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Elisabeth Gollackner

Subjektivitäten, Identitäten und andere feine Unterschiede.

4. 2. 2009 - 05:00

Hier spricht Ihr Systemadministrator

"Leider setzt sich das Glück nicht aus Emails zusammen." Oder: Warum Daniel Glattauers Roman-Experiment in die zweite Runde gehen musste.

Daniel Glattauer ist ein Dienstleister im Literaturbetrieb. 13 harte Jahre lang hat er uns als "dag" mit seinen Kolumnen auf der Titelseite der Tageszeitung Der Standard bedient, 13 Jahre lang ist er auf Lob, Anregungen und Beschwerden seiner Leserschaft mit akribischer Geduld eingegangen. Da erstaunt es dann auch wenig, dass der Fortsetzungsroman zu seinem Bestseller "Gut gegen Nordwind" nur deshalb entstanden ist, weil so viele Beschwerden per Mail reingekommen sind, dass er die Geschichte keinesfalls so enden lassen könne - und dass die Welt erfahren MÜSSE, wie die Geschichte über das Online-Liebespaar Emmi und Leo weitergeht. Wie gesagt: Glattauer ist ein Dienstleister. Ein mutiger, muss man anmerken. Und deshalb liegt jetzt die Fortsetzung auf dem Tisch: "Alle sieben Wellen".

Save me

Eine Frau sitzt am Bett, aufgestützte Hände, denkt nach. Über ihr der Sternenhimmel.

Deuticke Verlag

Beide Bücher bestehen aus einem einzigen E-Mail-Dialog, der sich über zweieinhalb Jahre hinzieht. Aus einer Mail mit irrtümlich falschem Adressaten wird Geplänkel, aus dem Geplänkel wird Sehnsucht - ja, und damit wären wir auch schon beim Kern dieser kurzweiligen und amüsanten Bücherpaarung: Zwei Menschen, die sich nicht kennen und gerade deshalb sämtliche Wunschvorstellungen auf die Person am anderen Ende der Standleitung projizieren können.

Wie auch die Tourismusbranche oder die Filmindustrie, nascht Glattauer am Erfolgskonzept, das dieser Tage am meisten abwirft: Das Gefühl der Sehnsucht. Es scheint fast so, als hätte sich die westliche Welt darauf geeinigt, dass das Hoffen und Warten viel spannender ist als das, was man schlussendlich kriegt.

... from what I want

In Glattauers Fall boykottieren die beiden Hauptfiguren noch zusätzlich jede Möglichkeit, die Blase platzen zu lassen. "Save me from what I want" könnte die Aufschrift auf ihren T-Shirts lauten - wobei wir LeserInnen nicht mal wissen, ob sie überhaupt T-Shirts tragen. Das macht auch einen Teil des Reizes an Glattauers Email-Romanen aus: Der Spielraum der eigenen Vorstellung bleibt riesig. Als Voyeur des elektronischen Briefwechsels zwischen Emmi und Leo ist man genauso ahnungslos wie die Protagonisten selbst, was Absicht, Arbeit oder Äußeres des Gegenübers betrifft. Das macht das Lesen leicht, das bleibt spannend, so ein Buch frisst man in null komma nix.

A little less conversation, a little more action

"Gut gegen Nordwind" hat sich mit dieser Leichtigkeit schnurstracks in die Herzen der Glattauer-Leserschaft geweht. "Einer der zauberhaftesten und klügsten Liebesdialoge der Gegenwartsliteratur", schrieb zum Beispiel der Spiegel darüber.

Beine baumeln vom Steg und spiegeln sich im Wasser. Das Buchcover von "Alle sieben Wellen".

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Dass ein Teil 2 schwieriger werden würde, war klar: Zuviel war bereits geschehen, zuviel gesagt - "Alle sieben Wellen" musste am Boden der Tatsachen landen. Und dabei einiges an Leichtigkeit und Spielerei verlieren. Glattauer tut das einzig mögliche, um die Fortsetzung nicht zur hohlen Endlosschleife zu machen: Er lässt seine Figuren aufeinandertreffen, gleich am Anfang mal, gibt ihnen dadurch mehr Kontur, mehr Frust, Härte, Zynismus und Manipulationsgabe. Fremdschämen und Antipathie-Attacken inklusive. Wenn Teil 1 das Gefühl vermittelt hat, dass alles möglich ist, dann heißt es bei Teil 2: In deinen Träumen vielleicht. Die Wirklichkeit sieht immer anders aus.

Schreiber für Nicht-Leser

"Man kann nur die Dinge tun, die einem selbst entsprechen", meint Daniel Glattauer im Interview. Und weil es der ungekrönte König des Einserkastls beim Lesen selbst gerne "flott, schnell und spannend" mag, schreibt er auch genauso. Glattauers Output - seien es Kolumnen oder Bücher - verlangt nicht viel und reiht sich trotzdem unter die Top Ten an Sätzen, die man jahrelang im Gedächtnis behält. Und dass der Mann auch Selbstironie besitzt, beweist er, wenn er sagt: "Ich bin anscheinend ein Schreiber für Nicht-Leser".

Daniel Glattauer: "Alle sieben Wellen"
Deuticke Verlag 2009