Erstellt am: 28. 1. 2009 - 13:20 Uhr
Islam und Religionsunterricht
Für viele Debatten sorgt in Österreich gerade eine Dissertation des Religions-Soziologen Mouhanad Khorchide: Der Islamwissenschafter stellt etwa fest, dass ca. 20% der islamischen Religionslehrer in Österreich die Demokratie als nicht vereinbar mit dem Islam sehen, dass 40% der jetzt tätigen Religionslehrerinnen überhaupt keine pädagogische Ausbildung haben und 37% haben weder eine theologische noch eine pädagogische Ausbildung. Viele Islamlehrer seien weit von modernen Unterrichtsmethoden entfernt, sagt Khorchide und kritisiert, dass es diesen im Religionsunterricht oft nur um Dogmen, Grundsätze und Rituale geht, ohne Bezug zum Alltag.
Für die Inhalte des Religionsunterreichts sind die Glaubensgemeinschaften zuständig, also die verschiedenen Kirchen oder, wie in diesem Fall, die islamische Glaubensgemeinschaft. Islamischen Religionsunterricht gibt es in Österreichs öffentlichen Schulen seit 27 Jahren. Aus dem Unterrichtsministerium heißt es jetzt, ein Eingriff in den Religionsunterricht sei ein Eingriff in die Religionsfreiheit. Der Islamwissenschafter Mouhanad Khorchide, der selbst auch Imam ist, fordert hingegen das Bildungsministerium auf, für moderne Qualitätsstandards auch im islamischen Religionsunterricht zu sorgen.
Martin Jäggle, Dekan der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien, hält die Ergebnisse der Studie Mounanad Khorchides für durchaus zutreffend – doch sie spiegeln für ihn die Fehler der Vergangenheit wider. Die Zukunft sähe besser aus. Jäggle spricht sich für eine interreligiöse Religionspädagogik aus, und diese werde in Österreich bereits gelebt: „Die islamischen ReligionslehrerInnen, die an der Universität seit zwei Jahren ausgebildet werden, besuchen auch Lehrveranstaltungen bei uns an der katholisch-theologischen Fakultät und an der evangelischen Fakultät. Es gibt ein erfolgreiches Bemühen der islamischen Religionspädaokik, den Standards einer Universität voll zu entsprechen.“
An dem Gymnasium, das ich selbst besuchte, hat den Religionsunterricht unter anderem ein Opus-Dei-Mitglied gestaltet – dementsprechend dogmatisch und ritualisiert lief er dann auch. „Gibt es Bildungsstandards für den Religionsunterricht aller Glaubensrichtungen?“, frage ich. Martin Jäggle: „Der Lehrplan gibt Richtziele vor und eröffnet dem Lehrenden die Möglichkeit, auf die Situation einzugehen. Ich halte die Rahmenbedingungen für einen Religionsunterricht, der nicht indoktrinierend ist, für ausgezeichent. In dem Moment, wo er indoktrinierend ist, verliert er auch seine Kundschaft. Besonders bemerkenswert sind nun auch die Lehrpläne für den islamischen Religionsunterricht in der Volksschule: Er enthält zum Beispiel auch Themen wie Katholisches Christentum, Evangelisches Christentum, oder das Thema Österreich: Unsere Heimat“. Dass das Bildungsministerium grundsätzlich keinen Einfluss auf Inhalte des Religionsunterrichts hat, begrüßt Jäggle: „Die Rechtslage ist ganz klar. Für die Inhalte und für die Auswahl der Personen ist allein die Kirche oder Religionsgemeinschaft zuständig. Der Staat hat aber alle Möglichkeiten einzugreifen, wenn der Unterricht wider die staatsbürgerliche Erziehung läuft und demokratiegefährdend ist.“
Einer der Forschungsschwerpunkte Martin Jäggles ist auch der Ethikunterricht. „Alternative oder Ergänzung?“, frage ich den Religionspädagogen. Jäggle: „Es gab viele Alternativ-Versuche. Sie alle hatten nach einigen Monaten den Namen ‚Ethik‘. Ich halte es für ganz wichtig, dass es an der Schule ethische Bildung gibt. Dass ein Diskurs stattfindet über ethische Fragen. Aber der Ethik-Unterricht als solcher ist kein Ersatz für religiöse Bildung, kein Ersatz für das Lernen über Religionen, für existientielle Fragen, die keine ethischen sind, für ästhetische Fragen, die keine ethischen sind. Es gibt also einen Unterschied zwischen religiöser Bildung und ethischer Bildung. Das kann sich an der Schule an unterschiedlichen Fächern abbilden.“ Jäggle wünscht sich Ethik also als zusätzliches Fach.
„Soll Ethik von Theologen oder von Nicht-Theologen unterrichtet werden?“, frage ich. Jäggle: „Der Ethikunterricht muss von Lehrern geleitet werden, die eine Kompetenz in Ethischer Bildung haben. Aber dort, wo im Ethikunterricht religiöse Themen zur Sprache kommen oder Religionen thematisiert werden, ist zu erwarten, dass der Ethiklehrer eine Kompetenz in Religionendidaktik hat. Sonst redet er über etwas, worüber eine keine Kompetenz hat.“ Nicht Ethik statt Religion, sondern Ethik und dazu Bildung über möglichst viele Religionen, wenn möglich im interreligiösen Austausch. Eigentlich ist das ein multikultureller Ansatz anstatt eines ignoranten.