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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

28. 1. 2009 - 15:12

Journal '09: 28.1.

Schwierig.

Noch einmal zu etwas, was im Umfeld des FM4-Fests passiert ist, einer Rand-Geschichte, die mich inhaltlich wirklich unangenehm berührt hat - im Gegensatz zu der Debatte der letzten Tage, die sich (zumindest in meinem Kopf) eher abstrakt abgespielt hat.
Ich erwähne den Anlassfall, obwohl mir klar ist, dass sich wieder die Mehrheit derer, die reagieren, dran festkrallen und nicht davon runter- oder loskommen werden: zu tief sind die Simplifizierungen und Personalisierungen in der österreichischen Seele angelegt, als dass es zu der im angloamerikanischen Raum aber auch in Frankreich und sogar in Deutschland präsenten Leichtigkeit der Versachlichung von Diskussionen über Lebens- und Handlungs-Prinzipen kommen könnte.

In der großen Arena-Halle trat ein sehr junges Trio aus Hamburg auf, die 1000 Robota, eine mit Vorschusslorbeeren fast schon zugedröhnte Band, die in der Tradition von Gang of Four (Musik), Fehlfarben (Texte) oder auch MG Telekommander (Zwiesprechgesang) agieren und damit, aber auch mit Ungewöhnlichkeiten wie einem akkordbetriebenem Bass erstaunlich komplexes Niveau erreichen.

Das mit der "schwierigen" Band

der drummer der 1000 robota

Ute Hölzl / FM4

Weil sie verdammt jung sind (1x17, 1x18 Prä-Abitur, 1x18) kommen sie in ihren öffentlichen Äußerungen (Interviews, Auftrittswirkung) zwangsläufig noch nicht an die Dichte und Intensität ihrer Textwelten heran. Das hat sie im Vorfeld dazu gebracht, sich selber als "schwierige" Band zu bezeichen. Das hat sich im Verlauf des Samstag-Abends dann auch mit seltsamem Beef mit der Technik und einer von Anfang an nicht friktionsfreien Begegnung mit einem von Franz Ferdinand und den Puppetmastaz in sehr positive Stimmung gebrachtem Publikum gesteigert.
Denn die 1000 Robota sind nicht positiv oder witzig, sie sind in einer sehr jugendlichen Blase des Sich-Selbst-Ernstnehmen-Müssens gefangen, die sie davor beschützt, per Kindchenschema vereinnahmt zu werden, wo sie das nicht wollen, sie sind (absichtlich) Geiseln ihrer eigenen Ernsthaftigkeit. Und darin sind sie wunderbar unverrückbar.

Das was mir dann unangenehm aufgestoßen ist, war nicht die (verhaltene) Reaktion vorort, sondern das erklärende Gerede am Tag danach. Kollege Robert Glashüttner hatte in seiner Hallen-Rückschau den Robota-Spruch von der "schwierigen" Band, die sie halt seien, thematisiert, und prompt fand sich der Begriff dann auch im Forum wieder.
Und zwar als Ausrede dafür, warum diese komische Band, mit der man - gerade zu diesem Zeitpunkt des gesamten Abends - nicht so viel anfangen konnte, endgültig abzuhaken wäre. Klar, "Schwierig, my ass..."

Das ist der dümmste Knieschuss, den ich seit langem vernommen habe.
Weil etwas "schwierig" ist, ist es leicht beseitezuschieben. Weil etwas "schwierig" ist, braucht es keine Auseinandersetzung, sondern kommt in eine entsprechende Schublade.
Mit dem dankbar aufgegriffenen "zu schwierig"-Modus lässt sich nämlich sowieso bereits alles, was sich nicht an den simplen Kritieren des angewandten Populismus (dem nicht nur das Mainstream-Publikum, sondern mittlerweile scheinbar alle verfallen sind), der Simpli/Personifizierung orientiert, wegdrücken als wär es eine depperte Hausaufgabe.

Ich halte diese Einstellung für verheerend.

Ausschließlich das Schwierige ist der Motor für sämtliche zivilisatorische Errungenschaften, das Schwierige, das Sich-Stellen und die Überwindung, das Begreifen, das Lernen damit und daraus.

der bassist der 1000 robota

Ute Hölzl / FM4

Alles andere, das Leichte, das Glatte, das Einfache dient dazu den Status Quo zu befüttern, die Stagnation zu erleichtern, den Stillstand zu befürworten.
Natürlich ist das die bequeme Lösung.
Und genau deshalb fällt der Populismus auf so fruchtbaren Boden: den menschliche Ur-Instinkt sich vom "Schwierigen" fernzuhalten mit entprechender Anfeuerung unterstützen; alles Komplexe als Blödsinn für Eierköpfe zu diffamieren; die pipi-einfachste aller Lösungen abzubieten und dabei auch noch ein gutes Gefühl zu vermitteln.

Sich mit diesem Mitteln inhaltlich von der Zivilisations-Entwicklung abzukoppeln ist nicht nur ein dreister und offener Rückschritt in überkommene Zeiten, es ist auch infam.
Die Infamität besteht darin, die animalische, antisoziale, unsolidarische Grundtendenz des Homo Sapiens nicht nur anzusprechen, sondern auch noch sie als eigentlichen Lebenszweck zu promoten. Das gesamte populistische Marketing ist auf diesen dumpfen Mechanismus programmiert.

Weil sich das, was oft genug gesagt wird, irgendwann in die Wahrheit verwandelt (wir erinnern uns an den entsprechenden Ausspruch des großen Weisen Andreas Khol), fällt es auch den alphabetisierten, besser ausgebildeten, meinungsmachenden und womöglich sogar diskursfähigen Menschen zunehmend schwerer, sich der Faszination der "neuen Leichtigkeit" zu entziehen. Ich sehe durchaus kluge und für die Debatte in diesem Land wichtige Menschen dabei zu, wie sie zunehmend drauf reinkippen, wie "das Schwierige" immer mehr zum Schimpfwort im Sinn der Erfinder wird, wie das Avancierte zunehmend zu einer No-Go-Area verkommt, die nicht nur von der konsumistischen Masse, sondern zunehmend auch von den sich als kritisch einschätzenden Verbrauchern als solche gelabelt wird.

der gitarrist der 1000 robota

Ute Hölzl / FM4

Einschub: Vielleicht merkt der eine oder die andere, dass das Wesen, der diskussionswürdige Kern dieses heutigen Journal schon längst nichts mehr mit dem Anlassfall zu tun hat - das nur als Erinnerung, den zweiten Absatz betreffend...

Schwierig vs Leicht, Entwicklung vs. Stagnation

Dass derlei auch im FM4-Umfeld auftaucht, darf nicht verwundern. Ich halte es nur für notwendig dann (also jetzt) sofort festzuhalten, wie widersinnig die Verwendung dieser neuen scheinbar so praktischen Instant-Ideologie in einem Umfeld ist, das sich per definitionem mit dem Schwierigen, Nicht-Einfachen und Nicht-Glattem auseinandersetzt.
Klar liegt die Unterscheidung im Auge des Betrachters. Für viele normale Österreicher aber sind zb auch schon Franz Ferdinand "schwierig". Und für viele, die sich im Popkontext ein bissl auskennen, ist zb Antony die Grenze. Und wieder andere halten alles außer der eigenen (radikalen) Ansicht für glatt/einfach/böse (letztere waren gestern abend freilaufend und bei einer Diskussion zu Sneaker Stories generalversammelt - dazu diese Woche wohl noch mehr).
Gemeinsam ist den halbwegs kritischen Usern der dunklen Seite des Popkultur-Mondes (die sich durch Autorenschaft anstelle des puren kommerziellen Kalküls von der der Erde zugewandten Seite abgrenzt) wohl bloß das Bewusstsein, sich am zivilisatorischen Entwicklungs-Prozess beteiligen zu wollen.

Das sollte aber nicht nur Option oder Pflicht, sondern Aufgabe und Kür sein.

Dafür wiederum ist die Beschäftigung mit dem "Schwierigen" unabdingbar. Weil nur die sicherstellt, dass wir nicht in der Gemütlichkeit des eigenen Safts verdummen. Weil nur das Knacken von harten Nüssen garantiert, dass wir die Winter der grassierenden Bewusstlosigkeit, die uns als "neue Leichtigkeit" lecker verkauft wird, überleben. Und jeder, der sich da mit genau dieser Ausrede, der Anstrengung mit dem Schwierigen dieser Beschäftigung verweigert, läuft Gefahr einzufrieren.