Erstellt am: 10. 2. 2009 - 15:20 Uhr
So ein Theater
In letzter Zeit häufen sich die schwärmerischen Erwähnungen diverser Vertrauenspersonen, was aktuelle Theateraufführungen betrifft. Menschen, die man ansonsten nur in Bars, Clubs oder auf verrauchten Konzerten trifft, erwähnen plötzlich ihr Abo für die Burg. Kinonarren erzählen auf einmal begeistert von angeblich höchst spannenden Vorstellungen, die eine beinahe filmische Qualität entfalten.
Es ist gut gemeint, mir auf unterschiedlichste Weise das Theater schmackhaft machen zu wollen. Aber ich fürchte, die knarrenden Bühnen, knallenden Türen und schweren roten Vorhänge und ich, wir werden keine Freunde mehr.
An fast allen Theaterformen habe ich irgendetwas auszusetzen. Konservative Umsetzungen finde ich verstaubt und antiquiert, moderne Inszenierungen nerven mich mit ihren platten politischen Botschaften und abstrakten Dekors aber fast noch mehr.
Da ich das gesprochene Wort im Sinne des guten alten Antonin Artaud für ein eher überschätztes Ausdrucksmittel halte, quält mich auch die Vorstellung von leer geräumten Bühnen, wo Schauspieler bloß geschliffene Dialoge rezitieren. Auf der anderen Seite entpuppen sich visionäre Regieideen, die auf den entfesselten Körper setzen, auf Gestik und Schreie, in der praktischen Umsetzung meist als Aktionismus für Arme.
Wer mich schließlich echt leiden sehen will, kauft mir Tickets für Tanztheateraufführungen, wo akrobatische Akteure wahlweise das Elend der dritten Welt oder Geschlechterkonflikte in mir völlig unverständlichen Bewegungen ausdrücken. Und reden wir bitte nicht über Musicals.
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So, genug undifferenziertes Genörgel. Altersmilde geworden, gönne ich meinen Freunden ohnehin ihre fesselnden Aufführungen und halte meistens brav den Mund, wenn sie davon berichten. Nur wenn die Bühne meiner geliebten Leinwand nahe kommt, reagiere ich allergisch.
Dabei müssen beim Austausch beider Kunstformen nicht zwangsläufig die Alarmglocken klingeln. Wenn Großmeister wie Lars von Trier theatralische Elemente im Kino verarbeiten, ich sag jetzt nur "Dogville" oder "Manderlay", ist das höchst sehenswert. Umgekehrt muss die Filmversion eines Stücks nicht zwangsläufig statisch oder träge daherkommen.
Bei "Doubt", der jetzt mit dem deutschen Subtitel "Glaubensfrage" bei uns angelaufen ist, handelt es sich allerdings um einen dieser Streifen, die diesbezügliche Vorurteile bestätigen. Man merkt, dass der US-Autor John Patrick Shanley, der sein eigenes gefeiertes Broadwaystück für Hollywood adaptierte, keine große Filmerfahrung hat. Ein paar schiefe Kamerawinkel sind das Maximum an visuellen Einfällen, die das schwerfällige Drama zu bieten hat.
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Vielleicht ist es aber auch das muffige Personal des Films, das den Eindruck der eher steifen Inszenierung noch verstärkt. "Doubt" kreist um eine katholische Schule in Boston, in der man in den wilden Sechzigern noch nichts von den sozialen Umbrüchen bemerkt. Hier führt Schwester Aloysius ihr konservatives Regiment, jeder kleinste banale Bruch mit den Regeln wird bestraft.
Einer, der die Vorschriften gerne bricht oder zumindest in humanistischere Bereiche ausdehnt, ist ein Mann, der in der Kirchenhierarchie weit über Schwester Aloysius steht, der Priester Brendan Flynn. Mit seiner Vorliebe für Messwein, Kugelschreiber, weltliches Liedgut und fortschrittliche Erziehung gehört er zu den Hassobjekten der strengen Obernonne.
Die Rollenverteilung scheint perfekt: Der liberale Priester sammelt Sympathiepunkte beim Publikum, Schwester Aloysius dürften wohl nur Hardcore-Katholiken verstehen.
Aber dann taucht ein böser Verdacht auf. Könnte es sein, dass der beleibte Gottesmann den kleinen Ministranten etwas zu nahe kommt? Und ist die verstockte Nonne vielleicht die einzige, die sich dem unzüchtigen Treiben entgegenstellt?
"Doubt" streut Zweifel, verunsichert, gibt keine klaren Antworten auf schwierige Fragen, überlässt die Parteinahme dem Zuseher. Das ist natürlich gut so. Leider ist der Bühnencharakter der Vorlage omnipräsent. Dass Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman etwas zu offensichtlich um den Oscar spielen, lässt sich trotz einiger intensiver Momente auch nicht leugnen.
Vor allem aber nähert sich "Doubt" seinem prekärem Thema auf derartig brave Weise, dass man irgendwann glaubt, man sitzt in einem Film, der nur für überzeugte Katholiken gemacht wurde. Spannendes Kontroversen-Kino sieht jedenfalls anders aus.
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Und noch ein Broadway-Dauerbrenner schaffte es ins Kino und in die Oscarauswahl. "Frost/Nixon" erzählt von einem Fernsehgespräch, das Geschichte schrieb. Im April 1977 trafen der englische Showmaster David Frost und Ex-US-Präsident Richard Nixon zu einem mehrstündigen Rededuell aufeinander.
Der britische Autor Peter Morgan, ausgezeichnet für "The Queen", hat das legendäre Interview in ein Theaterstück verwandelt. Der ideale Bühnenstoff: ein Drama über die Mechanismen der Politik und des Showbusiness und über zwei nur vermeintlich konträre Männer. Aber kann so ein Verbalduell auch auf der Leinwand funktionieren?
Doch, muss man im Fall von "Frost/Nixon" gestehen, der die Dynamik des Sportlerkinos übernimmt und eine Art Boxkampf-Atmosphäre aufbaut. In der einen Seite des Rings sitzt Richard Nixon, berüchtigter Kriegshetzer, erzkonservative Ikone, Verdächtiger der schweren Korruption. Ihm gegenüber hockt David Frost, Entertainer, Playboy, dauergrinsender Talkshowkönig.
Der Politiker verachtet den TV-Moderator, er verspottet ihn, aber am Ende wird der Ex-Präsident vor laufender Kamera seine Mitschuld am Watergate-Skandal eingestehen.
Wie ihre Kollegen in "Doubt" spielen auch Michael Sheen als Frost und vor allem Frank Langella als Nixon um ihr Leben und um potentielle Awards, aber dank der rasanten Inszenierung wirken die Akteure nie so ausgestellt in ihrem virtuosen Spiel.
An ein Theaterstück erinnert "Frost/Nixon" glücklicherweise nur in wenigen Momenten. Es war ihm immens wichtig, erzählte mir Peter Morgan beim FM4-Interview, dass ein Hollywoodhandwerker seinen Stoff so filmisch wie möglich umsetzen würde. Und ausgerechnet Regisseur Ron Howard, dem die Welt Machwerke wie "The Da Vinci Code" verdankt, gelang ein ziemlich spannender, kluger und gleichzeitig leichtfüßiger Kommentar zu Macht, Medien und deren Missbrauch.
UIP