Erstellt am: 10. 2. 2009 - 12:19 Uhr
The Umbrella Academy
Da gibt es einen bekannten Schauspieler (nennen wir ihn Bruce Willis), dem Glamour, Privatchauffeur, Gratisschampus und eine SuperVIP-Ehefrau zum Kinderhaben und Kindern-abenteuerliche-Vornamen-verpassen aus irgendwelchen Gründen nicht reichen. Dann bezahlt unser bekannter Schauspieler entweder einen teuren Psychoanalyseguru, den Jahresbeitrag bei Scientology oder wird Crossover-HipHop-Rockstar.
Oder: es gibt eine bekannte Erbin (nennen wir sie Paris Hilton), der es aufgrund ihrer medialen Omnipräsenz und ihrer wirtschaftlichen Omnipotenz plötzlich möglich wird, eine unbekannte Designerin zu beauftragen, unter ihrem Namen Schuhe und Kleider mit einem Krönchen drauf in exklusive Läden zu liefern, wo unsere bekannte Erbin dann bei Eröffnungen und Autogrammstunden im Blitzlichtgewitter gottgleich strahlen kann.
Kurzum: Menschen, die für irgendetwas bekannt sind (Schauspielen, Erben, etc.), machen sich an Nebenschauplätzen lächerlich (oft auch noch bekannter). Dass an einem solchen Hobbyschauplatz irgendwann einmal etwas passiert, was mich tatsächlich interessiert, habe ich für nahezu unmöglich gehalten (Justin Timberlake in Loveguru zählt nicht). "Schuster, bleib bei deinem Leisten", würden diejenigen ähnlich beschränkten Geister sagen, die wissen, was ein Leisten sein soll.
Alles falsch, und wers nicht glaubt, liest das:
Verlag Cross Cult
Gerard Way, bekannt und gefürchtet als Sänger der Vorzeige-Emopopband "My Chemical Romance", hat nämlich ein Superheldencomic geschrieben. In sechs Teilen ist "The Umbrella Academy" im Vorjahr erschienen. Und weil's für sowas bei uns ja keinen Markt gibt, wie man sagt, erwischt uns jetzt ein schöner Sammelband.
"The Umbrella Academy" sind sieben Superheldengeschwister, die zuerst von einem außerirdischen Krösus adoptiert, dann aufs Superheldendasein trainiert und gestählt werden, und schließlich die Welt vor ihrem Untergang retten sollen. Das scheint insofern aussichtslos, weil das Buch bereits im Untertitel Weltuntergangs-Suite heißt (da hab ich mir gedacht, glaubt der Emo, dass "Spoiler" was mit Autos zu tun hat?) und weil der hungrige Oberbösewicht gegenüber der heillos zerstrittenen Superheldenfamilie gewisse Vorteile in den Disziplinen "Roboterbau für Fortgeschrittene" und "generelle Skrupellosigkeit" hat. Trotzdem bleibt es bis zum Schluss spannend. Schließlich lehrt einen die Lebenserfahrung, dass Superheldencomics meist ein Happy End haben.
Gerard Way / Darkhouse Comics
Ein paar Dinge hat das Comic mit der Band, die Fans gern mit MCR abkürzen, durchaus gemeinsam: es ist erstens gut gemachte Genrekost, verhandelt zweitens vorwiegend Morbides und dass die Umbrella Academy drittens etwas von einer Bandfamilie hat, ist auch irgendwie augenscheinlich. Doch während My Chemical Romance sich damit begnügen, ihr Genre miterfunden zu haben (das machen genaugenommen eigentlich die meisten Genremiterfinder, weil sie ihre Kreativität gern an Autoren blumiger Pressetextformulierungen outsourcen, die mittels ausschweifender Verwendung der Worte "reifer", "weiterentwickelt", "persönlich", "ehrlich", "experimentieren" und "Neudefinition" das Gegenteil belegen sollen), ist Gerard Ways Nebenprojekt ungleich kreativer. Das Genre "Welt retten" legt er als Gummiparagrafen aus. Die vielen surrealen Momente baut er geschickt genug in die Handlung ein und verhindert damit, dass The Umbrella Academy zur Superheldenpersiflage wird: Gustave Eiffels Gastauftritt als Zombie wird zum Cameo gesplattert, Aldous Huxley bekommt die Ehre, einem Krankenhaus Pate zu stehen, und sogar die vermutlich konterrevolutionäre (Verschwörungs-?) Gruppe "Families Against Amusement Parks Action" darf eine Statistik veröffentlichen. Ehrensache auch, dass Musik im Allgemeinen bei Gerard Way eine wichtige Rolle spielt.
Die Zeichnungen kommen vom Brasilianer Gabriel Ba, der zuletzt mit "Casanova" eine Comicedition der Sieben Todsünden illustriert hat. Erzählerisch orientiert sich die vor- und rückblendenfreudige Umbrella Academy am undogmatischen Stil des regierenden Heavyweight Champions des US-Comics, Grant Morrison, der nicht nur die zwischenzeitlich leicht angestaubten X-Men- und Batmancomics sanft in die aktuelle Popkultur überführt, sondern zwischendurch auch für Späße wie The New Adventures Of Hitler oder die Tarotkartenoptik von Robbie Williams' Intensive Care Album zu haben ist.
Die sechs Comics von The Umbrella Academy ergeben eine in sich abgeschlossene Geschichte, was Gerard Way und Gabriel Ba naturgemäß nicht daran hindert, an einem Sequel zu pinseln, das unter dem Arbeitstitel "Dallas" gleich neben dem Vermerk "Tantiemen für die geplante Verfilmung von The Umbrella Academy kassieren" auf der To-Do-Liste des Dark Horse Verlags steht. Und weil ich die Puristen unter den Hardcorecomicfans schon hinter ihren Originalhefterstausgaben schimpfen höre: Nein, dass Gerard Way plötzlich auch als Comicautor zu seinem Applaus kommt, ist nicht "total ungerecht". Anders als Nicolas Cage oder Jenna Jameson, die sich neuerdings auch als Schreiber versuchen, ist der Emo mit der Aus-Silber-Mach-Schwarz-Frisur tatsächlich vom Fach. Dass er nämlich auf der School for Visual Arts in New York gelandet ist, hat mit seinem Faible für die Comics von Al Columbia zu tun. Und dass er nach seinem Praktikum bei DC nicht gleich in der Branche geblieben ist, ist wohl dem unerwarteten Erfolg seiner Freizeitband geschuldet.
Gerard Way / Darkhouse Comics
Wer My Chemical Romance gut findet, darf sich ab sofort ruhig auch einmal ein Comicgeschäft von innen anschauen. (Oder muss halt aufpassen, dass Amazon statt in "Musik" in "Alle Produkte" sucht.)
Wer My Chemical Romance blöd findet, soll sich nicht abschrecken lassen. Er singt eh nicht.
BONUS: Wie man eine SuperVIP-Ehefrau / einen SuperVIP-Ehemann vermeiden kann, ohne auf Kinder mit abenteuerlichen Vornamen verzichten zu müssen:
3. Partnerschaftlicher Konsens (Tipp1, Tipp2)
2. Bewerbung als Taschengeldbeauftragter bei Bob Geldof (Global2000-Mitgliedsschaftsausweis nicht vergessen!)
1. Comicbuchautor werden und den Figuren eigene Namen verpassen (Haut auch hin, wenn man sich nicht entschieden kann! Fragt einmal bei Gerard Way nach: die sieben Superhelden haben gleich drei verschiedene Namen! Pro Person! (=21 Möglichkeiten!!!) Warnung: Kann die Leserschaft auch überfordern)