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Das Biber

Artikel aus dem Stadtmagazin für Wien, Viyana und Beč. Mit Scharf.

5. 2. 2009 - 15:58

Wenn Ausländer Ausländer hassen

Normalerweise stehen ja die Österreicher im Rassisteneck. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Auch viele junge Wiener mit ausländischem Background sind fremdenfeindlich und antisemitisch.

Von Aleksandar Vrglevski, Ivan Brkić und Daniel Shaked (Fotos)

Viele Kroaten können Serben nicht ausstehen, viel zu viele Serben verachten Montenegriner und Bosnier und alle zusammen machen sich über „spießige“ Slowenen lustig. Nur in ihrer Ablehnung gegen Türken findet die Balkan-Community schnell wieder zusammen. Und wenn es hart auf hart kommt, dann können die Jugos mit den Türken plötzlich erstaunlich gut – nämlich wenn es gegen Juden oder Schwarze geht. Da machen dann selbst die sanften Asiaten mit.

Nicht nur Inländer hassen Ausländer. Auch Ausländer tun es. Es wird nur nie darüber berichtet. Weil es politisch unkorrekt ist? Weil man der FPÖ damit „in die Hände spielt“? Wie auch immer. Vor allem in Großstädten wie Wien gibt’s die absurde Situation: Menschen, die selbst „fremd“ im Land sind und sich als Opfer der rassistischen Österreicher fühlen, diskriminieren wiederum andere als minderwertig und fremd. Ihre Vorurteile haben die Einwanderer zumeist aus ihrer alten Heimat mitgebracht. Die Kinder greifen die Blödheiten ihrer Eltern auf und verbreiten sie in Park und Schule.

Messer an der Kehle

Selbst Angehörige der gleichen Kultur, wie die Balkanos in Wien, sind davor nicht gefeit. Jugoslawien ist wohl nicht umsonst zerbrochen. Am Samstag hängen Kroaten, Bosnier und Co. in Wien zwar alle auf der Balkanstrasse ab – aber nicht alle gemeinsam. Ante (19) aus Kroatien sagt, was er vom Rest des Balkans hält: "Die Serben mag ich nicht. Sie haben einen schlechten Ruf. Wir Kroaten legen viel Wert auf Religion – drum kommen wir auch mit den Moslems nicht aus."

Die Kriegszeit am Balkan hat Spuren hinterlassen. Schnell einmal werfen sich junge Österreicher serbischer, bosnischer oder kroatischer Herkunft die Gräueltaten der Eltern vor. Kroaten gegen Serben, das hat aber auch Tradition. Ein älterer Gastarbeiter erinnert sich an einen Vorfall in einem Wiener Jugo-Lokal in den Siebzigerjahren: Eine Sängerin wird aufgefordert, ein serbisches Volkslied zu singen. Die Kroaten protestieren und wollen einen kroatischen Schlager. "Und schon hat einer das Messer gezückt und hält es der Sängerin an die Kehle!"

Glüßgott, Flüllingslolle mit Leis?

„Glüßgott, Flüllingslolle mit Leis? Sofolt!“ So hat man den Chinesen ums Eck doch am liebsten. Will man, ohne viel zu bezahlen, seinen Lieblingsfilm auf DVD, geht man am besten zu ihm. Er steht verkaufsbereit an jeder Ecke Wiens, überfreundlich und hart arbeitend. Fragt man jedoch eine Chinesin wie Lisha (22) privat, was sie von anderen Kulturen hält, heißt es: „Ich mag keine Leute aus dem Süden Asiens. Wie zum Beispiel die Philippinos, die sind so eingebildet.“ Ein Klassiker sind auch Sätze wie: „Meine Mutter würde mich einen Österreicher heiraten lassen, einen Schwarzen sicher nicht. Da meint sie, dass alle schmutzig sind und meistens Drogendealer.“ Na?! Sind doch nicht alle Asiaten so freundlich und nett? War eh ein Vorurteil …

Türken gegen Kurden, das ist Brutalität

Richtig ab geht’s aber in der türkischen Ecke – Türken gegen Kurden, und umgekehrt – das ist Brutalität. Da gehört es einfach zur Gruppendynamik sich auch hier in Österreich ab und zu einen Molotov-Cocktails in die Scheiben zu hauen. Ja natürlich, immer haben die anderen zuerst angefangen. Aber ehrlich, wen interessiert das schon. „Früher war der Hass zwischen Kurden und Türken viel größer“, sagt die türkische Österreicherin Derya (19). „Ich habe in den letzten Jahren gelernt, wenn ich mich gegenüber einem Türken respektvoll verhalte, tut er das genauso“, ergänzt der kurdische Österreicher Nusret (25). Wie beruhigend. Aber immerhin. Wenn es darum geht, das türkische Nationalteam anzufeuern oder in einer Gruppe von nie weniger als 10 Typen einem 9-jährigem Schwabo-Bürschlein das Handy wegzunehmen, dann sind Türken und Kurden wieder brüderlich vereint. Und natürlich – beim Schimpfen über Juden, Schwarze und Schwabos …

Warum zahlen Juden keine Steuern?

Neulich im Bekanntenkreis eines biber-Redakteurs: Fragt der Jugo-Dragan den Türken-Hasan: „Hey Hasan, wusstest du, dass die Juden in Österreich keine Steuern zahlen müssen?“ Sagt der Türken-Hasan: „Echt unfair, die haben eh das ganze Geld. Und weißt du, warum sie so große Nasen haben? Weil Luft gratis ist.“

Vor allem unter migrantischen Jugendlichen in Wien sind antisemitische Klischees über Juden als geldgierige Ausbeuter gängig. Der Vandalenakt in der jüdischen Schule Lauder Chabad in Wien-Leopoldstadt vor zwei Jahren ging auch auf das Konto eines 24-jährigen Kroaten. Für viele Jugendliche der zweiten Generation ist es ein Faktum, dass Juden in Österreich als eine Art Entschädigung für die Verfolgung im Dritten Reich von der Steuer befreit sind. Woher dieser Unsinn kommt, ist selbst der israelitischen Kultusgemeinde unbekannt. „Wir wissen nur, dass uns oft Leute deshalb anrufen“, erzählt ein Sprecher. „Aber natürlich zahlen auch Juden in Österreich Steuern.“

Großer Schwanz, fette Schwaboweiber

biber. mit scharf

Biber - die erste Stadtzeitung mit scharf - ist ein Pionierprojekt in der österreichischen Medienlandschaft. Die aktuelle Ausgabe des ersten transkulturelle Magazins ist seit dieser Woche in erhältlich.

Wieder mal die beliebte „Neger raus“-Schmiererei in der U-Bahn entdeckt? Wenn ja, muss der „Autor“ dieser Kritzelei nicht unbedingt ein „echter“ Österreicher sein. Bei den Jugos und Türken sind die Schwarzen in der „ethnischen Hierarchie“ ganz unten angesiedelt. „Der Schwarze“ lebt ohne Papiere hier, Asylstatus abgelaufen. Er dealt mit Drogen aller Art, am Urban-Loritz-Platz, vorm Flex und am Karlsplatz. Sonst sitzt er mit seiner Gang im Volksgarten, raucht einen Ofen und macht fette Schwaboweiber an. Aufenthaltsvisum gegen Riesenschwanz, da kriegt jeder was er will.

Arme Schwabo-Luschis

Und die Österreicher? Halten die meisten der Ausländer für echte Luschis – kriegen beim Kicken nix zusammen, im Park immer eins auf die Schnauze und die Frau hat längst die Hosen an. Trotzdem, manchmal ist extreme Vorsicht geboten: Geh nie mit einem Österreicher in den Keller.