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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

22. 1. 2009 - 18:49

Schluss mit Lustig

Ein paar Gedanken anlässlich einer Pressekonferenz mit Brad Pitt und David Fincher in Berlin.

Irgendwie schon komisch, wie die öffentliche Wahrnehmung von bestimmten Celebritys und deren künstlerisches Engagement derzeit bis zu einem beinahe perversen Punkt auseinander driften.

Auf der einen Seite zeichnen diverse Klatschgazetten und Massenmedien ein immer stupideres Bild von beispielsweise Hollywoods Superstars und bemühen sich, die Betroffenen, trotz partytechnischer Ausrutscher, Beziehungskonflikten und Problematiken der Kindererziehung, in einem überaus verklärten Licht darzustellen.

Dieser heimeligen Wahrnehmung diametral entgegen steht das tatsächliche Schaffen etlicher bestverdienender Schauspieler unseres Planeten.

George Clooney, das angehimmelte Instant-Kaffee-Testimonial, liebt es bekanntlich, innerlich zerfressene Verlierer zu spielen und sein Feschak-Image selbst in Nebenbei-Komödien wie "Burn After Reading" brutal aufzublatteln.

Leo, der ewige Mädchenschwarm, rechnet in "Revolutionary Road" mit romantischen Fantasien ab und denunziert, gemeinsam mit seiner Ex-"Titanic"-Geliebten Kate Winslet, die bloße Idee von funktionierenden Beziehungen als traurige Illusion. Letztere wiederum wird demnächst, in "The Reader", einer mörderischen KZ-Aufseherin ihr Antlitz leihen.

Viele Menschen also, deren verzerrter Darstellung die Yellow Press ihre Society-Storys verdankt, haben in ihrer Arbeit gerade keine Lust auf lustige Späßchen oder Weichzeichner-Geschichten. Das ist bemerkenswert, lässt die Schere zwischen den konstruierten Images dieser Akteure und ihren Filmen aber weiter denn je aufklaffen.

Brad Pitt bei der Berlin Premiere von 'The Curious Case Of Benjamin Button'

Warner Bros

Mir gingen solche Gedanken durch den Kopf, als ich vor wenigen Tagen eine Pressekonferenz in Berlin besuchte. Der Anlass war ein Film, der mir seit geraumer Zeit nicht aus dem Kopf geht, David Finchers tief berührendes Epos "The Curious Case Of Benjamin Button", eine fast dreistündige Meditation über Altern, Geburt und Tod, mit einem gewissen Brad Pitt in der Titelrolle.

Regisseur und Hauptdarsteller hatten sich im schicken Hotel de Rome zum Plausch mit den Medien eingefunden, Blitzlichtgewitter wurde streng untersagt.

Bevor die beiden Herren auf dem Podium Platz nahmen, herrschte Unruhe im Saal. Hoffentlich, zischelte es von allen Seiten, hält Fincher möglichst die Schnauze und stört nicht mit cineastischem Geschwätz. Denn, Grundgütiger, der Brad zeigt sich eh so wenig und nun ergibt sich endlich eine Gelegenheit, ihn zu den essentiellen Dingen zu befragen. "Benjamin Button" zählte dabei nur für einen Teil der Anwesenden dazu.

Es galt stattdessen, Wortspenden von Mr. Superstar zu seinen Sprösslingen einzufangen, zum neuen US-Präsidenten und zur Gastgebermetropole natürlich, das ist schließlich das einzige, das man den strengen Boulevard-Chefredakteuren verkaufen kann.

So erfuhr man von Brad Pitt, dass Berlin natürlich eine wirklich wunderbare Stadt sei und, ja, Babys dem Leben erst einen Sinn geben.

Brad Pitt & David Fincher bei der Berlin Premiere von 'The Curious Case Of Benjamin Button'

Warner Bros

Nun bin ich keineswegs prinzipiell klatschfeindlich eingestellt, wenn dabei ein bisschen Rock'n'Roll, unverantwortlicher Sex und großes Drama im Spiel sind.

Die diversen gröberen Verwirrungen all der Petes, Kates und Amys hab ich auch in gelangweilten Kaffeehausmomenten nachgelesen, einen Cappuccino lang reicht das schon als schmutziges Entertainment.

Artikel über Brangelina dagegen, dieses meistgefeaturete Pärchen des Planeten, deren kleine Blagensippe mir kollektiv den Buckel runterrutschen kann, dessen gemeinsame Reisen mir ebenso pipifax sind wie ihre diversen Adoptionsbemühungen oder seine Architekturambitionen, überblättere ich konsequent.

Aber, und das ist der Punkt, während mich die Privatperson Brad Pitt fadisiert, fesselt der Typ mich als Schauspieler und Muse einiger meiner Lieblingsregisseure und ich rechne ihm seine Rollenwahl hoch an. Gerade in "Der seltsame Fall des Benjamin Button" besticht Pitt mit unerwarteter Zurückhaltung und stellt sich der Aussage - es geht um die unerhörte Flüchtigkeit der Existenz - nie eitel in den Weg.

Brad Pitt & Angelina Jolie bei der Berlin Premiere von 'The Curious Case Of Benjamin Button'

Warner Bros

Auch die Frau Gattin, mit der ich mir entschieden schwerer tue, fasziniert demnächst in einem Film. In Clint Eastwoods beklemmendem Drama "Changeling - Der fremde Sohn" liefert Angelina Jolie eine der besten Leistungen in ihrer zwiespältigen Karriere. Promipostillen-LeserInnen, die sich ihretwegen in diesen Streifen verirren, bekommen vom Regisseur ein Los Angeles der menschenfeindlichen Cops, korrupten Ärzte, Kindesentführer und Serienkiller vorgesetzt.

Die Angie, der Brad, der Leo und die anderen Hollywood-Darlings unterlaufen den Mainstream, der nach ihrem Glamour giert, also mit Filmen, in denen Mainstream-Idyllen gnadenlos zerstört werden. Das ist keine neue Erkenntnis, aber sie wurde mir bei dieser Pressekonferenz wieder richtig bewusst.

Brad Pitt bei der Berlin Premiere von 'The Curious Case Of Benjamin Button'

Warner Bros

PS: Viel Privates rückte der gutaussehende Kerl auf dem Podium, zum tiefsten Bedauern der Kollegenschaft, ohnehin nicht heraus. Der neue Tarantino, den Brad Pitt gerade in Berlin dreht, werde dagegen "absolutely outrageous", grinst er. Das Blutbad aller Blutbäder. Die 'Gala'-AbonnentInnen dürfen sich freuen.