn wie sich jetzt auch immer Musik vom neuen XY-0815er-Handy noch codefreier, deppensicherer, billiger oder sonstwie besser runterladen lässt - schon morgen ist dieser angeblich neue Standard eh schon von vorgestern. Interessanter war da schon die Ankündigung eines weiteren Online-Music-Shops, also einer der weiteren Versuche der Musikindustrie vor allem die jungen Menschen von dem, ihnen in Fleisch & Blut übergegangenen, illegalen/freien Download von Musik wegzuholen.
Dieser neue Music-Store sieht auch nicht anders aus als alle anderen, ist auch nicht billiger und weniger barrierefrei - aber er stellt halt eine weitere Möglichkeit für alle, die von Musik leben müssen (und das sind eine Menge womöglich überflüssiger Leute, aber auch die allerwichtigsten, nämlich die Musikanten selber).
All you can eat.
Dann aber, als die Produkt-Präsentation in eine Pressekonferenz kippte, wurd's erst interessant.
Es waren nämlich die anwesenden, äußerst kritischen Technologie-Journalisten, die nicht nur die halbgare Entwicklungsstufe des Angebots genüßlich zerpflückten, sondern den Fokus auf das wirklich interessante Thema legten, über das die Vertreter des Multis eigentlich nix sagen wollten. Der aus Kanada stammende Chef für das "Alps South East Europe"-Department (mit Sitz in Wien - wie viele Corporations nützt auch diese Österreich als Drehscheibe für den ehemaligen Osten) konnte nicht - für ihn war nach seinem Einleitungs-Statement Schluss, der Mann kann kein Deutsch. Der Musik-Director und die Kommunikations-Chefin wussten, dass sie nichts oder wenig sagen durften und behalfen sich mit Andeutungen - eine kuriose Show.
Wirklich interessant wird es nämlich erst im Herbst, wenn das, was derzeit in England probiert wird, auch nach Österreich kommen soll: ein Musik-Abo-Paket, das nach dem All you can eat-Prinzip und auch langfristig funktioniert - der Kollege Dax (einer der erwähnten Frager) hat das in der Futurezone genauer aufgeschlüsselt.
Was ist Musik wert?
Mehr zu Pop nach der Digitalisierung gibts in einem Themenschwerpunkt ab Sonntag auf fm4.ORF.at und Donnerstag, 19.2. in einer Homebase Spezial.
Eigentlich ist es erst ein Paket wie dieses, das man in einem Umfeld, das Musik nicht mehr ernsthaft als einer umständlichen Industrie abzukaufendes Produkt, sondern als frei verfügbares Gut sieht (wobei beide Sichtweisen falsch sind, aber das ist eine andere, die philosophische Geschichte) seriös besprechen kann. Bis hin zur zuletzt ins Spiel gebrachten Kultur-Flatrate.
Alles andere mag für Gimmick-Spieler, Tester und ein paar frühe Adaptoren witzig sein - der, der Musikindustrie mittlerweile komplett entglittenen, Gruppe der Unter30jährigen ist das recht scheißegal.
Wahrscheinlich ist es trotzdem wichtig, sich auch mit Halbfertigem, noch nicht gut genug Funktionierendem und demnächst bereits Überholtem so weit rauszulehnen: nämlich, um das eigentliche Thema (was ist der künstlerische Akt an sich, was ist konkret Musik wert; und wie soll man das einheben um zu verhindern dass aufgrund verheerender Produktionsbedingungen niemand mehr Musik kreiert?) am Köcheln zu halten.
Das (das frühzeitige Lossprinten, das Ignorieren der Realitäten, das abturnende Marketing-Speak, die Anzugträger-Anbindung etc) kommt natürlich alles sehr potschert daher - auch (selbst?) bei einem Weltkonzern. Und zeigt ein wenig was von der Verzweiflung, mit der hier um eine Lösung gerungen wird.
Was sind kritische Fragen wert?
Was mich an diesem Abend aber am wenigsten losgelassen hat, war diese kleine, sehr auffällige Sideline der kritischen Fragen. Man mag das auf die übergroße Dichte von guten Mitdenkern (neben der Fuzu wäre das etwa auch der auf diesen Seiten schon öfters erwähnte Kollege Niko Alm, Standard-Experte Spudlich ua mehr) zurückführen - die wären in anderen Bereichen aber auch vorhanden.
Bloß dort (in Innenpolitik, Wirtschaft oder Sport) ergibt sich so gut wie nie ein krititischer Dialog zwischen Journalisten und Industrie/Info-Providern - der sich dann auch so niederschlägt, dass da (siehe Fuzo) gar nicht das drinsteht, von dem der Konzern gern hätte, dass es drinsteht, sondern das, was wirklich interessant ist.
Ich denke, dass das zwei spezielle Gründe hat. Zum einen ist die techno-affine Gruppe der Journalisten auch automatisch die, die aktuell am meisten Bewusstsein für das eigene Tun entwickelt und deshalb sowas wie Reflexion automatisch miteinfließen läßt. Ich möchte da auf einen Beitrag von Niko Alm verlinken , der die diesbezüglich katastrophale Interessenslage des Journalisten-Nachwuchs anspricht, die ja nur die aktuelle Situation in der Branche widerspeigelt.
Und zum zweiten geht es in diesem Bereich meistens um internationale Konzerne, die sowas wie eine offenen Umgang seitens der Medien gewohnt sind - während die österreichische Tradition ja vorsieht, dass Journalisten kuschen und sich verhabern. Weshalb auch in den zentralen Bereichen von Innenpolitik, Wirtschafts-Berichterstattung heimische Themen betreffend oder Inlands-Sport nichts (okay: zu wenig) passiert, alle in Watte gepackt werden und kein ernsthaft-kritischer Umgang gepflogen wird.