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Clara Trischler Jerusalem

Erzählt an dieser Stelle über israelische Alltagsbeobachtungen.

3. 2. 2009 - 16:46

"Ich möchte meinen Ball zurück"

Eine acht Meter hohe Mauer trennt Israel vom Westjordanland.

Die schönsten Nachrichten kriegt man, wenn der Krieg vorbei ist

Stencil, Piktorgramm - Panzer wird abgeschleppt

Clara Trischler

Natürlich ist der Krieg hier nie wirklich vorbei. Natürlich dauert es noch Tage nach Waffenstillständen, bis sich diese subtile Schicht der ständigen Spannung langsam löst. Selbst wenn man von Worten geweckt wird, die von tausenden und tausenden Soldaten erzählen, die im Morgengrauen zurückkommen,
"it's beautiful, they're walking, driving, flying back home, smiling, crying, dirty, bleeding, singing. The rain has stopped and the sun is just rising".
Selbst dann dauert es noch Tage, bis die Soldaten tatsächlich nach Hause können.
Und dann kommen sie, während andere gegangen sind, aber spätestens jetzt kann man (außerhalb Gazas) tun, als wäre alles normal.

In die Luft fliegen

schwarzes Stancil auf einer Mauer - Mädchen fliegt mit einigen Luftballons in die Luft

Clara Trischler

Donnerstags war ich später als sonst auf dem Weg nach Hause. Es war dunkel und der Bus fuhr vor dem jüdischen Markt nicht mehr weiter, was normal ist, es regnet oder staut sich eben, dann steigt man aus und geht zu Fuß. Daran wurde ich gehindert – von einer alten Frau mit sehr weichen Gesichtszügen und großen Augen, die mir erst aufgeregt von einer Bombe erzählte, sich dann Worte suchend korrigierte, dass einer dieser rotgrün-karierten Einkaufswagen, mit denen am Markt regelmäßig Kleinkriege ausgeführt werden, explodiert sei.

Die Menschen stehen in der Straße rund um einen Punkt, an dem nichts zu sehen ist und die Polizei scheucht sie immer weiter davon weg. Es ist unglaublich ruhig. Die Menschen schauen, obwohl es nichts zu sehen gibt. Niemand wurde verletzt. Ich höre noch einen Schuss und folge dann einem entfernten bekannten Gesicht, dass sich eben eine Zigarette angezündet hat und sich schnell Richtung Stadt bewegt.

Banksy Graffitti, Polizist steht mit erhobenen Armen an der Wand während er von einem Mädchen durchsucht wird.

Clara Trischler

Banksy was here

Es war nur ein Einkaufwagen, es gibt keine Verletzten und eine politische Motivation ist einstweilen nicht ersichtlich. Mir bekannte Israelis zucken mit den Schultern.
Irgendwie ist politische Motivation aber auch egal. Es geht um dieses sehr unförmige Gefühl von Unsicherheit in Jerusalem.

Warum gab es diesmal keine Selbstmordanschläge?

Was ungewöhnlich war, an diesem Krieg, war die Abwesenheit von Selbstmordattentaten in israelischen Städten. Dem traut man nicht so ganz. Aber viele Leute glauben das, was auch Statistiken belegen – die Zahl der erfolgreichen Anschläge hat sich bedeutend verringert, seit die Mauer durch das Westjordanland gebaut worden ist. Durch die intensiven Kontrollen und die Schwierigkeit eines freien Grenzübertritts (der Löchern in der Mauer bedarf) ist sie ein Filter, der es für Selbstmordattentäter schwer macht, nach Israel zu kommen, weil er es schwer macht, für Palästinenser insgesamt nach Israel zu kommen.

Mauer in Israel

Clara Trischler

Die palästinensische Seite der Mauer, Bethlehem. "Ich bin ein Berliner"

Diese acht Meter hohe Betonmauer führt nicht entlang historisch nachvollziehbarer Grenzen sondern durch palästinensisches Gebiet und trennt das Westjordanland von Israel.

Graffitti mit Spruch Honeckers "Die Berliner Mauer werde notfalls noch 100 Jahre stehen."

Clara Trischler

Sie wurde 2003 vom Ministerpräsidentschaftskandidat der Arbeiterpartei Amram Mitzna vorgeschlagen. Die Rechte wehrte sich damals erst dagegen, Israel als "Heiliges Land" zu teilen. So weit, so verdreht.

Die Ausreisemöglichkeit aus dem Westjordanland hängt vom Geburtsort ab: Siad und Montaser kennen einander seit ihrer Kindheit. Siad wurde als Araber in Jerusalem geboren und hat einen blauen, israelischen Pass, Montasers Pass ist grün. Ramallah, wo er geboren ist, und Jerusalem trennen im Prinzip zwanzig Minuten. Für Montaser dauert es Stunden.

Die palästinensische Seite der Mauer, Bethlehem.

Clara Schindler

Checkpoint zwischen Betlehem und Jerusalem.
Graffitti  Türausgang mit "Exit" auf Mauer gesprüht

Clara Trischler

Die Mauer trennt Menschen von Lebensgrundlagen wie Feldern, Wasserquellen und Arbeitsstellen.
Die Vereinten Nationen und Amnesty Internation sehen Rechte wie Bewegungsfreiheit, Recht auf Eigentum, Gesundheit, Bildung, Arbeit und Nahrung verletzt.

Abgesehen von der gewonnenen Sicherheit vor Selbstmordattentätern halten manche die Mauer für einen Schritt Richtung Grenzziehung im Sinne einer Zweistaatenlösung für Israel.

Gegner nennen sie "Apartheid-Mauer".
Befürworter nennen sie den "Terrorabwehrzaun".

Ansichten der Mauer

Grenzmauer mit Graffitti von Mann, der den Boden küsst

Clara Trischler

"This is for the broken confessions, lost in translation"

Clara Trischler

Graffitti mit Kamel

Clara Trischler

Graffitis auf Mauer - "I love tourists" und eine Pyramide sowie ein gemütliches Wohnzimmer aus dessen Fenster man eine Ziegelmauer sieht

Clara Trischler

Graffitti mit Frau, die ein Muster häkelt.

Clara Trischler

Tipp: Active Stills

ActiveStills sind israelische Fotografie-StudentInnen, die auf die palästinensische Seite der Mauer Poster von der israelischen Seite und in israelischen Städten Plakate von der palästinensischen Seite der Mauer tapezieren. Die Plakate hängen oft nur wenige Stunden.