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22. 1. 2009 - 20:05

Wiener Fußballverband: Kritik unerwünscht

Seit Oktober sind drei Fußballspielerinnen des FC Hellas Kagran suspendiert, weil sie den FPÖ-Politiker Martin Graf, Präsident des Vereins, kritisieren. Jetzt sperrt der WFV Spieler einer anderer Mannschaft, die sich mit den Frauen solidarisieren.

Seit Herbst kritisieren mehrere Spielerinnen des Wiener Frauenfußballklubs "FC Hellas Kagran" ihren Vereinspräsidenten: Dieser heißt Martin Graf und ist gleichzeitig von der FPÖ gestellter dritter Nationalratspräsident.
Die Spielerinnen wurden nach einer Demo gegen Graf von Training und Spielen ihres Fußballvereins suspendiert. Vor kurzem haben sich vier Mitglieder eines anderen Vereins, "Union AC Mauer", mit den suspendierten Spielerinnen des "FC Hellas Kagran" solidarisch erklärt - und wurden dafür jetzt vom Wiener Fußballverband gesperrt und mit Geldstrafen belegt.

Spanferkel am Fußballplatz

Bei Schlagermusik, Bier und Spanferkel hatten sich letzten September einige hundert Freunde und Mitglieder der FPÖ am Fußballplatz versammelt. Für die Veranstaltung war auf Flugzetteln mit Martin Graf geworben worden, organisiert hatte das Fest der FPÖ-Bezirksrat Marcus Vetter - jener Mitarbeiter Martin Grafs, der vor kurzem aufgrund seiner Bestellungen beim rechtsextremen "Aufruhr-Versand" in die Schlagzeilen gekommen ist. Auf die Frage, warum er die Veranstaltung ausgerechnet auf dem Fußballplatz abhalte, hatte er im September noch gesagt: "Die Infrastruktur ist wichtig. Als Donaustädter Bezirksgruppe machen wir’s in Donaustadt. Ich kümmere mich auch um die Jugendarbeit in Donaustadt, wir haben noch weitere Veranstaltungen im Bezirk."

Trainingsabbruch und Suspendierung

Die Wahlkampfveranstaltung fand allerdings während des Trainings der Frauenfußballmannschaft statt. Drei Spielerinnen fühlten sich dadurch gestört und brachen das Training mit den Worten "Wir haben keine Lust, neben den Nazis zu trainieren" ab.

Auch nach der Nationalratswahl protestierten die drei Frauen weiter gegen die Vereinnahmung des Sportplatzes durch die FPÖ - und sie nahmen auch an einer Kundgebung vor dem Parlament teil, hier allerdings gegen Martin Graf als möglichen dritten Nationalratspräsidenten. Kurz darauf suspendierte sie der "FC Hellas Kagran" von Spielen und vom Training.

Margareta Döller: "Wir waren in der Kabine, bereits umgezogen. Es hat geheißen, die ganze Mannschaft soll noch warten, es will jemand mit uns reden." Vereinsobmann Werner Hammer verkündete dann in der Umkleidekabine die Suspendierung von Margerita Döller und zweien ihrer Teamkolleginen.

Heute ersuchte Werner Hammer um Verständnis für die Suspendierung der Spielerinnen und um ein Ende der seiner Meinung nach unfairen Berichterstattung über den Verein durch die Medien. Eine FPÖ-Wahlkampfveranstaltung sei das "Spanferkelessen" auf dem Fußballplatz im September 2008 keineswegs gewesen. Ein Radiointerview wollte Wener Hammer bei allem Werben um Verständnis nicht geben. Aus dem Büro des Vereinspräsidenten Martin Graf heißt es schon bei allen Interviewanfragen seit Herbst 2008, er nehme zu Angelegenheiten des FC Hellas Kagran nicht Stellung - so auch heute.

Aber nicht nur Journalisten, auch die Spielerinnen selbst werden mit Informationen kurz gehalten: Einen gültigen, in schriftlicher Form vorliegenden Ausschluss aus dem Verein gibt es bisher noch nicht. Solange die Spielerinnen suspendiert sind, dürfen sie aber auch nicht bei einem anderen Verein spielen. Angebote dazu hätten sie bereits. Margareta Döller: "Ich möchte weiter beim FC Hellas Kagran spielen. Aber nicht mit diesem Präsidenten und nicht unter diesen Bedingungen."

Zwei Frauen, die Fußball spielen, von hinten.

StuSeeger

Foto: StuSeeger

Solidaritätsbekundung mit Folgen

Jetzt haben sich vier Spieler eines anderen Fußballclubs, des Union AC Mauer, mit den suspendierten Spielerinnen des "FC Hellas Kagran" solidarisch erklärt. Einer davon: Der 16-jährige Sebastian Kugler. Er und seine Freunde zogen beim Aufwärmen vor einem Spiel gegen den FC Hellas Kagran T-Shirts an mit der Aufschrift: "Zeigt Martin Graf die rote Karte. Lasst Irene, Lucia und Margerita spielen!"

Kugler: "Wir sind mit den T-Shirts aus den Kabinen rausgekommen, aber nicht einmal zum Aufwärmen gekommen. Es sind sofort ein paar gereizte ältere Herren vom FC Hellas Kagran auf uns zugekommen und haben gefragt, was das soll, wie wir uns das erlauben könnten. Sie meinten, wir hätten keine Ahnung worum es überhaupt geht. Wir sagten: Wir haben sehr wohl Ahnung, worum es geht, wir protestieren gegen die Suspendierung von Spielern, die gegen einen rechtsextremen Fußballpräsidenten auftreten."

Einige Tage nach dem Vorfall dann die Überraschung: Der FC Hellas Kagran hat die Spieler des Union Mauer beim Wiener Fußballverband geklagt, der Verband sperrt die vier Jugendlichen für drei bzw. vier Spiele und verhängt 300 Euro Geldstrafe über den Trainer. Absurd erscheint dabei die Begründung des Wiener Fußballverbandes.

"Der Paragraph, wegen dem wir angeklagt wurden, lautet: 'Rassismus und andere diskriminierende Handlungen'. Wenn man sich vor Augen hält, dass wir gegen einen Rassisten protestiert haben, ist das Ganze etwas paradox", sagt Sebastian Kugler.

Schwebendes Verfahren

Der Sechzehnjährige ist nicht nur über die Begründung für die Sperre und Geldstrafe verwundert, sondern auch über die mangelnde Information seitens des Wiener Fußballverbandes: "Wir haben mehr oder weniger zufällig von unserem Trainer erfahren, dass beim Verband geklagt wurde. Wir wurden nie vorgeladen, konnten uns nie zu den Vorfällen äußern. Wir werden auch über den Fortschritt der Berufung komplett im Dunklen gelassen, wir wissen nicht, was da rauskommt oder wie weit das bereits verhandelt ist."

Auf Grund des schwebenden Verfahrens ist der Verband heute ebenfalls nicht zu einer Stellungnahme bereit. Kritik am Verhalten des WFV kommt von Karl Öllinger, Nationalratsabgeordneter der Grünen: "Ich halte das Verhalten des Wiener Fußballverbandes und die Begründung für die Sperre für skandalös." Öllinger kritisiert auch den FC Hellas Kagran: Präsident, Obmann, Schriftführer und Rechnungsprüfer des Vereins seien jetzt FPÖ-Funktionäre, und auch das Buffet des Sportplatzes leitet seit neuestem "Aufruhr-Versand"-Besteller und FPÖ-Bezirksrat Marcus Vetter.

Öllinger: "Weder die Jugendlichen, noch ihre Eltern wissen vermutlich, dass da seit Jahren eine stabsmäßig geplante Aktion zur Übernahme eines Fußballvereins durch blaue Funktionäre im Gang ist."

Antirassistisches Fußballturnier

Am 24. Jänner veranstalten Fußballfreunde, die mit den suspendierten und gesperrten SpielerInnen von FC Hellas Kagran und Union AC Mauer solidarisch sind, das "Antirassistische Fussballturnier". Es findet am Fußballplatz des SC-Hakoah im 2. Wiener Gemeindebezirk, Wehlistraße 326, statt. Mitspielen werden Frauen- und Männermanschaften aller Altersgruppen. ZuschauerInnen sind herzlich willkommen.