Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Mal zappeln, mal kopfnicken"

Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

25. 1. 2009 - 05:20

Mal zappeln, mal kopfnicken

Die Große Halle der Wiener Arena oszilliert am FM4 Geburtstagsfest zwischen gebrochenen Beats und zuckenden Körpern.

Was, erst um halb Zehn geht's los? Ist aber eh klar: Mit einem Zuckerschlecker-Line Up auf der Open Air-Bühne macht es keinen Sinn, drinnen in der Halle allzu früh Konkurrenz on stage zu schicken. Außerdem ist es nie schlau, wenn zu vieles gleichzeitig passiert. Wir wissen alle, wie es sich anfühlt, wenn die drei persönlichen Lieblingsbands endlich mal versammelt auf einem Festival spielen und dann sogar alle gleichzeitig auf verschiedenen Bühnen auftreten. Und wenn ihr jetzt sagt: "Ha, wie sollen Gruppen wie Hinterland oder Schwefelgelb den Deichkindern und Ferdinand Fränzen Konkurrenz machen?!", dann willkomme ich euch zur frenetischen, dicht gedrängten Menschenmenge in der Großen Halle der Wiener Arena.

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Alles rund ums FM4 Geburtstagsfest

Überaffirmation der Peinlichkeit

Quasi als Vorband zu den wirklichen Bands stehen aber zuerst die ausgeflippten Herren von FM3000 auf der Bühne. Elsbacher, Puntigam, Ratschiller und Tagwerker wandeln eine halbe Stunde lang durch unterschiedliche Rollenspiele, die mit bizarren Kostümierungen genussvoll überzogen in Szene gesetzt werden. Pole dancing, gender-bending und Puntigam'sche Brachialästhetik (frei nach dem Motto: "My outfit is more embarrassing than yours.") stehen am Programm, bis der FM4 Ombudsmann endlich im Rollstuhl mit Blindenbrille und Stock auf die Bühne gefahren wird. Und zehn Sekunden später feststellt, dass "etwas passiert" sei und er wünscht, die Windeln gewechselt zu bekommen. Eine erste Andeutung auf das nahende Ableben einer Figur?

Hermes und Blumenau moderieren Hinterland an.

Radio fm4/ondrusova

Martin Blumenau und Hermes sorgen für den fließenden Übergang vom verstörenden Auftritt des FM4 Ombudsmanns hin zum Hauptabendprogramm in der Großen Halle.

Getortet und gefedert zu Beats and Rhymes

Nach dem aufgeregten Hin und Her zwischen der traditionellen Torten-Zeremonie (dieses Mal für den perfekt dazu passenden Deichkind-Riot zeitlich vorverlegt) und der sich stetig füllenden Großen Halle ist es beim Auftritt des oberösterreichischen HipHop-Trios Hinterland Zeit, zu bleiben. Die Protestsongcontest-Finalisten aus dem Vorjahr verführen Beats & Rhymes-SkeptikerInnen zwar nicht zum Aufhorchen, die versammelte Menge ist aber weitgehend zufrieden - auch, wenn die kritischen Raps akustisch leider größtenteils untergehen.

Hinterland rappen am Bühnenrand.

Radio Fm4/Ondrusova

Schwefelgeil

Etwas entäuscht war ich ja schon, als klar wurde, dass aus dem angedachten Geburtstagsfestauftritt von DAF doch nichts wird. Schwefelgelb seien ein würdiger Ersatz für die alten EBM-Herren aus Düsseldorf, hieß es bald darauf redaktionsintern.

Eddy und Sid von Schwefelgelb

Radio FM4 / Ute Hölzl

Einige Wochen und zwei Songs später will ich von DAF-Vergleichen und anderen Referenzen nichts mehr hören! Sex, Sünde und Sägezahn-Sounds sind hier konzentriert versammelt und das ist wohl alles, was zählt. Nasse, strohblonde Haarsträhnen, die in die schwarz geschminkten Augen klatschen, exaltierte Posen, dreschende Snare Drums, hysterische Arpeggios, Texte voll von hedonistischem Größenwahn. Ich weiß nicht, ob ich von Schwefelgelb genug kriegen möchte. Die schreiende Meute im Publikum ist zurecht missmutig, als ihre kräftigen "Zugabe"-Schreie nach dem Auftritt zu schnell in der aufgedrehten Konserven-Musik untergehen.

Der Sänger von Schwefelgelb

Radio FM4 / Ute Hölzl

Lasst die Puppen tanzen

Zugegeben, meine Augen blieben beim erstmaligen Lesen des Line-Ups zum FM4 Geburtstagsfest nicht bei der Erwähnung der Puppetmastaz hängen. Das zwar immer noch originelle, aber mittlerweile bekannte Konzept der zotigen und schäbigen Rap-Puppen ist schon über einige Jahre hinweg immer wieder mal live zu sehen. Trotzdem, die HipHop-Puppetshow bewährt sich jedes Mal aufs Neue und die perfekt umgesetzte Lippensynchronisation von Mr. Maloke, Snuggles und Co. ist ein weiteres Mal bemerkenswert. Die Stimmung in der Halle bleibt blendend.

Puppetmastaz

Radio fm4/ondrusova

Natalie Brunner hat die Puppetmastaz auch zum Interview getroffen. Die Kamera war mit dabei

1000 Robota, nicht genügend Batterien

Fotos:
Ute Hölzl/Susi Ondrusova

Okay, denke ich mir, nach einem HipHop-Act nun wieder wildes Gezapple von energiegeladenen jungen Herren - so will es die Running Order des heutigen Abends. Es folgt der übliche Gang vom Backstage-Bereich in die Halle und ... nichts. Als ob eine dicke Milchglas-Wand zwischen Band und Publikum aufgebaut wäre, die den Schall abschirmt und die Musiker nur schemenhaft durchscheinen lässt, schrummen 1000 Robota müde und leise von der Bühne in ein ratloses Publikum. Was ist hier los?

Sebastian Muxfeldt von 1000 Robota im Strobo-Licht

Radio FM4 / Ute Hölzl

"Wie ihr schon bemerkt habt, sind wir eine eher schwierige Band", meint Sänger und Gitarrist Anton Spielmann irgendwann und setzt noch eine beleidigte Anspielung auf das unbeeindruckte Publikum nach. Zwei Songs später verlässt das Trio wortlos und mit hängenden Schultern in vollendeter Resignation die Bühne. Werden die jungen Bandmitglieder ihrem grassierenden Hype nicht gerecht und sind nun in weiterer Folge hoffnungslos überfordert? Vielleicht hatten sie aber auch einfach nur einen schlechten Tag.

Anton Spielmann, Sänger von 1000 Robota

Radio FM4 / Ute Hölzl

Bäuche, Bässe, Bärte

Vergangener, stundenlanger Bandwahnsinn und eine rätselhafte Performance des vorigen Gruppe gestalten die Ausgangslage für die drei humorvollen Dänen von WhoMadeWho, die den krönenden Abschluss des Festes bestreiten, schwierig.

Schlagzeuger von Whomadewho

Radio Fm4/ondrusova

Ihre Bass-lastige, gemütlich dahingroovende Gitarrentanzmusik lässt aber viele Gäste langsam wieder aus ihrer Erstarrung erwachen. Optisch herrscht auf der Bühne Eintracht und Einfallsreichtum: Die Gitarristen sind monochrom gewandet, der bärtige, bauchige Drummer ist zeigefreudig. WhoMadeWho sprengen keine Ketten und lassen kaum Adrenalinbäche fließen, der gelungene Abschluss des Live-Aufgebots beim vierzehnten FM4 Geburtstag ist ihnen dennoch bestens geglückt.

Gitarrist von Whomadewho mit Sektflasche in Hand.

Radio Fm4/Ondrusova