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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

2. 2. 2009 - 14:41

Fußball-Journal '09-3.

Fußball, Wirtschaft und Politik, Teil 2: der ÖFB.

Heute fällt die Vorentscheidung um die ÖFB-Präsidentschaft, die Nachfolge für den unglücklichen Stickler, ein wichtiger Fingerzeig für die Richtung, die der neben dem ÖSV wichtigste Sportverband des Landes, der von kollektiven emotionalen Zuschreibungen überlagert wird, dass es nur so kracht, einschlagen wird.

Johann Skocek hat am Samstag im Standard in einer vor offener Ansprache der Hintergünde und Wahrheiten nur so triefenden, beinhart-bitteren, ganz hervorragenden Geschichte (die im übrigen alles an Kontext-Philosophie, direkter Ansprache alles Wissens und fast schon emotionaler Nähe zum Thema beinhaltet, das ich an anderer/ähnlicher Stelle auch für das Thema-Pop-Rezension gefordert habe - wer kann, der kann; wer nicht, der nicht...) dargelegt, wie die Fädenzieherei hier läuft.

Dass nämlich beide Kandidaten (Leo Windtner, der OÖ-Verbands-Präsident und Günter Kaltenbrunner, Ex-Rapid-Präsident) von der Gnade der Raiffeisen-Bosse abhängig sind, dass aber natürlich auch politisch (der eine ist strammer VP-Mann, der andere nominell SPler, aber Schulfreund von Raika-Strippenzieher Konrad) taktiert wird, und als zusätzliche Ebene noch die hausinterne Machtpolitik des ÖFB (in Gestalt des immer schon mächtigen, aber jüngst auch noch aufgewerteten Generalsekretärs Gigi Ludwig) eine wichtige Rolle spielt.

Das übliche taktische Spiel

Ob nun der von Ludwig, Interimspräsident Ehrenberger und heute auch von ÖSV-Chef Schröcksnadel via Kurier unterstützte Kaltenbrunner oder der von VP-NÖ, der Energie-Lobby und vielen Landeschefs unterstützte Windtner durchsetzt - die programmatische Kopmpetenz der beiden spielt bei dieser Entscheidung keinerlei Rolle. Deswegen taktieren wichtige Player wie Raika-OÖ-Chef Scharinger oder VP-Clubchef Kopf (ehemaliger Vorarlberger Landespräsident) auch noch. Und deshalb gab es zuletzt auch Nebelgranaten in Form von neu ins Spiel gebrachten Kompromiss-Kandidaten wie Gerhard Skoff oder Ex-Minister Bartenstein.

Derlei ist im Schnitt-Bereich von wichtigen ökonomischen und (gefühlt) wesentlichen politischen Interessen mit emotional aufgeladenen Prestige-Jobs (und der des ÖFB-Präsident ist ein garantierter Medien-Bringer) nicht unüblich und bis zu einem gewissen Grad auch nicht wegzudiskutieren - eine inhaltliche Verbesserung des strukturell maroden Verbands und seiner schwachen Personaldecke schließt das aber bis zu einem gewissen Grad aus.

Windtner oder Kaltenbrunner...

Windtner, der in seinem Bereich Unsinnigkeiten wie diese zu verantworten hat, wird das Problem der übergroßen Einflussnahme von Funktionären, die wegen ihrer primären Aufgabe sich um Breiten/Amateursport zu kümmern, im lokalen Denken steckenbleiben, und so keinen Blick für professionelle Fußball-Strukturen haben, nicht lösen.

Kaltenbrunner, der von der Bewahrer-Gruppe um Platzhirsch Ludwig, dem zum Thema notwendige Reformen einzig die Weiterführung des Bestehendes einfällt, herbeigesehnt wird, weil der ihn tendenziell als Frühstücks-Direktor ansieht, hat zwar innerhalb des ÖFB noch keinen Mist gebaut, hat sich durch seinen Kuschelkurs der letzten Wochen auch keinen Vertrauenspolster erarbeitet.

Wie Ludwig weiterhin zu arbeiten gedenkt, erkennt man an einer jüngst erledigten Personalie. Als neuer Teamtormann-Trainer wurde Bernhard "Franz" Wohlfahrt engagiert, ein Mann mit vielen Kontakten und Talenten, der gerne in Talkshows gastiert und mit seiner Eventagentur gut im Geschäft ist - also alles mögliche kann. Guter Tormann-Trainer ist er aber keiner. Seine bisherigen Stationen: die kaputtgegangenen Clubs Untersiebenbrunn und Schwadorf, wo windige Besitzer ihn wegen seiner andersweitigen Kontakte engagierten.

Ein (derzeit freier) Mann wie Hans Leitert, der immerhin Tottenham Hotspur, Huelva oder Panathinaikos auf seiner Visitkarte hat und ein international höchst anerkanntes Standard-Werk zum Thema Tormanntraining verfasst hat, war scheinbar nicht gut genug.
Da holt man lieber einen (sportlich erfolglosen und inhaltlich hauptsächlich an Auffälligkeit interessierten) Haberer mit politischen Kontakten anstatt sich mit einem echten Experten zu belasten, der einen womöglich inhaltlich vor Anforderungen stellt - sowas ist einem echten Funktionär von altem Schrot und Korn ein Graus!

... oder: eh wurscht?

Solange Personalien, Struktur-Debatten und Konzeptuelles weiterhin auf diesem Niveau stattfinden, ist es ziemlich wurscht, wer den Laden ÖFB künftig führt - denn die machtpolitische Konstellation wird schon dafür sorgen, dass der Fußball-Verband sich auch weiter nicht drum kümmert, den Sport weiterzubringen, sondern als Versorgungsstelle zu diesen, als wär sie ein politisch beschickter Aufsichtsrat. Was dann automatisch zu einem schwachen Präsidenten führt.
Nicht jeder hat die Wildsau-Mentalität eines Schröcksnadel.

PS: Glücklicherweise hat wenigstens Team-Assi Andreas Herzog, der sich ja versehentlich bereits für einen richtigen Trainer hält, einen ersten echten Alleinverantworter-Job bekommen: er ersetzt den verstorbenen Peter Persidis und übernimmt das U16-Nationalteam.