Erstellt am: 20. 2. 2009 - 10:49 Uhr
Holzvertäfelte Melancholie
Von den mit schwerem Holz verbauten Wänden des altehrwürdigen Studio2 hallten gestern die melancholischen Klänge der jungen Singer/Songwriterin Mel und das fein geraspelte Süßholz von Tanz Baby! wider.
I'm so alone
Schüchtern und ohne Schuhe betritt Mel die Bühne des Studio2 im Wiener Funkhaus, aber alleine ist sie heute abend nicht. Als musikalische Unterstützung hat sie die beiden The Seesaw-Mitglieder Michael "Stootsie" Steinitz an der E-Gitarre und Niki Altmann-Kranzl am Bass mitgebracht. Mel sitzt in der Mitte der beiden Herren, tief über ihre Gitarre gebeugt und beginnt sogleich das Publikum zu verzaubern und für sich zu gewinnen.
Pamela Rußmann
Ihre ruhige, leicht zerbrechlich wirkende Stimme gibt den herzzerreißenden Texten den letzten Schliff und auch wenn man es anhand der Dunkelheit im Studio2 nur erahnen kann, aber dem einen oder anderen sind wohl doch ein paar Tränen die Wangen hinuntergekullert. Zum Abschluss stimmt Mel den Song "Darling Be Home Soon" aus dem Jahre 1967 von Pamela Rußmann
Neben den vier Songs auf ihrer, im letzten Jahr erschienenen, EP "Changing", gibt sie auch viele noch unveröffentlichte Songs preis. Bald wird vielleicht auch das erste Album der Songwriterin erscheinen, auch wenn sie sich zu genaueren Äußerungen noch nicht drängen lässt. Wenn, dann will sie diese LP aber auf jeden Fall mit einer Band in voller Besetzung aufnehmen. Eines verrät uns Mel dann doch noch im Interview: Auf ihrer Rundreise an der kalifornischen Westküste ist ein Video zu einem ihrer Songs entstanden, welches man bald zu sehen kriegen wird.
Tanz Baby!
Nach einer kurzen Umbaupause, in der das illustre Publikum bei kühlen Getränken oder einer Zigarette nochmal in sich gehen kann und den Auftritt von Mel reflektiert und bespricht, steht die nächste Band auf dem Plan: Tanz Baby!, das charismatische Duo aus dem Burgenland, betreten gewohnt adrett gekleidet und korrekt gescheitelt die Spielwiese. Die Rose im Knopfloch von Sänger David Kleinl darf auch auf keinen Fall fehlen. Vorsicht sei geboten, falls man den jungen Mann einmal mit einem Rosenstrauß überraschen will, denn es könnte passieren, dass man die falsche Rosenart erwischt. Für die richtige Rose ist David in der kurzen Zeit zwischen Soundcheck und Auftritt noch schleunigst in den 10. Bezirk gedüst, wo es in einer kleinen Blumenhandlung am Reumannplatz seine Lieblingsrosen gibt, wie er im Interview erklärt.
Pamela Rußmann
Doch auch wenn David Kleinl und Kristian "Mu" Musser ein - für eingefleischte Fans - gewohntes Bild abgeben, so ist an diesem besonderen Abend doch etwas anders. Tanz Baby! haben nämlich auch Verstärkung mitgebracht. Unterstützt werden sie durch den wunderbaren Gesang von Julia Noa Fischer, den akkordeonspielenden Pianisten Stefan Heckel und durch Thomas Pronai (The Beautiful Kantine Band) am Schlagzeug. Eine musikalisch grandiose Combo, die das Publikum begeistern.
Nun hängt der Himmel voller Geigen
Die Präsenz von Frontman David, der nach eigenen Angaben nur singen kann, sobald er seinen Anzug trägt, die Haare zurückgegelt sind und die Rose richtig sitzt, ist überwältigend.
Pamela Rußmann
Als Zuseher bewundert man vor allem den Mut, diese Kunstfigur voller Stolz ausleben zu können und diese oft albern anmutenden, aber doch ins Schwarze treffenden, Texte über das größte aller Gefühle - die Liebe - so zu singen, dass man weiß: Dieser Mann meint es ernst. Und das, obwohl die Texte und die Musik eigentlich aus den Händen des im Hintergrund ukulelespielenden Mu stammen. Bewundernswert ist natürlich auch Davids Stimme - von nachmittaglicher Heiserkeit ist am Abend beim Auftritt gar nichts mehr zu merken, die vielen Haushaltstipps seiner Musikerkollegen - Stimmübungen, Ingwer-Tee, Lutschtabletten, keinen Honig, aber dafür Süßholz-Stückchen zum Schlafengehen in den Mund nehmen - scheinen tatsächlich geholfen zu haben.
Pamela Rußmann
Nur die die träumen, können sehen
Die Überraschung des Abends ist, dass Tanz Baby! bis auf zwei Songs dem Publikum der Soundpark Studio2 Session ausschließlich neue Songs servieren, die auf ihrem Album "Liebe" noch gar nicht zu finden sind. Der Auftritt ist für die Band also ein vollkommenes Wagnis: in ungewohnter Besetzung und mit lauter neuen Liedern im Gepäck. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Tanz Baby! haben - genau wie Mel - vollends begeistert. Der Applaus wollte nicht abreißen, sodass Tanz Baby! es sich nicht nehmen liessen, eine zweite Zugabe zu geben. Wer behauptet, dass deutscher Schlager-Pop nichts taugt, hat diese Band noch nicht erlebt.
Danke für diese mehr als wundervolle Studio2 Session an Mel, Tanz Baby! und das entzückende Publikum.
Zum Nachhören
Die Studio2 Session mit Mel und Tanz Baby! wird am Donnerstag, 26. Februar 2009 in der Homebase (19-22 Uhr) ausgestrahlt. Außerdem wird es wieder MP3s der Session zum Download geben!
Alle Fotos: Pamela Rußmann