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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

27. 1. 2009 - 15:07

L.A. Confidential

Mit "Changeling" - "Der fremde Sohn" liefert Clint Eastwood tatsächlich seine beste Regiearbeit seit langer Zeit.

Der absolute Albtraum jeder Mutter beginnt an einem ganz normalen Nachmittag: Als die allein erziehende Christine Collins nach der Arbeit ihre Wohnung betritt, ist es auffällig still. Ihr kleiner Sohn Walter scheint spurlos verschwunden.

Christine Collins alarmiert sofort völlig aufgelöst die Polizei. Aber weil wir uns im Los Angeles des Jahres 1928 befinden, passiert erst einmal wenig. Als die Suche nach dem Kind endlich anläuft, finden sich zunächst keinerlei Hinweise. Erst nach fünf Monaten erhält Christine einen Anruf: Ein Junge namens Walter Collins wurde in einem anderen Bundesstaat aufgegriffen und ist auf dem Weg nach L.A.

Am Bahnhof, von grinsenden Polizeibeamten umringt, im Blitzlichtgewitter der Presse, macht Christine eine schreckliche Entdeckung. Der Bub, der da aus dem Zug steigt und sich als Walter Collins ausgibt, ist nicht ihr Sohn.

Ist sie Opfer einer fatalen Verwechslung geworden, eine dunklen Verschwörung, eines Komplotts?

Angelina Jolie in "Changeling" - "Der fremde Sohn"

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Clint Eastwood, der einstige Spezialist für knochenharte Kinokerle, hat sich bekanntlich im Alter zum einfühlsamen Filmemacher gewandelt. Und nach "Million Dollar Baby" stellt er nun erneut eine Frau ins Zentrum des Geschehens. Dicht klebt die Kamera am Gesicht von Angelina Jolie, ohne dabei jemals voyeuristisch zu wirken, und begleitet ihre Figur der Christine Collins bei ihrem Martyrium.

Denn die Polizei will die Wahrheit nicht akzeptieren. Zu schlecht ist der Ruf des korrupten LAPD, eine weitere Blamage in den Medien können sich die Gesetzeshüter nicht leisten. Also versucht man, Christine mundtot zu machen.

Die Frau, die nichts will als ihren wahren Sohn zurückzubekommen, wird zwangspsychiatriert, lächerlich gemacht, entmündigt.

Changeling, bei uns "Der fremde Sohn" betitelt, ist ein Film der Verwandlungen. Was als Kriminalgeschichte beginnt, mutiert zu einem erbitterten Sozialdrama, das von Frauenfeindlichkeit und Machtmissbrauch erzählt, aber auch von Zivilcourage und Mut.

Wenn dann der Streifen wieder in den Bereich des Thrillers zurückkehrt, verdunkelt sich die Leinwand gänzlich.

Angelina Jolie in "Changeling" - "Der fremde Sohn"

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Spätestens an dieser Stelle muss ich gestehen, dass mir bei aller grundsätzlichen Sympathie für Herrn Eastwood seine letzten Regiearbeiten nur bedingt zusagten.

"Million Dollar Baby" hatte, abseits des pechschwarzen Finales, etwas von einem peinlichen Sozialmärchen, das dann doch den amerikanischen Traum predigte. Die (Anti-)Kriegsdramen "Flags of Our Fathers" und sogar "Letters from Iwo Jima" verbreiteten, trotz aller hehren Absichten, immer noch mehr rührseliges Pathos, als ich zu schlucken vermochte.

"Changeling" vermeidet nun weitgehend die schmalztriefenden Sackgassen der Vorgängerstreifen. Dabei hätte sich der Leidensweg der Christine Collins in dieser Hinsicht nahezu angeboten. Aber Clint Eastwood biegt lieber, dem realen Fall folgend, der dem Film zu Grunde liegt, in unbeleuchtete Seitenstraßen ab, in beklemmende Zonen, wo auch der L.A.-Chronist James Ellroy seine grausigen Storys ansiedelt.

Und die Frau in der Hauptrolle, die man eigentlich nur mehr aus dämlichen Klatschmeldungen kennt? Sie strengt sich an, darf man freudig registrieren. Die Rolle der unnachgiebigen Christine wurde Angelina Jolie auf den Mutterleib geschrieben und lässt ihre generell schlechte Rollenauswahl vergessen. John Malkovich und sämtliche Nebendarsteller fesseln ebenfalls.

"Changeling" ist ein verstörender, aufwühlender Kinotipp.

Angelina Jolie in "Changeling" - "Der fremde Sohn"

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