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Michael Schmid

produziert Texte und Radiobeiträge für Connected, Homebase & Im Sumpf

31. 1. 2009 - 10:05

Sonic Youth etc.: Sensational Fix

Die Subkultur ist im Zentrum der Gesellschaft angekommen. Eine Austellung rund um Sonic Youth in Düsseldorf.

Nicht unbedingt bedrohlich, aber zumindest kontrollierend, beaufsichtigend hängt das junge Liebespaar als T-Shirtdruck an der Wand vom Plattenladen meines Vertrauens und beobachtet mit der nötigen Arroganz subkultureller Bohemians, welche Platten aus den Kisten gezogen werden und welche auf dem Teller landen.

Sonic Youth Goo Albumcover, Schwarzweißzeichnung eines Liebespaars

Sonic Youth

Sonic Youth "Goo"

Gekauft wird das T-Shirt eher selten, zumindest schaut es in diesem Laden nicht danach aus. Wahrscheinlich weil es gar nicht einfach ist, ein Bild mit dieser popkulturellen Schwere (ohne Zynismus) spazieren zu tragen. Raymond Pettibons Schwarzweiß-Zeichnung für das Cover von Sonic Youths "Goo" ist zur Ikone eines aufgeklärten No-Wave- / Noise- / Post-Rock Fantums geworden. Vielleicht ist der Respekt zu groß oder die Angst vor potentiell entlarvenden Fragen eines Auskenners, etwa nach der B-Seite irgendeiner 12" Deluxe Edition oder nach dem erweiterten künstlerischen Kontext von Sonic Youth?

Konzeptkunst

Gerhard Richter hat Andy Warhol 2004 als "gefragtester Künstler der Gegenwart" im Kunstkompass der Zeitschrift 'Kapital' abgelöst.

Ein Kontext, der schwer zu überblicken scheint. Kaum eine Band hat es geschafft, ihren Wirkungsgrad so tief in Richtung bildende Kunst hineinzutreiben und ihr Coverdesign so eng mit zeitgenössischer künstlerischer Produktion zu verweben, wie Sonic Youth. Pettibon zeichnet "Goo". Mike Kelley stellt für "Dirty" eines seiner abgelutschten Stofftiere zur Verfügung und Gerhard Richter malt für "Daydream Nation" eine Kerze. Dass Transfers dieser Art stilbildend und wertschöpfend in beiden Richtungen sein können, zeigt letzteres Beispiel. Richters "Kerze" erzielte im Februar des vergangenen Jahres 9,41 Millionen Euro bei Sotheby's.

Gerhard Richters Bild Kerze am Cover von Sonic Youths Album Daydream Nation, eine weiße brennende Kerze vor weißer Wand

Sonic Youth

Sonic Youth standen seit ihrer Grüdung 1981 für einen kozeptionellen Ansatz innerhalb der Rock-Tradition, in dem die Zusammenarbeit mit benachbarten künstlerischen Gattungen einen fixen Platz einnahm. Vor allem Kim Gordon begreift sich nicht nur als Musik-Produzentin, ihre Interessen decken ein breites Feld von bildender Kunst über Film bis zur Performance ab. Sie arbeitet schon seit den 80ern als Künstlerin und Kuratorin. "Hier steht nicht der begehrte Starkörper im Mittelpunkt – auch wenn Kim Gordon und Thurston Moore bis heute viel Sex-Appeal besitzen –, sondern die Identifikation mit einer ganz bestimmten Idee von Boheme und Experiment", schreibt Martin Büsser in der aktuellen Jungle World.

Die Ausstellung Sonic Youth etc.: Sensational Fix war schon in St. Nazaire und Bozen zu sehen und wandert über Düsseldorf nach Malmö.

Und da sich Pop schon seit längerem als die große Konstante innerhalb der Kunst zu erkennen gibt, üben Sonic Youth und ihre gemeinsamen Projekte mit KünstlerInnen, FilmemacherInnen, ModedesignerInnen, SchriftstellerInnen auch für die Institutionen der Hochkultur einen gewissen Reiz aus. Seit vergangenem Juni tourt deshalb eine interdiszipliäre Ausstellung durch Europa und zeigt Konzertplakate, Gemälde, Singles, Gitarren der Band, aber auch Werke anderer aus dem Musikkontext bekannter Künstler wie John Cage, Curt Kirkwood (Meat Puppets), Jim O'Rourke, Patti Smith oder Mike Watt.

Mehrfarbige Kreise sind sehr regelmäßig auf weißer Wand gemalt, daneben hängt eine Akkustikgitarre

Marc Domage

Michael (The Dead C) Morley, You Pose You Lose, 2008 und / and Lee Ranaldo, HWY SONG #1, 1996/99

Beeindruckend ist vor allem die Liste der beteiligten BilderproduzentInnen: Vito Acconci, Rita Ackermann, Isa Genzken, Dan Graham, Rodney Graham, Matt Groening, Jenny Holzer, Spike Jonze, Paul McCarthy, Tony Oursler, Ed Ruscha, Robert Smithson oder Jeff Wall.

Alternative Geschichte?

Welchen "Entwurf einer alternativen Geschichte der zeitgenössischen Kunst" Kurator Roland Groenenboom mit Sonic Youth etc.: Sensational Fix zeigen will, ist fraglich, denn das, was er hier zeigt, IST die Geschichte der zeitgenössischen Kunst.

Ausstellungsplakat der Kunsthalle Düsseldorf mit der Aufschrift Sonic Youth etc.: Sensational Fix

Kunsthalle Düsseldorf

Ein Großteil der in Düsseldorf ausgestellten KünstlerInnen waren schon einmal im Kontext einer documenta, Biennale oder zumindest in einer ganz großen Schau eines ganz großen Hauses zu sehen. Eine etabliertere Geschichtsschreibung gibt es wohl kaum, und wenn die Museen und hochkulturellen Instituionen unserer Zeit weiterhin mit der Produktion von Geschichte beauftragt sind, dann wird in dieser Geschichte Pop wohl ein Wort mitzureden haben, denn es scheint, als ob die ehemals subkulturellen Ränder der Gesellschaft ins Zentrum gerückt sind.

Neue Schnittmengen

Arte Tracks zeigt am 6. März 2009 ein Portrait der Band. Am 22. April 2009 spielen Sonic Youth live im Rahmen des Donaufestivals 2009 in Krems.

Vor allem aber zeigt die Ausstellung, dass Pop-Sozialisation eine implizite Vorraussetzung für künstlerische Produktion geworden ist. Waren KünstlerInnen wie Dan Graham, Yvonne Rainer oder Adrian Piper noch Einzelfälle, so ist die Gleichzeitigkeit und Gleichberechtigung von Kunst und Pop zur dominanten Kategorie einer zeitgenösssichen künstlerischen Praxis geworden und schafft völlig neue Schnittmengen zwischen Kunst- und Popöffentlichkeiten.

Bleibt nur noch die Frage, wann endlich Dan Graham T-Shirts im Plattenladen des Vertrauens hängen werden.