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Pia Reiser

Filmflimmern

10. 2. 2009 - 17:49

Can buy me love?

Als Marionetten des schnöden Mammon tanzen Hilmi Sözer, Benno Führmann und Nina Hoss in "Jerichow" einen Tanz um Betrug und Sehnsucht.

Viel reden tun sie nicht, die Eckpfeiler des tragischen Dreiecks, das Christian Petzold in "Jerichow" aufzieht. Und wenn doch gesprochen wird, dann spucken sie bittere Wahrheiten aus, die sich hervorragend in die Tristesse der Umgebung einfügen, in den ehemaligen Osten Deutschlands, der ramponiert und baufällig vor sich hin welkt und sich weder wirtschaftlich noch landschaftlich in einer Blütephase befindet. Und doch hat sich gerade in dieser Gegend Ali ein kleines Imbiss-Stand Imperium aufgebaut. Als Kind ist er mit seinen Eltern aus der Türkei nach Deutschland gekommen und war seither nie mehr dort. Als kleine Nabelschnur oder als akustisches Post-It die Herkunft betreffend, dröhnt türkischer Pop aus Alis Auto; dort verbringt er auch die meiste Zeit, auf Kontroll- und Abrechnungs- (finanziell nicht rachetechnisch) fahrten von Imbisstand zu Imbisstand.

Auch Thomas (Benno Führmann) will wieder etwas aufbauen in der Ödnis von Prignitz. Als Soldat unehrenhaft entlassen und bis zur Nasenspitze in Schulden steckend, kehrt er zum Haus seiner Kindheit zurück und schlüpft ins Renovierungs-Gewandel, gerado so, als wolle er eine Zeit rekonstruieren, als die Welt für ihn noch in Ordnung und im der Baum im Garten ein Limonandenbaum, genau wie bei "Pippi Langstrumpf" war. Als Zufall und Alkohol am Steuer die beiden Männer aufeinander treffen lässt, wird Thomas zu Alis Fahrer und mit Alis Frau Laura (Nina Hoss) das Dreieck komplett.

Benno Führmann, Hilmi Sözer und Nina Hoss am Strand; Szenenbild aus Christian Petzolds Film "Jerichow"

STadtkino

Ein fatales Dreieck

Im Gegensatz zu "The Postman Always Rings Twice", das als Ausgangskonstellation von "Jerichow" gesehen werden kann (sowie "Carnival of Souls" Petzolds "Yella" inspiriert hat, ohne jemals auch nur annähernd ein Remake sein zu wollen), ist die Frau in der Dreiecks-Konstellation alles andere als Femme Fatale. Nina Hoss wurde in Wifebeater-Unterhemden, ausgestellte Jeans und Flanellhemden gesteckt und trägt mürrische Miene zu viel zu dunklem Lippenstift. Während der misstrauische Ali, der sich von all seinen Geschäftpartnern stetig betrogen fühlt, zu Thomas Vertrauen fasst, fühlt sich der zu Laura hingezogen.

Nina Hoss ist großartig als herb-mürrische Laura, die so passiv scheint und doch irgendwie zum Katalysator des Unheils wird; weniger wegen großer Gefühle als großer Schulden an Ali gebunden, bedeutet Geld für sie die Freiheit, während die Männer Häuser und somit Heimat bauen wollen, "Heimat-Building" ist ein Wort, das Christian Petzold immer wieder verwendet, wenn er über seine Filme spricht. Seine Figuren stecken Geld in den verzweifelten Versuch, sich eine Heimat zu schaffen, ein Wunsch, der sich nie erfüllen wird.

Nina Hoss und Hilmi Sözer vor einem Ziegelhaus, Szenenbild aus Christian Petzolds Film "Jerichow"

Stadtkino

Auf Distanz

Ohne irgendwelche Romantik-Kindereien wie Erröten, Blicke zuwefen oder zufälliges Anstreifen mit der Hand, kommt es an einem Abend zu hastigem Sex am Flur, von dem Thomas eine kleine Bisswunde an der Hand davonträgt; die Lust-Sichtbarmachung in einer ansonsten lustlosen Umgebung. Doch das, was sich zwischen Laura und Thomas abspielt, wird nicht zum Rettungsring-Szenario, es gibt keine Liebesschwüre, kein Herzklopfen, kein Träumen von einer gemeinsamen, besseren Zukunft. Lauras und Thomas Aneinanderklammern, weil alle anderen Strohhalme zur Errettung bereits außer Sichtweite sind, wird zum Gegenteil einer heißblütigen Affäre, wenn es sowas wie eine sachliche Romanze gibt, dann zwischen den beiden. Pertzold wählt die Distanz. Wo andere uns mit Close-Ups überfrachten würden, weicht bei ihm die Kamera - immer um Abstand bemüht - zurück.

Vogelgezwitscher

Gespart wird auch mit Musik, nur ein Thema kommt immer wieder mal zum Einsatz, ansonsten ist das Vogelgezwitscher, das so schön konträr zur tristen Gegend steht, der Soundtrack des Films, der stetig und Dramatik oder Gefühligkeit vermeidend an einem Damoklesschwert bastelt, das dann schließlich mit einem lauten Rumms auf die Protagonisten und die Zuseher herabfällt.

"Jerichow" ist ein Abgesang auf das Geld, das die Beziehungen zwischen den Protagonisten beeinflusst und formt, die ökonimischen Verhältnisse beherrschen den Film, ständig wird von Geld geredet, wird es versteckt, gezählt, werden Abrechnungen geschrieben. Als Zuseher wird man auf Distanz gehalten, beeindruckt, aber vollkommen ungerührt verlasse ich den Kinosaal, um Tage später festzustellen, wie der Film immer wieder nach mir greift; "Jerichow" hat eine längere Inkubationszeit, dann aber erwischt es einen ordentlich.