Erstellt am: 10. 1. 2009 - 15:50 Uhr
Die Krise und was dazu gehört
Während in Österreich immerhin das poetische "Lebensmensch" zum Wort des Jahres wurde, gewann in Deutschland die schnöde "Finanzkrise" den Contest 2008. Dabei wird doch erst 2009 das Jahr der Krise, das prophezeite zumindest die Bundeskanzlerin bei ihrer Fernsehansprache zum neuen Jahr. Aber die Deutschen hätten schon schlimmere Krisen überstanden, tröstete sie.
Den prekarisierten Freiberufler lässt das erst einmal kalt, ihm geht es wie der ganzen Stadt Berlin: Er ist immer in der Krise. Und wer wie Berlin eh schon in der Krise ist, wird nicht so stark von ihr getroffen. In Berlin gibt es keine Autoindustrie, die einbrechen, kein Wachstum, das zurückgehen kann. 13% Arbeitslosigkeit und jede Menge Schulden sind eh schon da, trotzdem ist die Stimmung ist irgendwie gut, man amüsiert sich.
Wer sich in der Lo-Fi-Bohéme so durchwurstelt, der ist es gewohnt, kein festes Einkommen zu haben, und wer nix Gespartes und keinen festen Job hat, der hat auch nichts zu verlieren, dachte man bisher, aber falsch gedacht.
Bei der Kultur und den freien Mitarbeitern wird überall zuerst gespart. Die Städte und Kommunen schießen weniger oder gar nichts mehr zu Veranstaltungen und Festivals zu, Clubs verlieren ihre Förderung. Daher wird man weniger eingeladen, bekommt weniger Gage und so erreicht die Finanzkrise sehr bald auch uns Indiemusiker und Freelance-Proletarier.
Unlängst spekulierte man in der Tageszeitung 'taz' , ob eine große Krise nicht sogar gut für neue Musik- und Jugendbewegungen sein könnte. Schließlich hätte der Thatcherismus plus Zukunftsangst den Punk vorgebracht - und Kunst und Schmerz gehörten nun mal zusammen.
Aber bei solchen Theorien drängt sich gleich das Bild vorm armen Poeten - einer Umfrage zu Folge der Deutschen beliebtestes Gemälde - auf. Dieses Spitzweg-Bild von 1835 (siehe oben) zeigt, ganz aus der Distanz in romantischer Verzauberung betrachtet, einen armen Poeten, der in seiner kalten Dachstube auf einer schäbigen Matratze unterm Regenschirm lagert und dichtet. So alt ist sie schon, die Mär vom Künstler, der arm sein muss, um kreativ zu sein.
Aber eines gilt auch im Krisenjahr 2009: Wer allzu prekär lebt, bei dem geht bald gar nichts mehr, außer die existenzängstlichen Gedanken im Kreis herum.