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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

6. 2. 2009 - 16:22

Journal '09: 6.2. = Fußball-Journal '09-5.

Wenn Sport, Politik, Wirtschaft und Medien so eng zusammenspielen, dass eine Kategorisierung nicht mehr möglich ist. Anhand der Beispiele Kärnten, Magna und Wiener Stadtpolitik.

Es gibt ja Menschen, die sich mit der Ausrede, dass die Beschäftigung mit Sport ihnen zu minder sei, aus diesem wesentlichen Feld des öffentlichen Diskurses raushalten - sich gleichzeitig aber offen mit Blödsinn wie aktuellen Casting-Shows aller Art auseinandersetzen.

Das ist nicht nur nach einem schwer überkommenen Muster snobistischer Distinktion gestrickt, es ist auch selbstbeschädigend.

Denn ich kriege dort (im tiefen virtuellen Feld des angewandten Voyeurismus) nichts anderes als eine bewusst und platt inszenierte Realitäts-Ferne vorgesetzt, von der ich weder menschlich noch gesellschaftlich profitieren kann, während ich hier (im hüfthohen real-existierenden Sumpf der Vermengung von Populärem - dem Sport eben - mit ökonomisch/politischen Interessen) den aktuellen Stand gesellschaftlicher Zustände perfekt auf den Punkt gebracht serviert bekomme.

Aber gut: wer sich dieser Möglichkeit enthebt, ist ohnehin selber schuld.

Gestern schrieb Jürgen Preusser im Kurier davon, dass die derzeitige Struktur des österreichischen Sports, also eine Konstellation mit ÖOC, BSO, ASKÖ, Union und ASVÖ nicht mehr tragbar sei. Selbst auf legalem Weg verschwinden in diesem überdimensionalen Dachstuhl des winzigen Sporthauses Östereich Förderungsmillionen...
Die parteipolitisch gebundenen Verbände und Dachorganisationen haben eine Aufgabe: Sie sollen dazu führen, dass unsere Jugend nicht die unsportlichste Europa ist. Wenn sich daraus Medaillen ergeben, so ist dies nur ein Nebeneffekt. Das klingt pathetisch, trifft aber gleich mehrere Punkte.

Für andere als die beiden in der Sozialpartnerschaft eingebundenen Kräfte, die beiden Koalitionsparteien nämlich, ist es aufgrund dieser Struktur extrem schwierig, einen Fuß in den großen und populären Sport-Bereich zu bekommen. Der ÖSV etwa, der mächtige Ski-Verband, ist (nicht zuletzt wegen seines Präsidenten) ebenso VP-regiert, im im öffentlichen Diskurs noch präsenteren ÖFB war das Präsidenten-Duell zwischen Windtner und Kaltenbrunner eines zwischen VP und SP, wobei beide auch Rückenwind von unterschiedlichen Raiffeisen-Granden hatten. Da bleibt außer dem auf VIP-Bildern-um-die-Wette-Lächeln kein Platz für andere.

Am Beispiel Kärnten

Dieser Mangel war der Grund dafür, dass sich Jörg Haider, einer der immer in Marketing-Kategorien gedacht hat, in seinem eigenen Land seinen eigenen Fußball-Verein organisiert hat. Zweimal sogar. Der aus dem für diese Zwecke zerschlagenen Austria Klagenfurt hervorgangene (inzwischen unter dubiosen Umständen liquidierte) FC Kärnten war ein Versuchs-Modell für den im letzten Sommer komplett neu aus dem Boden gestampften Club Austria Kärnten. Haider beschaffte die Lizenz (die er dem oberösterreichischen "Oligarchen" Franz Grad aus Pasching abkaufte - an sich ein hochproblematischer Vorgang, der direkt im Anschluss an diesen Vorfall auch verboten wurde), Haider organisierte (via Hypo Alpe Adria) die nötige Finanzierung, Haider sorgte mit seinen Kontakten für Infrastruktur etc.

Nach Haiders Tod war das Interesse seiner Nachfolger an diesem Tool für die Landtagswahlen am 1. März dieses Jahres offenbar gering. Das PR-Genie Haider hätte da noch eine Menge rausgeholt - Scheuch/Dörfler betrachteten den künstlich zu beatmenden Verein eher als Klotz am Bein.

In dieser Situation fuhr FP-Chef Strache mit einer Blutgrätsche dazwischen und fuhr seine Doppelstrategie - nämlich alles zu tun, um das BZÖ machtpolitisch niederzuhalten und es gleichzeitig ideologisch so fest zu drücken, dass es automatisch zu einer Wiedervereinigung kommt. Strache drehte den von Haider als Präsidenten bei Austria Kärnten eingesetzten Mario Canori um, und präsentierte den BZÖ-Mann als FP-Spitzenkandidaten für Kärnten. Das brachte hohe Aufmerksamkeitswerte, größere Verwechselbarkeit (schließlich heißt das BZÖ am Wahlzettel auch "Die Freiheitlichen"...) und vor allem Unruhe.

Die Konsequenzen für den Verein sind hingegen katastrophal. Am 15. 3. muss Austria Kärnten, so wie jeder Profi-Verein der ersten zwei Ligen, seine Lizenz-Unterlagen abgeben, die eine gesicherte finanzielle Basis garantieren. Da es die vormals von Haider als Person garantierten Gelder sowieso nicht mehr gibt und natürlich seit dem Schwenk jede Umterstützung der BZÖ-Landesregierung eingefroren ist, bedeutet das das finanzielle Aus. Es sei denn, die Canori-Strache-FP kommt in die Landesregierung - was via Unterstützung eines zu stimmenschwachen BZÖ-Spitzenmanns oder auch eines SP-Landeshauptmanns gegen Dörfler möglich wäre. Dann könnte der Erhalt der Austria ein Faustpfand sein. Könnte. Denn dieselbe Leichtigkeit, mit der Club-Präsident Canori die Existenz des Vereins mit seinem kurzfristigen Übertritt aufs Spiel gesetzt hatte, käme dann wieder zum Tragen.

Interessanterweise hat sich dieser Tage der Vize-Präsident der Austria Kärnten in die aktuell von allen (außer von Canori selber, der schweigt dazu) geführte "Rettet uns!"-Debatte eingeklinkt: Karl-Heinz Petritz, ehemaliger Haider-Pressesprecher (und auch ehemaliger AZ-Redakteur, um da einmal der Mär zu entgegnen, dass bei diesem Nachfolge-Projekt der Arbeiter-Zeitung nur stramme SPler und versprengte Linke dabeiwaren...) und weiterhin BZÖ-treu, schlägt Alarm, dass schnelles Handeln nötig wäre.

Witzig die Reaktionen der politischen Mitspieler: SP-Kandidat Rohr etwa will erst nach dem Wahltermin drüber reden - also ganze zwei Wochen vor dem Lizenzabgabe-Termin...

Am Beispiel Magna

Die böse Finanzkrise hat natürlich auch den vom Österreicher Frank Stronach in Übersee aufgebauten Konzern Magna erfasst. Ein Werk in den USA muss schließen, in Graz gibt es Kurzarbeit. Und auch sein fußballerisches Engagement wird zurückgefahren - glücklicherweise, meinen die einen, die auf die inhaltliche Verheerung, die Stronachs mit patriarchalem Herrschaftsanspruch gepaartes Unwissen bei der Austria Wien hinterlassen hat, hinweisen, leider, meinen die anderen, die auf seine Erfolge in der Nachwuchs-Arbeit hinweisen.
Genau die ist es aber, die wegrationalisiert wird.
Stronach und seine fußballerischen Statthalter Svetits (FP-nah, hat den GAK finanziell ausbluten lassen) und Neumann sperren ihr Vorzeige-Projekt, die Akademie in Hollabrunn zu. Ohne selber für eine Nachfolge zu sorgen.

Jahrelang wurde jeder sportliche, inhaltliche oder formale Irrwitz, den Stronach und seine Berater in die Diskussion warfen (oder sogar umsetzten), damit entschuldigt: mit der herausragenden Nachwuchs-Schmiede, die er, der Mäzen, da hochziehen würde, und der wir, also Fußball-Österreich, irgendwann den WM-Titel oder die Champions-League-Trophy (alles Ziele, die Stronach blauäugig für innerhalb von ein paar Jahren für realistisch hielt) verdanken würden.

Offiziell sind Stronachs Statthalter empört, weil "man" sie dazu zwingen würde - das sind allerdings nur Krokodilstränen. Das man nämlich etwas unternehmen würde müssen, um die Akademie zu halten, war den Verantwortlichen seit fast einem Jahr klar.
Schuld daran: das sprunghafte Wildwest-Verhalten, das Stronachs neo-amerikanischer Mentalität entpricht. Anstatt sich weiter mit sowas Ungewohntem wie dem Mitbestimungs-Willen von Fachleuten (sowas kennt Stronach aus seiner betriebsratsfreien Firmen-Zone, hallo Lidl!, nicht) bei der Austria Wien herumzuschlagen, kaufte der Oligarch sich einfach in einen Club ein, übernahm eine Lizenz.
Da hatte die Bundesliga zwar (siehe weiter oben, Pasching-Kärnten) die Bedingungen verschärft - aber für den reichen Onkel aus Amerika, der sich einige ehemalige FP-Größen in die Firma geholt hat, aber auch zum Land NÖ und der VP und selbstverständlich auch zur SPÖ (Präsidentschafts-Kandidat Streicher ist ja überhaupt schuld an allem) wurden die Maschen der Bestimmungen wieder ein wenig gedehnt.

Stronach übernahm also die Lizenz eines oberösterreichischen Vereins (des durch das von Franz Grads künstlich herbeigeführtem Ende von Pasching mit in den Orkus gerissenen Teams aus Schwanenstadt) und verpflanzte alles (durch trickreiche Fusionen) in seine Oberwaltersdorfer Zentrale, also nach Niederösterreich. Dort, in NÖ, existieren bereits zwei Nachwuchs-Akademien - und bei österreichweit 12 Bundesnachwuchs-Zentren gehn sich drei pro Bundesland nicht aus. Die Lizenzerteilung dafür fand dieser Tage statt.

Das alles wußten Svetits und Co natürlich längstens.
Hollabrunn wurde bislang der Austria, also Wien zugerechnet. Und die suchen nun einen neuen Standort.
In Wien.

Hollabrunn wird so zu Zwentendorf.
Und Stronachs künstlicher Club Magna Wiener Neustadt bleibt Akademielos; was alles, womit der Anschaffer jemals angetreten ist, ad absurdum führt, und sein Engagement im Fußball endlich auf das reduziert, was es ist: ein Ego-Streichler klassischer Art.
Dem uramerikanischen Prinzip des verlässlichen, langfristig verankerten Mäzenatentums von Bildungseinrichtungen, Denk-Schulen etc., läuft das natürlich zuwider. Aber: Stronach ist eben kein Amerikaner, sondern ein ausgewanderter Österreicher, dessen feudalistisch orientierte Ideologie ihm da noch ordentlich im Weg steht.

Am Beispiel der Wiener Stadtpolitik

Das Ende des Standorts Hollabrunn führt dann direkt zu einem Schlagabtausch im Wiener Gemeinderat. Wie bereits erwähnt, muss die Austria Wien die ihr zugestandene Akademie retten und nach Wien umsiedeln. Dazu sind kurzfristige Finanzmittel nötig. Und natürlich wird in Wien - wie auch in Kärnten oder bei Magna - politisch connected und nach dem kürzesten Weg gesucht, um das nötige Geld aufzustellen. Der einzige Unterschied zum herrschaftlichen Kurzfrist-Engagement des Ex-Landeshauptmanns und dem Gutdünken-Mäzenatentum des unberechenbaren Firmenbosses sind Investitionen in die Infrastruktur einer Fußball-Nachwuchs-Akademie immerhin nachhaltiger Natur anstatt reine Marketing-Tools für Wahlen oder Ego-Spielzeuge für große Kinder.

Das macht das politische System, das hinter dem österreichischen Sport steckt, aber nicht besser.
Denn natürlich ist der Weg, den Austria-Präsident Katzian (Ex-Gewerkschafts-Kapo und SP-Mandatar) zu den verantwortlichen Stellen gehen muss, ein minimaler. Was im Übrigen auch für Rudolf Edlinger (Ex-SP-Minister) und Rapid Wien gilt. Deswegen ist es natürlich, dass die Wiener ÖVP Kritik an der Vorgangsweise übt.

Interessant wird es dann, wenn ein Medium in einer Geschichte die Kritik des VP-Gemeinderats Wolfgang Aigner vom "roten Fördersumpf" aufgreift und zugleich versichert, man hätte "die Unterlagen dieses politisch brisanten Planes zugespielt" bekommen. Das ist einerseits aufg'legt, weil die Wiener Zeitung unter der Leitung von Andreas Unterberger (der die konservative Presse verlassen musste, weil er für sie zu konservativ war) eben diese offene Linie fährt, andererseits war es nicht möglich, ebendort etwas auch nur vergleichsweise Kritisches über die rein parteipolitisch durchgeführte Wahl des ÖFB-Präsidenten zu lesen.
Die tatsächlich interessante und relevante Geschichte dahinter - Geldausschüttung eher für Spitzen- oder für Breitensport? - passierte auch nicht. Vielleicht auch, weil der Proponent für den Breitensport, der Wiener Verbandschef und interimistische ÖFB-Chef Ehrenberger, auch politisch zu stark punziert (VP) ist.

Man kann natürlich nicht verlangen, alles so gnadenlos zu sezieren, wie es der Kollege Skocek zu diesem Thema im Standard getan hat - obwohl das (also Mut zur Deutlichkeit und ein Blick über die reine Interessensvertretung hinaus) nie schadet.
Skocek war übrigens auch bei einem anderen Thema, dem zwischen der Stadt-SP und den Stronach-Leuten ausgepackelten Stadion-Projekt Rothneusiedl (auch ein mittlerweile als beerdigt zu erachtendes Luftschloss) als führender Analytiker unterwegs - ganz ohne Rücksichtnahme auf die politische Färbung.
Das ist es übrigens, was ich unter Journalismus verstehe - im Gegensatz zu einem sich-künstlich-blödstellen...

Am Beispiel von Red Bull

Man kann den Politikern der alten, und den Oligarchen der neuen Schule (zurecht) eine Menge vorwerfen - manchmal schadet ein neuer Blick auf alte, eingeführte, unhinterfragte und deswegen am Rand der gesellschaftsfähigen Moral tänzelnden Usancen nicht. Selbst, wenn er von einem, der nichts als Gutsherrendenken kennt (und hier im Journal noch selten ein gutes Wort abbekommen hat), geworfen wird.

Red Bull-Chef und Salzburg-Mäzen Dietrich Mateschitz (der im Gegensatz zu Stronach zumindest auf dem Sektor der Nachwuchs-Arbeit mit Heinz Hochhauser einen Fachmann beschäftigt) hat den Verein zur Selbstanzeige veranlasst. Damit trägt er massiv dazu bei, die weltweit üblichen, und in Österreich durch die hiesige Bakschisch-Mentalität noch massiv weitergetriebene Betrugs/Unterschlagungs-Seligkeit bei Kicker-Transferverträgen besser hintanhalten zu können, und distanziert sich in aller Deutlichkeit von den dubiosen Geldflüssen bei Transfers, die in der Ära von Kurt Jara abgegangen sind.

Dass ein Umfeld, das sich - wie hier skizziert - in erster Linie als Erfüllungsgehilfe für politische Ränkespiele, ökonomische Interessen oder mediale Suppenküchen betrachtet und sich (zumindest auf den zentralen Vertretungs-Ebenen wie Verband, Bundesliga und auch auf Vereinsebene), wenn überhaupt, nur in zweiter Linie als sportlich oder gar gesellschaftspolitisch verantwortlich sieht (wie das im Eingangs-Statement des Herrn Preusser formuliert ist), daraus etwas für künftige Handlungsweisen mitnehmen wird, darf bezweifelt werden.