Erstellt am: 2. 2. 2009 - 18:03 Uhr
"Ein völlig inadäquates Bild"
Fritz Hausjell ist Professor am Institut für Publizistik der Universität Wien, wo er unter anderem zum Feld "Migration und Medien" lehrt und forscht. Im Interview stellt er den österreichischen Medien und der Medienpolitik ein schlechtes Zeugnis aus: So wurden sowohl die Integration in der medialen Darstellung als auch das Hereinholen von MigrantInnen in die Redaktionen bisher verabsäumt.
Irmi Wutscher: Ganz allgemein: Wie kommen MigrantInnen in den österreichischen Medien vor?
Bettina Frenzel
Fritz Hausjell: Die Typologie, wie MigrantInnen in den österreichischen Medien vorkommen, ist leider sehr klar und verhältnismäßig simpel: Auf der einen Seite sind sie ziemlich massiv in der Kriminalberichterstattung präsent, auf der anderen Seite sind sie in der politischen Berichterstattung als Problem auffällig. Dann gibt’s noch, so als einzigen positiven Bereich, den, wo MigrantInnen als SportlerInnen besondere Leistungen erbringen, da werden sie dann ganz rasch eingemeindet zu ÖsterreicherInnen.
Ansonsten ist auffällig, dass sie letztlich immer AusländerInnen bleiben. Und dass das vor allem in der Kriminalberichterstattung auch noch dadurch sehr stark betont wird, dass, wenn jemand einer kriminellen Handlung verdächtigt wird, hier - zumindest in der Boulevardpublizistik - entweder die Herkunft genannt wird oder durch die Erwähnung der Hautfarbe eine ganz deutliche Stigmatisierung passiert. Umgekehrt haben wir das bei österreichischen Tatverdächtigen nicht.
Es gibt außerdem noch diese massive Bild: MigrantIn ist gleich arm und schlecht gebildet. Was, wenn wir auf die Gesamtstruktur blicken, so gar nicht stimmt. Aber vor allem durch die Medienberichterstattung bekommen wir so ein Stereotyp aus einer Mischung von alter GastarbeiterInnen-Generation kombiniert mit neuen Armutsflüchtlingen.
Zu dem bisher Angesprochenen kommt, dass in jenen Medien, in denen die Alltagsleistungen der Bevölkerung sehr stark hervorkommen, das sind vor allem die regionalen Wochenzeitungen, in denen zum Beispiel die verschiedenen Aktivitäten von Vereinen präsentiert werden, die Leistungen der Migrantinnen so gut wie nicht präsent sind. So wird diese Schieflage noch verstärkt.
Was wäre Ihrer Meinung nach zu tun, um eine bessere Integration von MigrantInnen in den Medien zu gewährleisten?Es wären mehrere Strategien wichtig. Auf der einen Seite wäre natürlich der Reflexionsprozess im Journalismus ganz wichtig, als erster Schritt, um den MedienmacherInnen klarzumachen, dass das ein völlig inadäquates Bild ist, das sie da vermitteln. Und dass das nicht nur den MigratInnen schadet, sondern auch den Nicht-MigrantInnen, weil es sie doch um viele Chancen bringt, hier die bunte Vielfalt Österreichs wahrzunehmen.
Das zweite ist die Strategie, die Redaktionen zu multikulturalisieren, die auch aus der Forderung resultiert, dass es einfach um faire Berufschancen in einem attraktiven Berufsfeld geht. Es ist eigentlich nicht einzusehen, warum MigrantInnen hier so deutlich unterrepräsentiert sind. Dort, wo Länder und Mediensysteme sich darum bemühen, ist aber auch erkennbar, dass alleine eine positive Grundhaltung noch nicht sehr viel ändert. Wobei wir in Österreich diese positive Grundhaltung noch gar nicht haben. Aber selbst wenn wir diese durch eine Bewusstseinsprozess erreichen, dann bedarf es immer noch vieler spezieller Aufwendungen. Denn der Arbeits- und Bildungsmarkt bringt schon Verzerrungen mit sich, und man kann nicht einfach an die Unis, FHs und Journalismus-Kollegs gehen und sagen: Gebt uns die guten MigratnInnen. Denn das Bildungssystem bringt es mit sich, dass da nur ganz wenige sind. Wir brauchen also die entsprechend gut ausgebildeten Menschen. Die Politik hat hier, so wie sie in der Integrationspolitik säumig war, keine Medienpolitik, die integrative Zielsetzungen verfolgt, geleistet. Im Bereich der Journalismus-Ausbildung gibt es überhaupt keine Maßnahmen bis jetzt, das ist völlig unverständlich. Wobei nicht einmal einschlägige Seminare, etwa zum Thema "Wie vermeide ich rassistische 'Berichterstattung?'", zu registrieren sind.
Und wenn man dann die Bilanz weiter zieht: Das Einzige, wo es positive Signale gibt, sind einzelne Journalismus-Preise, die eine fairere Berichterstattung würdigen. Das kann man positiv festhalten, aber die Bilanz in den anderen Bereichen ist leider wirklich extrem negativ.
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Und wie sieht es mit der Mediennutzung der MigrantInnen selbst aus?Wir haben nach wie vor das große Problem, dass in der Forschung die Mediennutzung der Migrantinnen so gut wie nicht abgebildet wird. Das betrifft den Printmedienbereich genauso wie den Onlinemedienbereich, wie das Fernsehen und den Hörfunk. Der ORF hat jetzt die ersten Schritte in die Richtung gesetzt, das begrüße ich sehr. Aber: Wir sind hier erst am Beginn. Es gibt auch im Bereich des Ethnomarketings keine Initiativen. Man hat sich nicht darum gekümmert, MigrantInnen zu LeserInnen zu machen. Wenn schon das Bild vorherrscht, dass es sich hier um Menschen handelt, die unter schwierigeren Verhältnissen leben, als die gesellschaftliche Mehrheit, dann könnten man ihnen ja ähnlich, wie den Studierenden, mit einem reduzierten Abopreis entgegenkommen. Das ist nie versucht worden.