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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

27. 1. 2009 - 13:06

The Crying Light

Antony meldet sich mehr als drei Jahre nach "I Am Bird Now" mit einem neuen Album zurück.

Cover von The Crying Light

Antony and the Johnsons

The Crying Light

Antony Hegarty ist eines dieser Ausnahme-Talente, einer dieser "Beautiful Outsider", die uns zeigen, dass die (Pop-)Welt manchmal doch gerecht ist. Björk verehrt Antony, Rufus Wainwright tut es, und Velvet-Underground-Ikone Lou Reed sowieso. Die I-Am-Your-Fan-Liste für Antony ist mittlerweile lang, ziemlich lang, und das ist gut so. Lou Reed war einer der ersten, der auf den in New York lebenden gebürtigen Briten aufmerksam wurde. Nach Stationen in den Niederlanden und Kalifornien, konnte letztlich nach wie vor nur New York City der Ort sein, an dem jemand wie Antony sich entfalten und entwickeln konnte.

King Of Pain

Mit "I Am A Bird Now" gewann Antony Hegarty dann auch den doch mit recht viel Aufmerksamkeit verbundenen britischen Mercury-Musik-Preis. Umso klarer war, dass Antonys Nachfolge-Album noch eine Spur genauer beäugt werden würde. Ob dieser neue König des tiefempfundenen Schmerzes noch eines draufsetzen können würde? Oder ob dieser sanfte Gigant etwa doch noch zerbrechen könnte am hallenfüllenden-Pop-Startum, das er nach langen Jahren in künstlerischer Obskurität schließlich gefunden hatte?

The Muse That I Follow

Konzerthinweis

Antony and the Johnsons werden auch am kommenden Donaufestival zu sehen sein. Und zwar am zweiten Wochenende, also von 30. April bis 2. Mai.

Schriftzug "donaufestival.at"

donaufestival

Mehr dazu in 'Fake Reality' - Donaufestival 2009

Antony tat seit "I Am A Bird Now" aber zum Glück nichts anderes als Antony zu sein. Nur mit dem Unterschied, dass er sich dann doch recht rasch daran gewöhnte, auf einer Bühne vor Menschen zu sein, statt lieber hinter dem Vorhang spielen zu wollen. Antony wurde insgesamt sicherer, was seine Person betraf. Wo er anfangs als erstes von seiner Kindheit erzählte: "You know, I was a transgender kid, and I felt very isolated", fasst er heute zusammen: "It has been a long journey for me. A long journey to feel more comfortable in general and to feel more comfortable with my intuitons."

Mit diesen Intuitionen meint Antony Hegarty etwa eine "more feminine spirituality" anstatt einem "patriarchal spiritual system". Mit Letzterem wuchs der katholisch erzogene Antony Hegarty auf. In den 1980er Jahren war der heute 37-Jährige Fan von Marc Almond (Soft Cell) und Culture-Club-Sänger Boy George, der nach wie vor (hörbar) zu Antonys Einflüssen zählt.

Antony Hegarty: "It is great that we have more tools to talk about gender now than we did when a 21-year old Boy George had when he was on TV and all he could say that he preferred a coup of tea to sex. That was as far as the talk about sexuality, let alone gender, could go. The window has opened now and I am lucky that there is a platform for someone like me to talk about my experience in a straightforward way."

This Gentle Giant is a Nature-Boy

Videostill aus "Epilepsy Is Dancing".

Antony and the Johnsons

Aus dem Video zu "Epilepsy Is Dancing"

Zurück zur Spiritualität auf dem neuen Album von Antony And The Johnsons, wo die Bäume eine Seele haben und die Tiere sowieso: Mutter Erde weint, und das tut auch einem Antony weh: "Her Eyes Are Underneath The Ground". Verschrotte dein (noch gar nicht so) altes Auto, und kaufe rasch ein neues, sagt das Gesicht aus dem Fernsehen…(Mit welchem Geld?) Something is wrong here, terribly wrong, sagt Antony, der sanfte Riese mit dem neuen Selbstbewusstsein: "Everyone's aware of changes in the planet's eco system." Und weil Antony Künstler ist, hatte er einfach das Bedürfnis, das in den neuen Songs auszudrücken. Recht so. Damit wir die Hoffnung nicht ganz verlieren.

Cover von The Crying Light

Antony and the Johnsons

"The Crying Light" von Antony And The Johnsons ist bei Rough Trade erschienen.

Zwei weitere Stand-Out-Tracks

"Epilepsy Is Dancing". Dieses Stück zeigt Antony Hegarty in fast schon beschwingter Stimmung und ist eine Art spätgeborener Zwilling im Geiste vom Joy-Division-Song "She´s Lost Control". Und das dramatische "One Dove", wo Antony vor zartem kammerpopmusikalischem Hintergrund seine persönliche History anspricht: "I was born curling fox in a hole, hiding from danger, scared to be alone", dann von seinem religiösen Aufwachsen inspiriert singt: "In starlight you came from the other side", und schließlich weniger ein(seriöser) Boy George ist, sondern vielmehr ein Marvin Gaye, wenn er noch einmal bittet: Mercy, mercy!