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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

21. 1. 2009 - 18:44

Neonazis im Netz

Dass im Internet auch Gedankengut von Neonazis verbreitet wird, ist nichts Neues. Heute nützen rechtsextreme Aktivisten auch Social Networking Plattformen, Radiostreams und virtuelle Welten.

Eine der globalen Anlaufstellen für Neonazis ist stormfront.org. Neben einer englischsprachigen PDF-Ausgabe von "Mein Kampf" bietet sie auch Dutzende Blogs, in denen Hitler als herausragender Politkiker verehrt wird: Er hätte den sogenannten "National Socialism" erfunden, der heute die wirksamste Waffe gegen Wirtschatfskrise und Terrorismus wäre. Verbreitet werden solcherlei Thesen auch über einen eigenen Radiosender, wo garantiert alles "weiß" ist: es gibt Klassische Musik und Country-Songs, in denen vor allem die Helden der Konföderierten Staaten von Amerika besungen werden.

Inhaltlich stehen im Stormfront-Radio Verschwörungstheorien hoch im Kurs: gestern Nachmittag etwa lange Monologe über die angeblichen Pläne Barack Obamas, einen Atomkrieg zu starten - und immer wieder die jüdische Weltverschwörung, deren Marionette der US-Präsident sei: "Wir haben Führer, die den Iran atomar bombardieren werden, weil Israel irgendein seltsames psychologisches Trauma fühlt." Solch irres Geschwätz läuft dort den ganzen Tag, alternativ dazu gibt es auch das Stormfront-Forum: Es ist eingeteilt in Kontinente und Nationen. Deutsche und Österreichische Nazis findet man hier vereinzelt auch: Zum einen posten sie auf englisch im "Europa"-Forum, wohl wissend um Wiederbetätigungsgesetze, zum anderen in einem eignens eingerichteten deutschen Bereich, wo die oberste Schlagzeile derzeit lautet: "Zentrale Thesen des dritten Weges".
Nationalist zu sein und internationale Netzwerke zu knüpfen sei aber kein Widerspruch, vereint sei man ja durch die weiße Hautfarbe.

"White Pride without hate" heißt zwar ein Motto von Stormfront, doch dass Obama jetzt Präsident der USA ist, löst so manche Hasstirade aus: "It is so sad, America is now tarnished with the foul stench of n*gger equality. Every White traitor that voted for that soulless mud demon to be president shall burn. Let's talk about the fact: Whites are superior to blacks, jews and asians in every way possible. It is a fact, pure, plain and simple. God Bless The White Race!" Werbebanner für einschlägige Shops stehen unter solchen Forumseinträgen, darunter auch für die Bekleidungskette Thor Stainar oder den Internetshop 44x2.com (44 x 2 ergibt 88, steht also für HH oder Heil Hitler).

Globale Netzwerke knüpfen Rechtsextreme auch auf Facebook. Die Suche nach den Begriffen "Nazi" oder "White Supremacy" ergibt allerdings eher Parodien, da heißt es zum Beispiel "Whitebread Supremacy" - für bessere Ernährung und gegen das nährstoffarme Weißmehl. Aber: Schon die Suche nach "Waffen SS" führt zu ernst gemeinten Gruppen. Eine davon schreibt ganz typisch: "This is a non-political site and does NOT subscribe to any revisionist organizations and neo-nazi beliefs. This site is ONLY to explore the combat role of the Waffen-SS in World War II." Eine Vorsichtsmaßnahme, denn hervorgegangen ist die Gruppe "Waffen-SS" aus einer früheren, die wegen Diskriminierung und Menschenverachtung vom Facebook-Betreiber gelöscht wurde. Die neue Gruppe hat 1200 Mitglieder, Tendenz steigend. Bei genauerem Lesen wirkt die Agenda nicht ganz so neutral: "Wir brauchen aktive Mitglieder, um unser Wissen zu teilen über eine der großartigsten Armeeeinheitem der Geschichte."

Solche Auswüchse gab es bis vor kurzem auch in der frei gestaltbaren 3D-Welt Second Life. Traurige Berühmtheit hat dort 2007 das "SS Waffenlager" erlangt, eine virtuelle Halle voller Uniformen, Gewehren, Hakenkreuzfahnen und sogar Kanistern mit der Aufschrift Zyklon B. Auf Grund der frei programmierbaren Umgebung und der Synchronität der Kommunikation verschwimmen in Second Life die Grenzen zwischen politischer Agitation und Provokation, zwischen Ernst und Rollenspiel: Das "SS Waffenlager" stammte von einer Gruppe mit dem für deutschsprachige Ohren seltsamen Namen "Furzies" – das Wort ist eine Verschmelzung aus "Furries" (einer Subkultur in Second Life, deren Angehörige comicartige Tierwesen als Avatare benützen) und "Nazis". "Furzies" waren im Wesentlichen Wölfe und Füchse in SS-Uniformen, die ihrer Sympathie für das Dritte Reich nicht nur mit ihren Konstruktionen in der virtuellen Welt, sondern auch mit Musik und Youtube-Videos Ausdruck verliehen - das Wort "Deutschland" konnten die aus den USA stammenden "Furzies" kurioserweise nicht richtig schreiben ("Deuscheland"). Aufsehen - und damit Traffic in ihren Internetforen - haben sie trotzdem erregt.

Heute exisitiert das SS-Waffenlager allerdings nicht mehr - Intoleranz und Menschenverachtung sind in Second Life 2008 deutlich zurückgegangen, unter anderem auf Grund des konsequenten Vorgehens seitens des Betreibers der virtuellen Welt, Linden Lab. Die "Furzies" und andere Neonazis haben sich in Regionen zurückgezogen, die sich vordergründig nur mit Kriegsstrategien oder Panzertypen zu beschäftigen scheinen. Dafür hat Second Life, dessen Userbasis sich 2008 verdoppelt hat, nun einige interessante Attraktionen gegen Rechtsextremismus: Zum Beispiel eine "Kristallnacht"-Ausstellung des US Holocaust Museum, ein interaktiver Spaziergang durch eine deutsche Stadt, bei dem plötzlich von (unsichtbaren) Nazi-Schergen Synagogen angezündet und Schaufenster jüdischer Geschäfte eingeschlagen werden. Dazu gibt es Interviews und Videoeinspielungen mit realen Holocaust-Überlebenden und sehr ausführliche historische Information über die Nazi-Greuel.