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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

27. 1. 2009 - 16:29

Journal '09: 27.1.

Diskussions-Kultur - und ein Fortschritt.

Ich bin ja froh (bei diesem Satz hab ich irgendwie ein Déjà Vu...) dass Karl Fluch mit einer sehr weblogartigen Replik auf meine als Medienkritik getarnte Medienkritik, in der seine Franz Ferdinand -Geschichte aus dem Montag-Standard zwar nicht umfangreich, aber exemplarisch vorkommt (auch weil sie inhaltlich unverfänglich und wenig kontrovers ist und somit kein Ablenkungs-Potential bietet), reagiert hat.

Wer sich da jetzt wundert und meint, dass derlei in einem (von mir zuletzt ja laufend eingeforderten) Diskurs-Klima eine Selbstverständlichkeit wäre, hat Recht. Leider ist es in Österreich alles andere als logisch, dass man sein Tun reflektiert oder sich gar drüber austauscht. So hatte etwa kürzlich niemand vom Falter die Courage, auf meine prinzipiellen Anmerkungen (man könnte es auch Medienkritik nennen) zu einer (sagen wir es höflich: heftigen) Geschichte, die auf etwas von mir Verfasstes reagierte, zu antworten. Nicht einmal per Mail.

Fluch hat sogar den Mumm, seine Geschichte für die FM4-Site freizugeben. Das ist toll. Das ist ein (und das ist es, worüber ich froh bin) wichtiger Schritt in eine sinnstiftende Debatte über Tun und Wirkung, über Ansätze und Zugänge (wie es im Übrigen auch im Standard-Forum zu Fluchs Replik in einem guten Posting angemerkt wurde).

Wer nicht diskutiert, bleibt stehen

Dass ich nicht mit allem, was in der Replik steht, einverstanden bin - na sowas! Die ausschließlich aus Originalbeiträgen bestehende FM4-Website (auf der sich deshalb auch der eine oder andere Müll einschleicht) mit der Standard-Website, die sich zu 80% aus unredigierten Copy-Paste-Meldungen der APA speist zu vergleichen - kann passieren! Dass ich manches anders in Erinnerung habe - geschenkt! Dass manchmal Äpfel mit Birnen, VIP-Bereich mit Bar-Bereich gegengewogen werden - auch egal, es kommt immerhin Kompott dabei raus.

Und oft hat Fluch auch 100% recht: Wenn er etwa meint: "Ansonsten ist dieses Blumenau und Fluch hauen sich in die Goschn-Ding redundant und befriedigt bloß die niederen Instinkte der Zaungäste", trifft er einen zentralen Punkt.

Denn leider ist die österreichische Lesart, wenn es um Abstraktionsfähigkeit geht, sehr schwach ausgeprägt - es muss immer personalisiert werden.
Während es in "richtigen" Medien-Ländern durchaus möglich ist, eine von den Personen losgelöste Debatte über Inhalte und die Philosophie hinter dem eigenen Tun öffentlich zu führen, geht sich das in Österreich nicht aus - die meist einzige weiterführende Reaktion ist das Runterbrechen auf persönliche Konflikte. Und zwar in jedem Bereich, von der Politik bis zum Sport.

Davon hat sich logischerweise auch Fluch anstecken lassen und zitiert ein paar Episoden. Na klar gab es bislang zwischen uns bereits Debatten über das, was wir da tun. Und der exemplarisch an den Anfang gerückte Streets-Vorfall zeigt ja, dass es um Inhalte (und zwar um bewusstes Weglassen von zentralen Informationen - auch in diesem Fall tat der Fluch-Bericht so, als hätte er ein Konzert gesehen, wo es nur ein Showcase gab) geht und nicht um Privates oder Persönliches.
Das war im Übrigen auch der Grund, warum kaum jemand von FM4 auf die Fluch-Kritik zum 13. Geburtstag reagierte, der zu sehr im Schatten des Todes von Wener Geier stand.

Privates und Öffentliches

Und: Selbstverständlich werde ich ein medieninternes Podium wie die von Fluch angesprochene Standard-Blattkritik aus dem Vorjahr, in der es um die Aufarbeitung von prinzipiellen Themen geht, nicht dafür missbrauchen, eine sehr spezielle Rand-Debatte vom Zaun zu brechen, der die dort Anwesenden gar nicht folgen könnten und wohl auch möchten. Dafür ist - auch weil das in zahlreichen Gesprächen drüber nicht vermittelbar war - dann auch so eine Auseinandersetzung gut/nützlich.
Ohne Auseinandersetzung, ohne Reibung, ohne Diskurs gibt es nur Stillstand und Sich-auf-die-Schulter-Geklopfe - das braucht keiner.

Natürlich ist mein privater Grund-Modus Fluch/Schachinger gegenüber freundlich.
Weil ich sie als Menschen, als Freunde von Freunden ja schätze - auch wenn ich mit manchen Dingen, die sie (journalistisch) tun, eben nicht einverstanden bin. Zum Beispiel aus den von mir auf zwei sehr wesentliche Punkte reduzierten prinzipiellen Kritik an der heimischen Pop-Schreibe (Selbstkritik inclusive) insgesamt.

Nämlich dass sie sich einerseits formal zu sehr an hochkulturellen Kriterien orientiere (wie Fluch selber anmerkt, wäre das ja auch komplett sinnlos) und den Kontext der Geschehnisse (anderswo nennt man das "Produktionsbedingungen") zumeist ausblende, und dass es andererseits einfach notwendig für das Erfassen des Wesens von populärer Musik ist, sich zumindest für eine kleine Zeiteinheit auf das Gebotene einzulassen.

Sich-Einlassen

Ein Beispiel: Karl Fluch erzählt, dass er das Franz Ferdinand-Konzert auf Höhe des Mischpults, also neben dem Front-Of-House-Hüttl am Beginn des Arena-Abhangs verfolgt hätte. Ich meine, dass das genügt, wenn man einen Act innerhalb eines größeren Zusammenhangs streift oder ihm eine kleine Geschichte widmet. Für den Aufmacher des Kultur-Buchs reicht das meiner Meinung nach nicht.
Ich möchte einen kleinen Beleg anführen. Vor vielen Jahren, im Juni 2003, spielten an genau gleicher Stelle die "Queens Of The Stone Age". Zu Beginn stand ich dort, genau an der Fluch-Stelle, mit ein paar Kollegen herum, die Knecht war sicher dabei, vielleicht sogar auch der Fluch, ich weiß es nimmer so genau. Dort kam das Set soundtechnisch/gefühlig nur solala an.
Ich bin dann vorgegangen, soweit es halt geht, war dann rechts fast bei den Boxen - und hatte ein erleuchtendes Erlebnis (das man hier in einem nahe dem Irrsinn verfassten Nachbericht nachlesen kann). Und zwar deshalb, weil ich mich drauf eingelassen hab'.

Sorry, aber das würd' ich mir von aktueller und guter Pop-Kritik eben wünschen - das ist mit der "Lust" drauf gemeint, wie es ein Forum-Poster genannt hat. Die Lust und die Freude an der Sache nämlich - das sollte doch der Motor sein; das Kritische und Mäkelnde kommt doch bei uns gelernten Österreichern eh ganz von selber. Und das sollte die "fade Routine", die der Kollege Gröbchen aktuell (bei anderen) konstatiert, in die Rente schicken.

Das würd ich mir wünschen, von allen - auch und gerade vom Kollegen Fluch. Und das sollte er - ebenso wie wir alle - aushalten können.