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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

6. 2. 2009 - 18:11

Mauerblümchendasein adieu

In den Hinterzimmern des Kunst- und Kulturbereichs arbeiten großteils Frauen. Wie schaffen es die ewigen Zweiten in die erste Reihe? Eine Konferenz im Grazer Forum Stadtpark.

Ein Foto als Suchbild: Das Musikgremium des Forum Stadtpark posiert vor dem Haus im Grazer Stadtpark. Ich bleibe hängen, denn jemand fehlt darauf. Nämlich (mindestens) eine Frau. Nicht, dass es keine Musikerinnen im Forum und seinem Umfeld gebe. Die DJ-Workshopreihe „m³ - Mädchen machen Musik“ begann im Forum zu laufen, Mitinitiatorin Clara Moto zum Beispiel ist seit vier Jahren als Produzentin tätig und live ein Act für sich.
Der Anschein trügt, also wo sind die Frauen?

Das Forum Stadtpark ist ein Mikrokosmos, ein Verein noch dazu, subventioniert von öffentlicher Hand. Und es spiegelt die Verhältnisse im Kunst- und Kulturbetrieb.

Das Musikgremium das Forum Stadtpark: Neun Männer stehen im Freien vor dem Forum im Grazer Stadtpark. Es ist keine Frau zu sehen.

Forum Stadtpark

„Alle Frauenfragen sind Geldfragen, frei nach Johanna Dohnal! … oder mit Elfriede Jelinek: Ich zähle zwar dazu, aber ich komme nicht vor.“

Die Lücke mit den Pünktchen wird kommendes Wochenende aufgefüllt. Der dritte und letzte Veranstaltungsschwerpunkt zum 50-jährigen Bestehen des Forum Stadtpark in Graz ist nicht bloß Frauen gewidmet, sondern wird von Frauen getragen. Dreißig Künstlerinnen, Architektinnen, Dramaturginnen, Ausstellungsmacherinnen, Autorinnen, Soziologinnen, Journalistinnen und Politikerinnen und Musikerinnen werden zu einer Konferenz beitragen. Titel: Patriarchat, Ökonomie und das Politische.

Denn: „Es gibt genug Frauen, aber sie schreien nicht so laut“, sagt Carola Peschl. Erwachsene Frauen, so stumm wie Hello Kitty? Hat sich seit dem Jahr, als Christine Frisinghelli im Forum Stadtpark saß, nichts verändert? Die Kuratorin, Publizistin und heutige Leiterin der Camera Austria brauchte ein Jahr, um sich zu trauen, einen Vorschlag vorzubringen. Männer führten das Wort. Eine erstaunlich offene Erinnerung, die Frisinghelli letzten Juli teilte.

„Es geht uns um das Funktionieren des Kunstbetriebssystems. Und letztlich nicht nur um die Verteilung der Ressourcen, sondern wie damit zusammenhängt, wer welche Funktionen hat. Und wie diese Funktionen benannt sind“, sagt Hermi Grabner de Luca, die das Wochenende gemeinsam mit Carola Peschl konzipiert hat. Auf dem Papier ist Peschl die Stellvertretende des Vorsitzenden des Vereins Forum Stadtpark. Der Vorsitzende und Präsident Bernhard Wolf und sie sind bemüht, als Team zu agieren.

Im historischen Forum waren die Männer die Künstler und die Frauen die Herausgeberinnen oder Organisatorinnen. Durch die Frauenbewegung wurden Mechanismen verschoben. "Es geht lieb und nett zu und im Endeffekt werden wieder die männlichen Namen genannt", stellt Hermi Grabner de Luca fest.

Carola Peschl und Hermi Grabner de Luca verschränken ihre Arme.

Garfield Trummer

Hermi Grabner de Luca versucht seit langem, feministische Inhalte in den Kunstzusammenhang zu bringen. Keine einfache Geschichte, wie sie weiß, „obwohl sich der Kunstbetrieb so liberal und fortschrittlich gibt und Bewertungen so individuell stattfinden“.

No breaking news, dass Frauen und Männer für die gleiche Funktion unterschiedlich bezahlt werden. Nicht anders verhält es sich im Kunst- und Kulturbereich. „Auch eine ökonomische Frage ist, dass die Reproduktion im Kunstbereich zu gefühlten 90 Prozent von Frauen übernommen wird. Sie machen Vermittlungsarbeit, rücken Sessel oder arbeiten Projekten zu.“ Natürlich gibt es da und dort eine Intendantin. Doch in Summe ist das reale Kapitel unterschiedlich verteilt und erst recht das symbolische.

ABC für Alphagirls – oder: Fuck art, let’s dance

Also wie gehen wir es an?
Gegen strukturelle Bedingungen kommt Frau wie Mann individuell nicht an. Die „Frauensolidarität" scheint mit dem individuellen Zugang der Postmoderne aufgebrochen und ad acta gelegt. Doch es gibt ein Bedürfnis zur Auseinandersetzung.
Die dreißig Frauen, die sich im Forum einfinden werden, sind Expertinnen in verschiedenen Bereichen. Das verspricht sehr viel Ein- und Durchblick über zwei Generationen von Frauen und Diskussionsstoff.

Bettina Messner skizziert Guerilla Girls Reloaded. "Radikal verschoben" beschäftigt sich mit einem weiteren sexistischen Ausraster: Margarethe Makovec, künstlerische Leiterin von Rotor, und Doris-Linda Psenicnik greifen dazu einen lokalen Fall auf: Ein verbaler sexueller Übergriff auf eine Frau in aller Öffentlichkeit führte zu einer Emaildebatte im Ausmaß von zwei Wochen und über sechzig Emails. Zum sexistischen "Sager" kam noch als Erklärung des Mannes, sie sei ja auch eine Frau des Balkans und müsste das verstehen. Wie sich Personen aus einer Kulturszene dazu äußerten, ist spannend und wird als kleine Performance mit Textauszügen der damaligen Emails zu hören sein. "Solche Übergriffe darf man als Frau einfach nicht zulassen", sagt Margarethe Makovec. Im Mittelpunkt der Diskussion stand übrigens schnell der Mann.

Die Architektin und Ausstellungsmacherin Margareth Otti buchstabiert das „ABC für Alphagirls – Zum Sprachgebrauch unter der Gläsernen Decke" und die Journalistin Christa Zöchling wird sich an einen feministischen Aufstand, angezettelt von Christa Wolf und Elfriede Jelinek, erinnern. 1977 war das Jahr und Frauensprache/Männersprache im Fokus der Linguistik. Auf ein abwinkendes Danke-Nein stößt das Binnen-I bei Anais Horn, Creative Director und Fashion Stylist. Sie war Mitherausgeberin von "Bob" und nun für das Aussehen der "Wienerin" verantwortlich. "Fuck art, let's dance" steht im Programm, Anais Horn referiert nach ihrer Mutter, Irmi Horn, die mit dem kunstGarten regelmäßig Skulpturen, Filmvorführungen und Lesungen in einen prachtvollen Garten in einen Bezirk von Graz pflanzt, der ansonsten nicht viel davon abbekommt.

Ist der Raum prekärer Arbeit auch prekär? fragt die Architektin Gabu Heindl. Den Weg der Arbeit, vom Fließband zum Wohnzimmerbüro, in dem die Freizeit durch keine Trennwand mehr vor der Arbeit gesichert ist.

Alle Referentinnen und der eine Referent, der Historiker und FH-Studiengangsleiter Karl Stocker, hatten Funktionen im Forum Stadtpark oder dort Projekte umgesetzt. Für viele ist das Forum eine Durchgangsstation. Das Haus im Stadtpark ist geprägt vom Widerspruch einer Institution, die einmal ihre 5-Minuten-Wichtigkeit der Avantgarde hatte und versucht ist, dieser nachzuhetzen. Fünf Minuten sind schnell um.

Die zwei Musikerinnen von Supernachmittag tragen Krawatten und aufgeklebte Bärte. Sie stehen vor einem Waschbecken. Mit den Krawatten sind sie an den Amaturen hängenblieben.

Karin Lernbeiss

Super(nach)mittage

Bevor sich die beiden Wissenschafterinnen Solveig Sol Haring und Anita Mörth alias Supernachmittag ihre falschen Bärte aufkleben, wird man diesen Samstag so einige Strategien erfahren. Nicht bloß punkto Durchsetzungsvermögen.

Sonntags diskutiert eine Runde von Journalistinnen und Politikerinnen über den Status Quo:
FS 48+, "Ökonomie, Patriarchat und das Politische oder wir Präsidentinnen?", Freitag, 6. 2., bis Sonntag, 8. 2. 2009, Forum Stadtpark, Graz.
Freitags versuchen sich Michael Ostrowski und Thomas Rottleuthner ab 18:30 Uhr an einer feministischen Show. Was auch immer da kommt. 20 Uhr: "PioneerTM - Die Soldatin und das Schöne" - Die Soldatin und das Schöne", eine Theaterinstallation von Sarah Fötschl
remixed.
Samstag und Sonntag gehören der Konferenz. Supernachmittag SNM spielen am Samstag, zirka 20 Uhr.
Ein Blick ins Detailprogramm lohnt sich.